Die Berliner Tourismusindustrie wird dieses Jahr voraussichtlich die 20-Millionen-Marke knacken. Fast die Hälfte der Besucher/innen kommen aus dem Ausland. Auch unter Studierenden, jungen Akademiker/innen und Künstler/innen erfreut sich Berlin einer internationalen Beliebtheit. Stadtentwicklung in Berlin ist zunehmend durch Zuzüge und temporäre Anwesenheiten eines internationalen Erlebnispublikums und Bildungsbürgertums gekennzeichnet.
Auch die Gentrification ist von einer wachsenden Zahl internationaler Aufwertungspioniere geprägt. Neukölln wurde lange Zeit als Beispiel für eine Parallelgesellschaft integrationsunwilliger Migrant/innen durch die öffentlichen Debatten getrieben und als ‚Klein Istanbul‘ stigmatisiert. Die Zeiten sind offenbar vorbei: Das neue Neukölln spricht Englisch. Die New York Times wirbt auf ihren Webseiten für den ‚creative place‘, enttäuschte Wirte hinterlassen ihrem englischsprachigen Publikum eine Videobotschaft im Internet und Stadtteilinitiativen kleben ihre Aufrufe mittlerweile in englischer Sprache : „be active against gentrification“.
Der Tourismusboom verstärkt den Aufwertungsdruck in den innerstädtischen Nachbarschaften. Denn die Erwartungen der Berlin-Besucher beschränken sich längst nicht auf Museumsbesuche und den Potsdamer Platz sondern gesucht wird das echte authentische und raue Berlin. Gestillt werden diese Erwartungen unter anderem in Neukölln. Das ehemalige Vorzeige-Ghetto des Feuilletons wird längst als hipper und cooler Ort rezipiert. Die New York Times beschreibt Neukölln in ihrer Rubrik Travel als „creative wave“
Ob es an der Werbung lag oder sich einfach so ergeben hat, ist unklar – die Betreiber/innen der Szenekneipe Freies Neukölln jedenfalls sind offensichtlich so sehr von ihrem internationalen Publikum genervt, dass sie ein rühriges Videoportait des Pionierdilemmas ins Netz gestellt haben. Um die Zielgruppe der Publikumsbeschimpfung nicht zu verfehlen, wurde der Film („Offending the Clientele„) gleich auf englisch gedreht.
In der Filmbeschreibung heisst es:
Freies Neukölln, Weserstr, Berlin-Neukölln. Gentrification in Berlin’s former problem borrough. The Creative Class marches in and the founders of the first szene-pub in this corner feel unwell, guilty and overrunned. That’s why this speech on their own account is necessary, long overdue and probably still too friendly.
Auch andere Stadtteilinitiativen haben inzwischen begonnen, die internationalen Aufwertungspioniere direkt anzusprechen. Im Schillerkiez wurden englischsprachige Plakete verklebt:
Dear students, artists and travellers (…) don’t let yourselves become a part of (…) speculation and money-making. Talk to your neighbