Berlin: Was hat der Milchschaum mit der Verdrängung zu tun?

Latte Macchiato und Stadtentwicklung: Auf die richtige Mischung kommt es an!

Prenzlauer Berg gilt mittlerweile als Paradebeispiel für die Gentrification von Stadtvierteln. In zwanzig Jahren Stadterneuerung wurden nicht nur die Häuser umfassend modernisiert, sondern auch die Bewohnerschaft umgekrempelt und der Gewerbestruktur ein völlig neues Gesicht verpasst. Doch ein Stadtviertel lässt sich nicht nur über Baukörper und Bevölkerungsstatistiken beschreiben, sondern auch über Stimmungen, Images und die Alltagspraktiken der Menschen, die es sich tagtäglich aneignen und neu erschaffen. Die amerikanische Soziologin Sharon Zukin beschreibt in ihrem aktuellen Buch „Naked City. The Death and Life of Authentic Urban Places“ diese kulturellen Dimensionen des Städtischen als Authentizität des Ortes und beklagt die Veränderungen in vielen gentrifizierten und runderneuerten Stadtteilen als den Verlust der Seele der Stadt. Vielleicht eine Anregung, sich auch in Prenzlauer Berg auf die Suche nach der Seele des Stadtbezirks zu begeben.

„financial weapons of mass constructions“

Sharon Zukin beschreibt für New York zunächst eine enorme Stadterneuerungstätigkeit in den letzten 15 Jahren, da sich bis zur Finanzkrise Immobilienmarkt und Banken dabei überschlugen, mit der Aufwertung von Wohnungen viel Geld zu verdienen. Auch die Oberflächenbeschreibung der Veränderungen in Prenzlauer Berg seit der Wende ist schnell zusammengefasst. Angestoßen von öffentlichen Anreizen direkter Fördermittel und Steuererleichterungen in der Höhe von insgesamt 1 Mrd. Euro wurden mehr als 80 Prozent der sanierungsbedürftigen Wohnungen modernisiert. Die Viertel hier zählen heute zu den attraktivsten der Stadt. Neuvermietungsmieten und Kaufpreise von Eigentumswohnungen erreichen Berliner Spitzenwerte. Sozialstudien in den mittlerweile entlassenen Sanierungsgebieten zeigen, dass nur noch knapp 20 Prozent der früheren Bewohner/innen in den Nachbarschaften leben. Eine hohe Mobilität allein ist noch kein hinreichender Hinweis auf eine Gentrification. Doch in Prenzlauer Berg hat sich eine wanderungsinduzierte Neuzusammensetzung der Sozialstruktur vollzogen. Die soziale Mischung zu Beginn der 1990er Jahre hat sich in eine weitgehend homogene Bevölkerungsstruktur aufgelöst. Die traditionellen A-Gruppen wie Alleinerziehende, Alte, Arme und Arbeiterfamilien sind fast völlig aus den Gebieten verschwunden – dafür sind mit den Architekt/innen, Anwält/innen und anderen Akademiker/innen neue A-Gruppen eingezogen. Die Durchschnittseinkommen des Bezirks haben sich im Vergleich zum städtischen Durchschnitt von 70 Prozent (1993) auf 140 Prozent (2008) erhöht. Der Anteil von Akademiker/innen hat sich mehr als verdoppelt und in Gebieten wie dem Kollwitzplatz haben über zwei Drittel der Erwachsenen eine Hochschulausbildung abgeschlossen oder streben eine solche an. Noch Anfang der 2000er Jahre wurde über die Bewertung des Bevölkerungswandels gestritten, da der noch nicht abgeschlossene Verdrängungsprozess verschiedene Interpretationsspielräume zuließ. Mittlerweile wird der Gentrification-Befund nur noch in Nischen der öffentlichen und wissenschaftlichen Debatten angezweifelt.

„contested city – contested authenticity“

Begleitet wurden die Veränderungen der letzten Jahre von emotionalen und leidenschaftlich geführten Debatten, denn insbesondere für die Verdrängung der früheren Bewohner/innen wollte niemand verantwortlich sein. Mit der Ausweisung großer Teile der Altbauviertel zu förmlich festgelegten Sanierungsgebieten wurde Anfang der 1990er Jahre das öffentliche Ziel einer „Behutsamen Stadterneuerung“ ausgerufen. Auf dem Programmzettel der Stadtplaner und zuständigen Senatsverwaltung stand nichts weniger als die Quadratur des Kreise: trotz weitgehend privatfinanzierter Investitionen sollten die Bausubstanz aufgewertet und die Sozialstrukturzusammensetzung erhalten werden. Während die Erneuerung der Bausubstanz als durchschlagender Erfolg angesehen werden kann, ist das soziale Sanierungsziel auf der Strecke geblieben. Die Debatten sind geblieben, haben sich aber von einer Diskussion um die Einschätzung der Veränderungen (Gibt es Verdrängung und Gentification?) in eine um die Bewertung der nun durchgesetzten Zustände (Ist es nicht schön, wie es ist? Warum sollten wir den alten Zeiten hinterher trauern?) verschoben. Die jüngst auch in den Prenzlauer Berg Nachrichten ausgetragenen Revierkämpfe um die ‚richtige‘ Beurteilung einer Fotoreportage über den Wandel einer Straße kann als Prototyp der Auseinandersetzung um die Deutungshoheit des Bezirks verstanden werden. Ost gegen West, Alteingesessen gegen Neuhinzugezogen – die Konfrontationslinien scheinen klar verteilt. Auslöser war eine längere Dokumentation in der Zeitschrift GEO. Unter der Überschrift „Ausgetauscht: Fassaden, Geschäfte, Anwohner. Geschichte, Heimat, Gedächtnis.“ wurde Harf Zimmermann auf der Suche nach den Motiven seiner 1987 gemachten Bilder durch die Hufelandstraße begleitet. Während die einen sich in ihren persönlichen Verlusterfahrungen bestätigt sahen, interpretierten andere den Bericht als Kritik an ihrer Lebensweise und verteidigten, wie PBN-Autor Peter Dausend, ihr Recht auf den „Milchschaum vor Mund“.

„the city lost its soul“

Sharon Zukin 2010: Naked City.

Sharon Zukin zeigt, dass solche Auseinandersetzungen kein Spezifikum von Prenzlauer Berg sind. Sie zeichnet ein bedrückendes Bild der städtischen Entwicklungsdynamiken in New York seit der Jahrtausendwende. Durch die ständige Veränderung und Zerstörung bestehender Strukturen habe „einen Nachbarschaft nach der anderen ihre lokale Identität verloren“. Statt der unverwechselbaren Mischungen von Künstler/innen, Arbeiterklasseangehörigen und Migrant/innen seien immer mehr Viertel von einer  Monotonie der Gentrifier, Cocktailbars und Starbucks-Läden geprägt: „In the early years of twenty-first century, New York City lost its soul“. Dabei bedauert sie nicht so sehr die Tatsache der Veränderungen selbst, sondern vielmehr das beschleunigte Verschwinden der mit den Orten verwachsenen Einrichtungen und Bewohner/innen.

Sharon Zukin’s New York ist ein umkämpfter Raum und auch die Rezeptionen von Veränderungen erfolgen in großer Unterschiedlichkeit. Während einige die Klagen über das Verschwinden gewachsener Strukturen als unverhohlene Nostalgie zurückweisen und auf die Normalität eines immerwährenden Wandels in den Städten verweisen, sehen andere darin den Verlust von Authentizität und der Seele der Stadt. Sharon Zukin zählt sich ganz klar zur zweiten Gruppe und betont, ihre Betroffenheit sei keine Nostalgie. Weder vermisst sie die Drogendealer und die heruntergekommenen Wohnungen, noch die beschmierten U-Bahn-Waggons oder den schlechten Kaffee der Vergangenheit – was sie vermisst, ist „das Gefühl einer Nachbarschaft deren Diversität greifbar war in den Gerüchen und Geräuschen der ethnischen Imbisse, experimentellen Kunstgalerien und Ausstellungen, in den Gesichter und Stimmen der Männer und Frauen, die von überall her kamen, um einen einzigartigen Charakter der Nachbarschaft zu schaffen“.

Es gibt sie noch diese Viertel – in New York ebenso wie in Berlin. Aber der Trend weist auf eine, durch die Stadterneuerung ausgelöste, Homogenisierung, bei der die Nachbarschaftsidentitäten in eine Marke verwandelt werden und die Stadtteile so ihre Seele verlieren.

„displace the poor, latte by latte“

Sharon Zukin stellt uns zwei Gesichter von Nachbarschaftsidentitäten vor, die uns helfen können, auch die aktuelle Debatte in Prenzlauer Berg einzuordnen: eine historische gewachsene, ursprüngliche Authentizität und eine aus der ständigen Neuerfindung des Raumes erwachsene neue Authentizität. In unserem Fall also vielleicht die ‚Erinnerung an früher‘ und der ‚Milchschaum‘.

Diese unterschiedlichen Authentizitätskonstruktionen sind – mit Zukin gesprochen – keinesfalls als harmlose Perspektivdifferenz anzusehen, sondern können zum Ausdruck eines Machtkampfes werden. Es geht um nichts weniger, als die kulturelle Hegemonie im Stadtteil. Sharon Zukin bezeichnet die Authentizität als eine „fiktive Qualität von Nachbarschaften“, die aber zentrale Auswirkungen auf unsere Wahrnehmung von Stadträumen habe, unser raumbezogenes Alltagshandeln präge und damit die Produktion des Raumes selbst determiniere. Klingt kompliziert, ist aber relativ einfach: Wenn wir uns nur immer wieder einreden, Prenzlauer Berg sei kinderfreundlich, kreativ oder besonders hipp und uns dann den eigenen Erwartungen entsprechend verhalten, wird die Vorstellung vom Stadtteil zur materiellen Gewalt und Prenzlauer Berg genau so, wie wir ihn uns zuvor wünschten. Im Verbund mit ökonomischen und politischen Ressourcen wird Authentizität dabei zu einem Instrument der Kontrolle nicht nur der äußeren Erscheinung, sondern der Nutzung des realen städtischen Raumes. „Jede Gruppe, die auf einer eigenen Authentizitätsvorstellung gegenüber anderen beharrt, kann eine moralische Überlegenheit beanspruchen. Aber Gruppen, die einem ganzen Stadtraum ihren eigenen Geschmack (…) auferlegen, erheben einen Anspruch auf diesen Raum und verdrängen damit Langzeitbewohner/innen.“

Die ursprüngliche Authentizität eines Viertels ist dabei keineswegs an die Gruppen gebunden, die am längsten im Gebiet wohnen, sondern wird von Zukin als ein moralisches Recht auf Stadt verstanden, es den Bewohner/innen zu ermöglichen, an ihrem Wohnort Wurzeln zu schlagen. Es ist das Recht einen Raum zu bewohnen und zu gestalten und nicht nur als ein Erlebnis zu konsumieren. Authentizität ist in diesem Sinne eine täglich erfüllte Erwartung, dass die Nachbar/innen und die Gebäude und Geschäfte die mich heute umgeben, auch morgen noch hier sind. Städte – so Zukin – verlieren ihre Seele, wenn diese Kontinuität gebrochen wird.

Genau diesen Verlust haben in den letzten zwanzig Jahren tausende Bewohner/innen in den Altbauquartieren Ostberlins erlebt. Einige konnten sich in die neu entstandene Authentizität von Prenzlauer Berg einbringen, andere haben ihre Erinnerungen in den Beschreibungen des umstrittenen GEO-Artikels wiedergefunden. Und es mutet etwas merkwürdig an, dass ausgerechnet diejenigen, die mit ihren Lebensstilen und Konsumorientierungen den Alltag und die Gewerbeangebote im Viertel längst dominieren, der Erinnerungsarbeit und Verlustbewältigung räumlich, sozial und kommunikativ marginalisierter Altbewohner/innen die Legitimität abzusprechen versuchen.

Mit dem Schlagwort einer hybrid city bündelt Sharon Zukin Utopien von einer durchmischten Stadt, in der bestehende und sich neu herausbildende Authentizitätserfahrungen nicht nur respektiert, sondern als soziale und kulturelle Diversität im Raum real gelebt werden. Dieser Zug scheint in Prenzlauer Berg weitgehend abgefahren – es mangelt nicht nur an Respekt, auch die (alte) Seele scheint verloren. Prenzlauer Berg zwanzig Jahre nach der Wende: die einen haben den Milchschaum vorm Mund, den anderen bleibt die Wut im Bauch.

Zum Weiterlesen:

Zukin, Sharon 2010: Naked City. The Death and Life of Authentic Urban Places. Oxford/New York: Oxford University Press

(Veröffentlicht als Gastbeitrag bei Prenzlauer Berg Nachrichten)

35 Gedanken zu „Berlin: Was hat der Milchschaum mit der Verdrängung zu tun?

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  3. Hallo AH,

    hier mal ein paar Anmerkungen und Fragen:

    1. Du schreibst „Sozialstudien in den mittlerweile entlassenen Sanierungsgebieten zeigen, dass nur noch knapp 20 Prozent der früheren Bewohner/innen in den Nachbarschaften leben.“. Könntest du uns einmal gegenüberstellen (am besten in einer kurzen Tabelle) wie sich der Austausch der Bewohner in „nicht gentrifizierten berliner Bezirken“ darstellt? Ich hätte hier gerne einmal Vergleichszahlen um sehen zu können, ob der Bevölkerungsaustausch hier wirklich %ual wesentlich höher liegt. Das kann man nur über Vergleichsstatistiken erreichen.

    2. Weiter schreibst du „Die Durchschnittseinkommen des Bezirks haben sich im Vergleich zum städtischen Durchschnitt von 70 Prozent (1993) auf 140 Prozent (2008) erhöht.“ Auch hier die Bitte das mal bezirksübergreifend (Veränderung) vielleicht in Verbindung mit der Tabelle unter 1 zu verknüpfen. Am besten in Verbindung mit konkreten Zahlen (€) um sehen zu können von welchem Niveau hier ausgegangen wird. So wird für den außenstehenden Betrachter die Dimension erst greifbar.

    3. Du zitierst “ „das Gefühl einer Nachbarschaft deren Diversität greifbar war in den Gerüchen und Geräuschen der ethnischen Imbisse, experimentellen Kunstgalerien und Ausstellungen, in den Gesichter und Stimmen der Männer und Frauen, die von überall her kamen, um einen einzigartigen Charakter der Nachbarschaft zu schaffen“. Das haben wir auch in gentrifizierten bereichen, nur auf einem anderen Niveau. Auch im Schanzenviertel (Paradebeispiel) hast du alle oben genannten Kriterien, nur halt etwas chicker…für mich zeigt das eindeutig, dass hier nur der sozialromanischen Vergangenheit der klassischen A-Bevölkerung nachgetrauert wird. Unter dem Strich sind ein Großteil der als vermisst empfundenen Einrichtungen weiter vorhanden.

    4. „Authentizität ist in diesem Sinne eine täglich erfüllte Erwartung, dass die Nachbar/innen und die Gebäude und Geschäfte die mich heute umgeben, auch morgen noch hier sind. Städte – so Zukin – verlieren ihre Seele, wenn diese Kontinuität gebrochen wird.“….um Gottes Willen, das würde absoluten Stillstand bedeuten und der Stadt jede Entwicklungsmöglichkeit rauben. Eine grauenhafte Vorstellung.

    5. „Dieser Zug scheint in Prenzlauer Berg weitgehend abgefahren – es mangelt nicht nur an Respekt, auch die (alte) Seele scheint verloren.“ Bitte definiere doch hier einmal Respekt auch im Hinblich auf die Sichtweise der Hinzuziehenden. respekt ist keine Einbahnstrasse und ich würde gerne einmal wissen, wie und wo die „Gentrification-Opfer“ den neuen Bewohnern Respekt entgegenbringen den sie für sich immer so gerne einfordern.

    Viele Grüsse,

    MBE

  4. Ich finde den Artikel gut getroffen – auch wenn viele Dinge wie „Gefühle wie es früher war“ nicht direkt messbar erscheinen. Habe selbst einige Zeit im Bötzow-Viertel gewohnt und wohne jetzt in Nord-Neukölln, bin also mit Sicherheit Teil der Gentrification-Bewegung. Frage mich nur auch immer, was man als einzelner „dagegen“ tun kann, und ob das überhaupt erstrebenswert ist… Wenn ich nicht in die mieterhöhte Wohnung ziehe (in einem Haus das kürzlich von einer privaten Wohnungsgesellschaft übernommen wurde), macht es jemand anders. Dann habe ich zwar möglicherweise ein reines Gewissen, weil ich nicht Teil der Gentrification bin, aber der Prozess an sich wird deshalb ja nicht aufgehalten. Ich frage mich regelmäßig, was man als Einzelner praktisch dagegen tun kann, diese Prozesse aufzuhalten oder zu verlangsamen.

  5. Lieber MBE,

    bin gerade unterwegs und habe keinen vollständigen Zugriff auf meine gesammelten Daten zur Bevölkerungsentwicklung. Trotzdem ein paar Erklärungen:

    1. Mobilität und Wohndauer: Das Wanderungsvolumen in den Sanierungsgebieten ist (wie in allen anderen Innenstadtbezirken auch) höher als im gesamtstädtischen Durchschnitt. Der Anteil von Altbewohner/innen liegt im Schnitt der Innenstadtquartiere aber leicht unter Berliner Durchschnittswerten. Leider wird die Wohndauer nicht systematisch von stat. Ämtern erfasst, so dass ein Vergleich nur mit ausgewählten Studien möglich wäre, die jeweils zu anderen Zeitpunkten auf einer uneinheitlichen Datenbasis erhoben werden und oft auch noch unterschiedliche Zeitspannen definieren, um die Wohndauer zu clustern. Ein Vergleich ist also nicht einfach als Tabelle darzustellen. Bezogen auf die Gesamtstadt liegt der Anteil der Bewohner/innen, die schon vor zwanzig Jahren hier gelebt haben bei etwas über 30 Prozent.
    Weil Mobilität und Wohndauer ein so unsicherer Indikator sind, habe ich ihn in der Argumentation ja auch v.a. benutzt um die sozialstrukturellen Veränderungen als wanderungsinduziert beschreiben zu können. Ohne die Mobilitätszahlen würde vielleicht jemand auf die Idee kommen, die gestiegenen Einkommens- und Bildungsdaten als individuellen Aufstieg zu interpretieren.

    2. Relation der Durchschnittseinkommen
    Hier habe ich ja extra für die bessere Vergleichbarkeit mit den Indexwerten argumentiert, da die realen Einkommensentwicklungen durch die Transformationseffekte doch sehr verzerrt sind. Ausgangspunkt der Überlegung war es, die durchschnittlichen Einkommen in den Sanierungsgebeiten in ein Verhältnis zu den Durchschnittseinkommen der Gesamtstadt (in dem Fall Ostberlin, um die Transformationsbedingten Verzerrungen zu umschiffen) zu setzen. 1993 waren das in Prenzlauer Berg etwa 70 Prozent – 2008 lagen die Einkommen bei 140 Prozent des städtischen Durchschnitts. Die Einkommen sind in allen (Ost)Berliner Bezirken gestiegen (und bewegen sich mittlerweile etwa auf dem Westberliner Niveau) – in Prenzlauer Berg aber deutlich schneller.

    3/4/5) Wie ich im Text schon geschrieben habe, unterscheidet Zukin zwischen ‚ursprünglicher‘ und ’neue entstehender‘ Authentizität. Deshalb können auch in Aufwertungsgebieten wie St. Pauli neue Strukturen der Stadtteilidentität entstehen. So wie ich ihre Argumentation verstehe, gibt es keine ‚richtige‘ und ‚falsche‘ Authentizität – trotzdem aber eine Auseinandersetzung darum. Aus diesem Grund habe ich ja auch geschrieben dass „bestehende und sich neu herausbildende Authentizitätserfahrungen (…) respektiert“ werden sollten. Bei der Burteilung der unterschiedlichen Authentizitätskonstruktionen spielen jedoch auch soziale, ökonomische und politische Ressurcen eine Rolle, die es ja oft v.a. den Aufwertngsgewinner/innen erleichtern, ihre Vorstellungen vom guten Leben in der Stadt, tatsächlich umzusetzen. Der von dir eingeforderte „Respekt“ der „Gentrification-Opfer“ besteht ja in den allermeisten Fällen in einem stillschweigendem Auszug. Konflikte in den Stadtteilen – das ist jetzt aber noch einen unausgegorene These – finden überwiegend zwischen verschiedenen Fraktienen/Milieus/Gruppen statt, die um die (Neu-)Aneignung eines Raumes konkurrieren.

    Ich habe Zukins Forderung nach einem Recht auf Kontinuität nicht als Vision eines Stillstandes interpretiert, sondern als Option für einen Veränderungsprozess, der organisch auf dem Bestehendem aufbaut und eben nicht deren Zerstörung voraussetzt.

    Soweit, beste Grüße,

    AH

  6. Hi AH,

    Danke schon mal für die Anworten. Bezüglich der „Wanderungsbewegung“ in Berlin habe ich folgende Zahlen gefunden (ältere Untersuchung, trotzdem interessant):

    http://www.luise-berlin.de/bms/bmstxt99/9906proh.htm

    In Prenzlauer Berg lebten demnach Ende 1990 143.312 Personen. Am 30. Juni 2010 waren es nach Wikipedia 143.590 Leute => die Kopfanzahl ist also nahezu identisch.

    Folgerung gleichbleibende Einwohnerzahl: Die Neubautätigkeit/Nachverdichtung hat also nur dem erhöhten Platzbedarf der Menschen Rechnung getragen/kompensiert, nicht dem zahlenmäßig zur Verfügung stellen von zusätzlichen Wohnungen ( http://www.ifs-staedtebauinstitut.de/hi/hi2006/hi02.pdf ). Steigerung Wohnfläche pro Kopf von 1990=28,2m² auf 2005=38,5m²/Ostdeutschland)

    Da du sagst, dass in „normalen“ Gebieten ca. 30% der Altbevölkerung noch vor 20 Jahren in ihrem Bezirk wohnen, im gentrifizierten Prenzelberg noch ca. 20%. Das bedeutet für mich, dass hier (Pi mal Daumen) max 10% der Bevölkerung von 1990 = 14.300 Leute (vom Baby bis zum Greis) zusätzlich aus dem Gebiet ausgewandet sind. Diese 14.000 Leute werden ja auch nicht alle nur über die Gentrification verdrängt worden sein, gerade im Hinblick darauf, dass 1990 meist junge Leute da lebten die dann Familien gegründet haben und auch „ins Grüne“ gezogen sind. Lass es 50% sein, die auf Grund der reinen Gentrifizierung „zusätzlich“ abgewandert sind, dann sprechen wir hier von 7.000 Leuten. Das ist im Gesamtblick gesehen nicht viel.

    _______

    Bezüglich der Durchschnittseinkommens finde ich deinen Satz bei deiner Antwort wichtig: „Die Einkommen sind in allen (Ost)Berliner Bezirken gestiegen (und bewegen sich mittlerweile etwa auf dem Westberliner Niveau) – in Prenzlauer Berg aber deutlich schneller.“

    Klar, weil die Ossi-Gehälter aus 1990 langsam stiegen und der Wessi-10%-Berlinförderungs-Bonus wegbrach haben sich die Einkommensverhältnisse angeglichen. Heisst für mich aber nun, dass jetzt auf gleicher Augenhöhe (was das Durchschnittseinkommen betrifft) um den vorhandenen Wohnraum gebuhlt wird.

  7. Vielleicht ist die Mobilität so hoch, weil im Prenzlauer Berg 1990 fast nur Rentner und Alkoholiker lebten. Deren Halbwertszeit ist eben geringer als die von Stasi-Hauptmännern in schicken neuen Platten. Das erklärt dann zum Teil auch die rasch steigenden Einkommen.

    Wie nachhaltig das Ganze ist, wird sich herausstellen. Wenn ich durch die Choriner Strasse spaziere, sehe ich die jungen Menschen bei der Arbeit oder bei Praktika in Architekturbüros und New Media Agenturen sitzen, daneben „Kinderläden“ (ein merkwürdiges Wort übrigens. Im Fahrradladen kauf ich ein Fahrrad – was kauf ich im Kinderladen?), daneben die bekannten Latte-Olivenöl-Mediterrania-Bio-Omakuchen. Ein wenig wirken sie alle auf mich wie die neuen Verdammten dieser Erde.

    Zum Glück gibts noch Konnopke. Den wollen die Ökoplaner ja auch wegekeln. Wenn Konnopke fällt, ists aus. Da esse ich jetzt erstmal ne Currywurst. Irgendwie nerven auch die Döners und die Spielhallen. Die haben auch um mindestens 90 Prozent zugenommen, seit 1990. Und deren Besitzer sind meist keine Schwaben. Gibts da auch Untersuchungen?

    Immerhin gibts noch einige gute Eisenwaren- und Tapetengeschäfte. Und Willy Bresch.

    • würdest du bitte zur kenntnis nehmen, dass das kleine loch in der wand – in der dunckerstr – nicht mehr existiert! nach dem AUS für duncker 80, wo man noch echte menschen traf, mußte in den letzten wochen nun auch connys bistro schließen!
      der verfall ist endgültig. willy bresch wird folgen! niemand da, der das aufhält….traurig

  8. Lieber MBE,

    ich glaube, du machst es Dir mit deiner Berechnung zu einfach, weil wir ja gar nicht über die Umzugsmotive derer wissen, die da in deiner Rechnung vorkommen. Deshalb hatte ich ja auch geschrieben, dass Mobilitätsraten und Wohndauer für sich genommen k e i n e hinreichenden Indikatoren für eine Gentrification sind.

    Deine Argumentation einer durchschnittlichen Normalität der Fluktution verdeckt ja völlig, dass es Umzüge gibt, um die eigenen Wohnbedürfnisse besser zu realisieren und solche die unfreiwillig erfolgen und im Ergebnis für die Bewohner/innen einen Nachteil darstellen. Wie groß die jeweiligen Anteile insgesamt sind und wie sie sich in den einzelnen Stadtteilen verteilen, wissen wir nicht. Dein Zahl von 7.000 Verdrängten ist daher eine reine Milchmädchenrechnung, die uns nicht wirklich weiterhilft.

    Ende der 1990er Jahre haben wir in einem Forschungsprojekt die Umzüge in Modernisierungshäusern an 24 Fallbeispielen erhoben (http://amzn.to/hO2rFM ). Ein Ergebnis war, dass die Mobilität in diesen Häusern viermal so hoch war wie im Gebietsdurchschnitt. Zumindest ein Hinweis auf einen nicht ganz freiwillig gewählten Zeitpunkt des Umzuges. An anderer Stelle (http://amzn.to/i7WWHx) habe ich dargelegt, dass etwa die Hälfte der Bewohner/innen in Modernisierungshäusern durch die Sanierung ihre Wohnsituation verschlechtert. Das basierte auf Untersuchungen Ende der 1990er Jahre und die Quote der Modernisierungsverlierer dürfte sich wegen des Übergangs zur Umwandlungsmodernisierung noch weiter verschlechtert haben.

    Entscheidender als eine sattelfeste Zahl der ‚wirklich Verdrängten‘ finde ich aber die soziale Durchlässigkeit eines Viertels. In vielen anderen Stadtteilen mit hoher Mobilität können wir einen Austausch auf dem Niveau einer relativ stabilen Sozialstrukturzusammensetzung beobachten. Das bedeutet, trotz permanenter wandlungen haben wir es mit halbwges stabilen Statteilcharaktern zu tun. Auch mit Blick auf eine langfristige Perspektive von Gewerbetreibende ist eine Stabilität der zuerwartenden Nachfragepotentiale nicht schlecht. Wie dargestellt unterscheidet sich Prenzlauer Berg (und andere Aufwertungsgebiete) von anderen in der Stadt.

    Und in diesem Zusammenhang ist es auch nur ein schwacher Trost, dass als ’normal‘ oder ‚hat es schon immer gegeben‘ zu deklarieren.

    Zu den Einkommen:
    „Die Einkommen sind in allen (Ost)Berliner Bezirken gestiegen (und bewegen sich mittlerweile etwa auf dem Westberliner Niveau) – in Prenzlauer Berg aber deutlich schneller.“
    Offensichtlich habe ich mich da missverständlich ausgedrückt. Die Einkommen in Ostberlin haben sich an das Westberliner Niveau angeglichen. Insofern stimmt deine Einschätzung von der Augehöhe.
    Die Durchshcnittseinkommen in den ehemaligen Sanierunsggebieten von Prenzlauer Berg liegen trotzdem bei 140 Prozent des Durchschnitts – also auch deutlich höher als im Westberliner Durchschnitt.

    (Ich hatte den Bezugspunkt Ostberlin doch nur gewählt, um mir nicht den Vorwurf der Übertreibung durch die Mißachtung der Transfortionsbedintten Einkommensprünge einzuholen…)

    Soweit, AH

  9. Hi AH,

    hier stimme ich die vollkommen zu „Entscheidender als eine sattelfeste Zahl der ‘wirklich Verdrängten’ finde ich aber die soziale Durchlässigkeit eines Viertels. In vielen anderen Stadtteilen mit hoher Mobilität können wir einen Austausch auf dem Niveau einer relativ stabilen Sozialstrukturzusammensetzung beobachten. Das bedeutet, trotz permanenter wandlungen haben wir es mit halbwges stabilen Statteilcharaktern zu tun.“

    Nach meiner Beobachtung wird diese Stabilität aber erst erreicht, wenn ein gewisses Minimalniveau erreicht wurde. Zweifelsohne sind die bewohner Charlottenburgs, Schönebergs oder Friedenaus eine zwar gemischte soziale Masse, die aber scheinbar gut miteinander auskommt und wo sich gewisse soziale Schichten gut miteinander arrangiert haben. Hier ist aber eine jahrzehntelange Instandsetzung der Gebäude vorausgegangen die überhaupt erst einmal das Fundament für ein wirtschaftliches gefüge gelegt hat. Nach Abzahlung der Anfangsinvestitionen kann man besser wirtschaften und dementsprechend auch historisch gewachsene gesellschaftliche Unterschiede besser abfedern.

    Aber in Prenzlauer Berg mit einem Großteil von Bauruinen die Anfang der 90er keinem erträglichen Wohnstandard entsprachen, einem daraus resultierenden Instandhaltungsstau von etlichen 100 Mio Euronen wie soll da bitte schön so ein historisch gewachsener Kompensationsmechanismus wie in anderen (vormals westberliner Lagen) innerhalb von einem Jahrzehnt entstehen? Das ist wirtschaftlich nicht machbar…

    • @MBE: Was Schöneberg, Friedenau und Charlottenburg angeht, würde ich widersprechen. Meines Empfindens nach sind diese Stadtteile schon seit Jahren „durchgentrifiziert“. Die Tatsache, dass Teile dieser Bezirke nicht durchgentrifiziert sind, rührt daher, dass viele Wohnungen dort lange Zeit in öffentlichem Bestand waren (sozialer Wohnungsbau) und dadurch die Mieten bezahlbar bzw. die Wohnungsvergabe über WBS und andere Instrumente geregelt war. Fallen diese Bestände weg, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sozial schwachere Bewohner auch hier verdrängt werden.

      • @claudia: das agte ich ja, erst wenn ein stadtteil einmal aufgewertet wurde bzw. die bausubstanz im grossen und ganzen instandgesetzt wurde, erst dann kann man ggf. auch geringere bzw. über einen längeren zeitraum gleichbleibende oder nur geringfügig steigende mieten als investor hinnehmen. erst wenn sich die anfangskosten amortisiert haben befindet sich der investor auf sicherem boden. meiner meinung nach wird dieser vorgang auch im prenzlauer berg in ca. 10-15 jahren zu beobachten sein. charlottenburg etc. sind nach der instandsetzung (nach dem 2. weltkrieg) niemals wieder auf so ein dramatisches bauzustandsniveau abgefallen wie die ehemaligen ostbezirke nach der bewirtschaftung durch die ddr.

      • Ich glaube, wir reden ein wenig aneinander vorbei 🙂 Was ich meinte waren nicht Wohnungen aus privatem Bestand, bei denen sich die Wirtschaftlichkeit für den Eigentümer irgendwann amortisiert oder nicht mehr so wichtig ist, sondern öffentlich geförderter Wohnungsbau, z.B. Sozialpalast Schöneberg. Es gibt viele kleinere Anlagen / Wohnhäuser in den Westberliner Innenstadtlagen, die ebenfalls aus öffentlich gefördertem Bestand sind (oft Haus an Haus mit Altbauten, die sich in privater Verwaltung befinden), und wo die Wohnungsvergabe durch WBS etc. geregelt war / ist. Nur dadurch erhälst Du diese „soziale Mischung“ im Kiez. Fallen die Förderungen weg und der ehem. öffentliche Wohnungsbestand in private Hand, ist das Risiko hoch, das Mieten erhöht und die soziale Mischung damit verloren gehen.

      • Das mit dem sozialen wohnungsbau sehe ich auch, jedoch ist dieser aus meiner sicht nur ein tropfen auf den heissen stein. wichtiger sind die privatinvestoren (firmen und personen). ist erst einmal ein guter bauzustand erreicht hast du ein mieterklientel was nicht alle paar jahre mal die wohnung wechselt. hierdurch werden die mietsteigerungen gemäß mietenspiegel nahezu auf den inflationsausgleich gesenkt, da weniger neuvermietungen stattfinden. die gegend (z.b. charlottenburg) ist immer noch innenstadtbereich aber halt nicht hipp sondern „normale“ wohngegend“. es können deshalb auch nicht exorbitant hiohe mieten eingefordert werden (bei normalem baustandard). es entsteht eine gewisse sättigungsgrenze die die mieten durch sich selbst begrenzt. für den besitzer ist das nicht sonderlich schlimm, da er die anfangsinvestition abbezahlt hat und durch den geregelten anstieg über den mietspiegel den inflationsausgleich bei seinen mietzahlungen gewährleistet sieht.

        in hippen gegenden wie dem prenzlauer berg ist durch ständiges hin- und herziehen der leute die möglichkeit gegeben seine anfangsinvestitionen schneller zu amortisieren. wer wirtschaftlich denkt (noch einmal, ich finde diese denke nicht assozial 😉 ) wird dies ausnutzen. im zuge der grossflächigen bauinstandsetzung erreicht man dann wieder ein natürliches sättigungsniveau für den bereich. häufig wird dieses sättigungsniveau mit begriffen wie „langweilig, wie auf dem dorf, spießig“ etc. gleichgesetzt. ist meiner meinung nach aber eine normale entwicklung und die karavane der dann zu dieser zeit jugendlichen/jüngeren erlebnisgeneration geht dann in das nächste viertel um wie die generation zuvor im alten umfeld ihre „wilden träume“ zu leben. ich finde diese entwicklung gut und richtig.

      • Hm… Nicht, dass ich mich jüngst schlau gemacht hätte, aber was ich von Bekannten und eigenen früheren Wohnungssuchen weiß ist, dass die Mieten bei Neuvermietungen in Charlottenburg und Schöneberg deutlich höher sind, als in anderen Gebieten in der Stadt.

        Und wie gesagt, ich empfinde gerade diese Gegegenden als durch und durch bürgerlich (P-Berg btw. auch). Ob man das gut oder schlecht findet, ist ja erst mal jedem selbst überlassen, aber was Andrej (und die Gentrification-Forschung) bemängeln ist ja, dass diese bürerliche Schicht den Raum mit und durch ihre Bedürfnisse dominiert – das zeigt sich in Infrastruktur (Geschäfte, Cafés etc.), Straßenbild und nicht zuletzt an den Leuten selbst. Wenn man zu dieser Schicht gehört (oder sich zugehörig fühlt), ist das natürlich für einen selbst in Ordnung. Aber was Andrej hier schärfen möchte, ist ja die Perspektive von anderen – siehe hier z.B. Beiträge von „keinelatte“. Diese Menschen würden den Raum wahrscheinlich anders „besetzen“, mit einer anderen Ikonografie und anderer Infrastruktur, die sich mehr nach ihren Bedürfnissen richtet. Die Crux ist doch, dass diese Leute nicht die finanziellen Mittel haben, um ihre Lebensvorstellungen in diesen Bezirken zu verwirklichen – deshalb „zieht die Karawane weiter“, wie Du ja selbst schreibst.

        DASS die Karawane weiter zieht bzw. überhaupt die Möglichkeit dazu hat, sehe ich als einen Berliner Sonderfall. Guck Dir mal die Innenstädte von London, Paris oder New York an – da ist es für die hippe Studenten- und Künstlergeneration (die sog. Pioniere) unerschwinglich geworden, in der Innenstadt eine bezahlbare Wohnung zu finden. In New York wurden deshalb schon Räume außerhalb von Manhattan wie in Brooklyn oder Williamsburg (was ja Teil von Brooklyn ist) von diesen Gruppen besetzt, aber auch hier findet offenbar die gleiche Stadtentwicklungsgeschichte statt. In Berlin ist dieses Weiterziehen der Karawane von Kreuzberg über Mitte nach P-Berg über F-Hain und schließlich wieder zurück nach Kreuzberg bzw. Neukölln nur möglich, weil die Entwicklung, die es vorher in Charlottenburg, Schöneberg oder auch TriBeCa, Meat Packing District in NYC usw. gab, hier duch die lange Teilung und „künstliche“ Subventionierung durch die öffentliche Hand (in Ost und West) noch nicht stattgefunden hat. Aber sie findet hier jetzt gerade statt. Vielleicht ist dies wirklich ein „natürlicher“ Prozess im Kapitalismus, in dem wir leben. Aber in diesem Prozess gibt es halt Verlierer, und um die geht es ja auch in der Gentrification-Debatte (nicht nur um die Pioniere, die selbst irgendwann verdrängt werden, sondern um die, die noch früher da waren 🙂 ).

      • Du sagst: „wohnen in der innenstadt ist teurer luxus der sich durch kurze wege und zeitersparnis teilweise kompensiert (was den preis anbelangt). wohnen im kernbereich war seit jahrhunderten kostenintensiv, warum sollte es heue anders sein?“
        Das mag schon so sein, aber die eigentliche dahinter stehende Frage (die, die hinter der ganzen Gentrification-Debatte steckt) ist ja „Soll das so sein? Wollen wir das so haben?“ – und beantworte ich für mich mit: Nein, ich möchte das nicht so haben.
        Es geht darum, vermeintliche Selbstverständlichkeiten und „logische“ (den logischen Regeln des Markets folgende) Entwicklungen eben nicht einfach so zu akzeptieren und hinzunehmen, sondern zu gucken, wie man diese eventuell „vermeiden“ kann.

    • „wirtschaftlich nicht machbar“…
      kannst du dir tatsächlich nicht vorstellen, dass es menschen gibt und gab, die hier gerne gewohnt haben? weil es so war und ganz selten noch so ist, wie es war?wirtschaftlichkeit ist ein absolut asoziales wort. besonders, wenn es darum geht grundbedürfnisse, wie wohnen, zu befriedigen…

      • Hallo keinelatte,

        wirtschaftlichkeit ist meiner meinung nach diesbezüglich kein assoziales wort sondern beschreibt lediglich neutral die basis auf der wohnraum schon immer auf der welt errichtet wurde. sei es beim kleinbauern in paraguay der sein haus nur dann vergrössert, wenn das einkommen seines feldes es auch hergibt als auch in den städten wo mit millionenaufwand häuser errichtet, unterhalten und instandgehalten werden. jede art von wohnen kostet geld. das reine grundbedürfnis wohnen kann sich jeder erfüllen, nur halt nicht in jeder lage.

        wie stellst du dir denn das wohnen ohne wirtschaftliche aspekte vor? wer soll die anfangsinvestitionen machen? außerdem wüsste ich von dir mal gerne, wenn du wohnen richtiigerweise als GRUNDbedürfnis definierst, warum dieses bedürfnis nicht auch in marzahn, hellersdorf oder anderen randgebieten erfüllt wird. wenn du lediglich das GRUNDbedürfnis abgedeckt sehen willst ist das auch in randgebieten (für weniger geld) möglich. das von der allgemeinheit subventionierte wohnen für prekariatsangehörige in gefragten lagen ist, so hart es klingt, luxus.

      • @MBE: Ich glaube, das ist gerade die Crux – dass es Luxus ist. Vielmehr sollte es selbstverständlich sein, dass die Innenstadtlagen nicht nur für Reiche und Wohlhabende erschwinglich sind, darum geht es ja bei der Kritik an Gentrification.

        Wer die Anfangsinvestitionen machen soll? Nun ja, zumindest gab es in West-Berlin mal sowas wie staatlich gefördertes Wohnen / Wohnungsbau (auch in den Innenstadtlagen), im Osten ja sowieso. Leider kann die Stadt sich das „wirtschaftlich“ nicht mehr leisten, daher ja die ganze Misere.

      • das ist meiner meinung nach auch wieder ein natürlicher vorgang. du kannst keine ideale gesellschaft schaffen, weil sich immer irgendwelche gruppen finden, die sich durch wie auch immer geartete rituale, verhaltensweisen, erkennungsmerkmale von der oder den anderen gruppen abgrenzen (z.b. prenlauerberg-muttis oder hier in hamburg die typischen schanzentypen). ich empfehle dir dazu mal das buch von norbert elias über das vorrücken der scham- und peinlichkeitsschwelle zu lesen, ist sehr interessant. die gruppenbildung lässt auch nur bis zu einem gewissen grad eine subventionierung des prekariats durch höhere steuerzahlungen zu. die reichen (gruppe) wollen ja nicht all ihr geld dem staat in den rachen werfen, sonst wandern sie ab und der staat hat noch weniger einnahmen. will sagen, auch hier gibt es natürliche allgemeine grenzen. da der staat nun aber nur begrenzte mittel für wohltaten hat und von diesem geld nunmal auch nur ein kleiner teil im sozialen wohnungsbau auflaufen kann wird dieser immer eine begrenzung erfahren, so dass nicht für alle oder viele prekariatsangehörigen dieser innenstadtnahe wohnraum zur verfügung gestellt werden kann. ja, wohnen in der innenstadt ist teurer luxus der sich durch kurze wege und zeitersparnis teilweise kompensiert (was den preis anbelangt). wohnen im kernbereich war seit jahrhunderten kostenintensiv, warum sollte es heue anders sein?

      • @MBE:
        „wie stellst du dir denn das wohnen ohne wirtschaftliche aspekte vor? wer soll die anfangsinvestitionen machen? außerdem wüsste ich von dir mal gerne, wenn du wohnen richtiigerweise als GRUNDbedürfnis definierst, warum dieses bedürfnis nicht auch in marzahn, hellersdorf oder anderen randgebieten erfüllt wird. wenn du lediglich das GRUNDbedürfnis abgedeckt sehen willst ist das auch in randgebieten (für weniger geld) möglich. das von der allgemeinheit subventionierte wohnen für prekariatsangehörige in gefragten lagen ist, so hart es klingt, luxus.“

        das ist natürlich völliger humbug, den du hier zusammenschreibst. der mensch muss wohnen und würde sich oder auch mit einer gruppe immer (aus der not heraus) dazu entschließen häuser zu bauen, in denen er wohnen kann. einfach deshalb, weil das ein grundbedürfnis ist. der einzig wirtschaftlich inspirierte gedanke wäre grundsätzlich der, wo er sein haus baut. in einer modernen gesellschaft, die wir ja angeblich immer sein wollen stelle ich mir die frage, warum das heute immer öfter auf kosten anderer geschehen muss.

        kannst ja mal nachforschen, aber auch in marzahn werfen die wohnungen für die vermieter gewinne ab. das ist das system. nur warum alteingesessene mieter, die teils ihr leben lang in ihrer wohnung wohnen auf einmal wegziehen, ihre sozialen kontakte, nachbarschaft ect aufgeben sollen, um kapitalinteressen platz zu machen bleibt doch sehr fragwürdig.

        wenn du meinst, dass es „egal“ist wo man wohnt, dann frage ich mich warum die ganzen tollen leute, die ja so großartig sind, weil sie soviel geld haben nicht auf die idee kommen sich die eh leerstehenden neubaublöcke im osten der stadt zu“schnappen“ und da mal richtig was zu starten. neee, das müssen vollbesetzte häuser, mit gewachsener mieterstruktur sein, die meißt gar nicht ausziehen wollen.

        nur mal eine kleine fiktion;
        was würdest du denn sagen, wenn eines tages der chinese vor der tür steht und soviel kohle hinblättert, dass du nicht mehr mithalten kannst und in ein „günstigeres“land umsiedeln mußt? ich möchte dann, wenn du mit deinen letzten habseeligkeiten auf dem fußmarsch nach usbekistan bist weiter so klugscheißerische sätze hören, wie diese, die du hier die ganze zeit ablässt…

      • ochgottchen kleinlatte, sind wir ob meiner äußerungen etwa in wallung gekommen? in einer diskussion sollte man so abwetende äußerungen wie „klugscheißerisch“ doch vermeiden um den stil zu wahren und die andere meinung gelten zu lassen. ich beschimpfe dich schliesslich auch nicht.

        ich gehe davon aus, das das grundbedürfnis erfüllt sein muss, wo ist letztenendes egal, weil sonst gesamtgesellschaftlich nicht finanzierbar. das kann auch irgendwo in brandenburg sein. du hast recht, wenn du sagst jeder baut aus einem schutzbedürfnis heraus ein haus, nur kann er das halt nicht überall machen, sondern muss eigentumsverhältnisse beachten oder wie auch immer aus einer machtposition heraus land besitzen und dann bauen.

        ja, auch in mazahn verdienen die vermieter, habe ich auch nie bestritten. das ist die verzinsung der anfangsinvestition (hauskauf), ein ganz normaler vorgang. sonst würde keiner mehr in immobilien investieren und wir hätten bauzustände wie in der ddr.

        kapitalinteressen im immobilienbereich werden nie auf einzelschicksale rücksicht nehmen, bis auf ganz wenige ausnahmen sozial eingestellter vermieter. die einzige möglichkeit sich dieser interessenlage des kapitals zu entziehen ist selbst eigentum zu erwerben. ich weiss, nur ein bruchteil der bevölkerung ist dazu in der lage (aus finanziellen erwägungen aber auch aus prioritätensetzung was man mit seinem geld im leben machen will). das dies fragwürdig ist, darin stimme ich dir zu, nur es müsste unser gesamtes gesellschaftliches system umgekrempelt werden um daran etwas zu ändern. und das sehe ich beim menschen in seiner grundstruktur nicht.

        natürlich wird die mittelschicht nicht in die plattenbausiedlungen gehen, da die 70er jahre architektur unansprechend ist. die folge ist verdrängung, auch gewollt durch die mittelschicht. so zieht die karawane immer weiter….

        zu deiner fiktion: ja, dann müsste ich gehen, so traurig das wäre und mir woanders etwas neues aufbauen.

  10. „das von der allgemeinheit subventionierte wohnen für prekariatsangehörige in gefragten lagen ist, so hart es klingt, luxus.“

    Genau, ein Recht auf würdiges Leben hat nur, wer ordentlich verwertbar ist.
    Lieber MBE, sollte deine Vision einer sozial bereinigten Innenstadt Wirklichkeit werden, dann beschwer dich aber bitte nicht, wenn die nach deinem Wunsch in den Vorstädten ghettoisierte Unterschicht ab und zu mal in deinen schönen Prenzlauer Berg einfällt um per aktiver Umverteilung (vulgo: Einbruchdiebstahl und bewaffneter Raub) ihr mageres Hatz IV aufzubessern.

    Im Ernst: sachliche Diskussionen in Ehren, aber derartig unsozialer, sozialdarwinistischer und menschenverachtender Mist wie oben zitierten Satz ist schlicht indiskutabel. Ein Blick in so ziemlich alle größeren Städte Lateinamerikas oder auch nur in den Großraum Paris zeigt, zu was eine Argumentation wie MBEs führt.
    Vielleicht solltest du bedenken, dass ein Leben in von Sicherheitsdiensten abgeschirmten gated communities letztendlich eben auch ein Leben im Ghetto ist…

    • @doomst + claudia

      zum einen (insbesondere doomst) beschreibe ich hier lediglich meine beobachtungen und die verhältnismäßig wertfrei. es ist nicht mein wunsch das einer ghettoisierung stattfindet, habe ich auch nie geäußert. würdest du sagen das ich diese entwicklung auf grund der historischen und auch aktuellen entwickklung so kommen sehe ist das etwas ganz anderes. und ich stelle hier mal ganz provokant die frage warum, wenn so viele menschen sich von einer solchen entwicklung bedroht fühlen nicht das heft in die hand nehmen um eigene bau- oder sanierungsprojekte zu starten und sich besser vernetzen. auch das sie vor allem eigene verantwortung übernehmen und dafür arbeiten sehe ich nicht. wie schlachtvieh was zur schlachtbank geführt wird….von einigen ausnahmen abgesehen wie das mietshäusersyndikat, welches ich übringes sehr gut finde. hier wird mit eigenem willen, planerischem vorgehen und risiko versucht sich das gewünsche umfeld zu schaffen. vor so etwas habe ich meine hochachtung. nicht verstehen kann ich das nur passive reagieren ohne wirklich proaktiv in meinem sinne zu handeln.

      und gerade @doomst:ja, der satz ist sozialdarwinistisch. unsozial ist er in meinen augen nicht, da ich nirgendwo gesagt habe, dass das prekariat keine unterstützung erfahren soll, sondern lediglich das die gesamtgesellschaftlichen kosten für ein recht flächendeckendes subventioniertes zentrales wohnen unseren sozaletat im lande sprengen würden. und ob die negierung, dass subventioniertes wohnen in der innenstadt wie du sagst menschenverachtend ist mag ich bezweifeln, es ist nur die schilderung der realität.

      was sind denn deine lösungsansätze? was tust du denn gegen diese entwicklung? wo ist dein einsatz von zeit, kreativität und vielleicht geld dagegen? würde mich mal interessieren, ob hier nur kritik ohne substanz von dir aus dem beitrag zu ersehen ist, oder ob auch handlungsstränge dahinterstehen….

      PS: ich denke das die auswirkung in den von dir angesprochenen gebieten die den „pariser-weg“ nehmen noch zu gering sind, dass sich die mittelschicht im augenblich dazu bereit erklären würde höhere abgaben hinzunehmen um den leuten zu helfen. das mag sich vielleicht ändern, aber man sieht auch jetzt schon in den banlieus, dass der staat eher mit weiterer repression antworten wird und nur begrenzt mit höheren pecuniären zuwendungen….

      • Ist ja jetzt schon ein alter thread, aber da ich gerade mal wieder in AHs blog bin eine kurze Antwort.
        Schön, dass du wenigstens mit dem Miethäusersyndikat etwas anfangen kannst.
        Warum aber die meisten Betroffenen nicht „das Heft in die Hand nehmen um eigene Bau- und Sanierungsprojekte zu starten“? Vielleicht deswegen, weil die meisten nicht über das entsprechende monetäre, kulturelle und soziale Kapital dazu verfügen?

        Und was ich so gegen Gentrification tue bzw vorschlage?
        Na, zum Beispiel Mieterselbstorganisierung und -hilfe (da viele ihre bestehenden Rechte nicht kennen und dementsprechend nicht nutzen bzw. durchsetzen können). Kollektiver Widerstand von Seiten von Mietern und Hausbewohnern zur Wahrung ihrer Interessen und Ausweitung ihrer Rechte. Dieser kann sowohl auf juristischer Ebene, auf politischer als auch auf der Strasse stattfinden- im besten Fall alles gleichzeitig. Und, ja, auch Hausbesetzungen sind ein, in Berlin leider nicht mehr durchführbares, Mittel gegen Stadtteilaufwertung sprich um das Recht auf GUTES Wohnen von der Warenlogik zumindest temporär loszukoppeln.
        Dir dürfte auch bekannt sein, dass zahlreiche durch das Miethäusersyndikat in Bewohnerhand übergegangene Projekte aus Besetzungen hervorgegangen sind.
        Und ja, so ziemlich alles von dem oben aufgelisteten habe ich praktiziert oder praktiziere es noch.

        Dann wären da auf institutioneller Ebene natürlich noch Instrumente wie Milieuschutz und Mietpreisbindung zu nennen etc. pp., kann man ja alles in diesem blog nachlesen.

        Ich denke der grundlegende Unterschied zwischen uns ist, dass ich die Eigentumsordung der BRD und die Logik der Marktwirtschaft nicht als zwingend anerkenne. Nichts für ungut.

      • @ MBE;
        zur klugscheißerei; natürlich wollte ich dich nicht beleidigen, sondern ausschließlich eine feststellung getroffen.

        dein text:
        „ich gehe davon aus, das das grundbedürfnis erfüllt sein muss, wo ist letztenendes egal, weil sonst gesamtgesellschaftlich nicht finanzierbar. das kann auch irgendwo in brandenburg sein. du hast recht, wenn du sagst jeder baut aus einem schutzbedürfnis heraus ein haus, nur kann er das halt nicht überall machen, sondern muss eigentumsverhältnisse beachten oder wie auch immer aus einer machtposition heraus land besitzen und dann bauen.“

        der haken am ganzen ist, dass du die jetzige situation wie einen jungfräulichen ursprung darstellst. das ist es er nicht. in den häuser, die übrigens schon gebaut sind, haben seit jahrzehnten menschen in gewachsenen, sozialen gefügen gewohnt. manchmal zweifel ich doch stark an der menschheit. ich gehe davon aus, dass die mehrheit der menschen einfach nur ihre ruhe, ihre nachbarn, ihren wie-auch-immer-job haben wollen und in frieden leben möchten. die leute, die ständig versuchen selbst kapital aus der zerstörung des friedens anderer zu ziehen sind tatsächlich der ursprung für alle kriesen und kriege.

        mir geht das ziemlich auf den keks, dass man sich als friedliebender bürger, der einfach seine ruhe möchte, immer wieder dafür rechtfertigen muss, dass man nicht so „flexibel“ ist und nicht ständig sein leben umkrempeln möchte.

      • hallo kleinelatte,

        schöne vorstellung, dass alle in frieden leben und dauerhaft ihre ruhe finden in ihrem umfeld. ich sehe aber keinen weg, der dies ermöglichen sollte. die „kommunistische“ wohnrambewirtschaftung führt zwangsläufig zu einem leben auf kredit (verfall der bausubstanz, kosten treten dann irgendwann später auf) der endlich ist. die „kapitalistische“ variante führt immer zu verdrängungen, sofern der vermieter mehr miete verlangen kann. ich halte den kapitalistenschen weg aber für den einzigen der aus dem wesen des menschen heraus gangbar ist. die wenigsten würden auf ihren vorteil (mehr geld) verzichten, wenn sie in der position des vermieters wären. da lockt dann doch eher der eigene nutzen. die meisten denken in den kathegorien: 1. ich, 2. familie, 3. bekanntenkereis, 4. bezirk, 5. stadt, 6.land, 7. erdteil, 8.welt….traurig aber menschlich. wie würdest du denn als vermieter reagieren? wie hoch wäre dein sicherheitspuffer den du zum gebäudeerhalt haben möchtest? wie hoch wäre deine gewünschte rendite? immer unsterstellt du müsstest für die anfangsinvestition auch hart arbeiten und würdest nicht mal glücklicherweise das eine oder andere milliönchen im lotto gewinnen…

      • ganz ehrlich? ich habe mein ganzes leben gearbeitet und niemals auch nur daran gedacht mein geld so anzulegen, dass es zins, dividenten oder auch mieterträge abwirft. es geht dabei auch darum zu verstehen, wie das geldsystem als solches funktioniert.
        ich lese heraus, dass mir hier eine affinität zum kommunismus unterstellt wird. dem ist nicht so. es gibt noch meschen, die nicht immer nur das nachkauen müssen, was man ihnen vor xx jahren mal“beigebracht“ hat. und wenn man dann da so sitzt und mal das eigene köpfchen anstrengt – nicht nur immer in eine richtung – dann wird sich da eventuell etwas tun.
        dann ist der zeitpunkt gekommen selbst was zu bewirken. zum beispiel hier zu schreiben, oder eben nicht sein geld“für sich arbeiten zu lassen“.

        finde das übrigens sehr süß, dass du allein den von dir gepriesenen kapitalismus als einzig gangbare alternative auserchoren hast und das mit dem menschlichen“sein“ begründest. das haben andere vor dir, in anderen systemen, auch schon gemacht.
        das der sogenannte kommunismus pleite gegangen ist ist eine tatsache. du vergisst aber vielleicht, dass allein die brd momentan schulden in höhe von 1.721.373.654.478 Euro hat. und es werden sekündlich mehr. den niedergang kannst du auf http://www.steuerzahler.de live mitverfolgen. diesbezüglich ist das letzte wort also noch nicht gesprochen.

        zu deiner letzten frage; wenn ich im lotto gewinnen würde, dann würde ich mir auch einen altbau im prenzlauer berg kaufen. am liebsten lette ecke dunckerstr. da würde ich dann ein asylbewerberheim aufmachen. aufwertung des kiezes – du verstehst.

      • nee nee, kommunismus unterstelle ich dir nicht, wo unser fiat-money-system hingeht, das unser zinseszinssystem alle 80-100 jahre einen reset braucht, da bin ich voll bei dir (die geschichte des geldes, wiener schule, kondratieff etc. sind diskussionstechnisch mein hobby). ich glaube halt nur, dass dieses system mit den mathematisch eingebauten neu-start-punkten am besten die bedürfnisse der menschen wiederspiegelt. in 10 jahren werden wir uns alle mal umdrehen und wundern wie sich besitzverhältnisse geändert haben…aber das entscheiden ist das dieses spielchen dann wieder von vorne losgeht nur mit anderen protagonisten an der spitze.

        die schuldenuhr ist irrelevant, die staatsschulden werden eh weginflationiert oder es gibt halt mal nen hair-cut. im augenblick stehen wir noch gut dar ob des pfändbaren privaten barvermögens in unserem lande. deshalb auch noch unser aaa-rating. wenn es dann später mal hat auf hart kommt werden sich alle wundern wie schnell ihre ersparnisse weg sind. deshalb lieber in sachwerte investieren. und immobilien schützen hier zum punkt x auch nicht (stichwort lastenausgleich) es sei denn man hat mit schuldfreien werten (z.b. silber oder gold) vorgesorgt um bei einem lastenausgleich wieder schuldenfrei darzustehen und dann sauber durchstarten zu können.

        das mit dem asylbewerberheim ehrt dich, ich wäre zu egoistisch dazu sowas zu machen. aber wenn jemand sein geld so einsetzen würde fände ich das legitim, denn es wäre deine entscheidung und dein risiko.

  11. Als geborener und aufgewachsener Prenzlauer Berger erlaube ich mir, Sie dahingehend zu korrigieren, dass 50% der alten Einwohner bereits bis 1995 ausgezogen waren, aber nicht, weil Mieten gestiegen waren (es gab Preisbindung), sondern weil die Einwohner schlichtweg nicht mehr in diesem grauen Umfeld ohne Gruen leben wollten. Die sind einfach ins Umland gezogen.
    Zu der Zeit, als die Mieten stark angestiegen waren, haben nur noch wenige „Ur“einwohner dort gelebt. Ich selbst bin vor ein paar Jahren weg, weil man ja noch was anderes in seinem Leben sehen will, als nur den Prenzlauer Berg.
    Was ich damals (90er) mitbekomme habe war, dass die Hausbesetzer Westler waren und wie die reicheren Westler auch gern dort leben, aber eben halt dafuer nicht mehr bezahlen wollten.
    Ich ueberlebte die arroganten Westler der ersten Stunden, die nicht mal „Guten Tag“ sagen konnten, und die freundlicheren Westler, die nett waren. Es gab fuer mich nur einen Konflikt; ich wurde als Tourist in meinem eigenen Viertel angesprochen, sorry, das war zu viel des Guten.

  12. Lieber Ben,
    vielen Dank für Ihren Kommentar und die Schilderung Ihrer Eindrücke von den Veränderungen in Prenzlauer Berg.
    Zu Ihrem Verweis auf die 50 Prozent Fortgezogenen 1995. Soweit ich mich erinnere haben wir damals viel und intensiv über die Mobilitätsdaten (also die Zahlen über Zu- und Fortzüge) diskutiert und haben in dramatisierenden Flugblättern sicher auch mal geschrieben, dass ‚rein rechnerisch‘ die Hälfte der Bewohnerschaft ausgezogen sei.
    Doch die jährlichen Fortzugsdaten können nicht einfach über die Jahre zu einer Verdrängungsquote summiert werden, da kurzzeitige Aufenthalte (also mehrfache Auszüge aus einer Wohnung) dabei nicht berücksichtigt werden. Systematische Erhebungen der Wohndauer – die tatsächlich anzeigen, wer wie lange schon im Gebiet lebt – wurden damals leider nicht durchgeführt. Ich kann Ihnen keine konkrete Zahl benennen, will aber vor der voreiligen Interpretation der Mobilitätsdaten warnen. Unsere Untersuchungen haben übrigens ergeben, dass die durch Ankündigung und Durchführung von Bauarbeiten ausgelösten Auszüge, viermal so hoch sind, wie der Durchschnitt. Die Flucht vor schlechten Wohnverhältnissen ist also allenfalls die halbe Wahrheit.

    Mit freundlichen Grüßen,

    AH

  13. In meinem Haus gabs 48 Mietsparteien und im Rahmen meiner Soziologieseminararbeit 🙂 habe ich mir die Situation 1995 ausfuehrlich angesehen. Danach wunderte es mich gar nicht mehr, dass mein Eindruck doch richtig war. Ich dachte bis dahin, es war nur mein Haus, aber Statistiken zu der Zeit besagten, dass 77.000 Prenzlauer Berger die Flucht ins Umland (und entschieden weniger davon nach Westdeutschland) gesucht hatten. Das deckte sich mit meinen Hauserlebnissen. Wir Ostler neigten immer zur geschwatzigen und hilfsbereiten Nachbarschaft, da wusste jeder alles.

    Wegzug war allzu verstaendlich. Bin jetzt auch 20 Jahre aelter und da moechte man ooch mal nen Baum sehn und braucht det Jruene.

    Sorry, wo waren die Umlaute auf englischem Keyboard?

  14. Lieber AH, Ihre Analyse ist absolut korrekt. Als Ur-Prenzl-Berger kann ich bestätigen, dass mein Umfeld gegen 100% tendierend erst aus dem Bezirk weg zog, als die Häuser saniert werden sollten bzw. der größere Anteil dieser Gesamtmenge als die Mieten begannen stark zu steigen. Viele wären gerne im Bezirk geblieben. Doch mit den Mieten änderte sich die Bewohnerstruktur von sozial, kulturell, vielfältig und intellektuell alternativ zu hedonistisch, egoman und materialistisch, was insofern ein Wermutstropfen angesichts des aufgenötigten Wegzugs darstellte, da man diese neue Klientel im eigenen Umfeld nicht mehr erleben möchte. Wenn ich heute selbst durch den Bezirk gehe, sehe ich nur noch eine Kopie von Schöneberg bzw. Wilmersdorf junior, ein spießiges Schwabendorf umgesetzt in die sanierten Altbauten, wirklich sehr, sehr traurig!

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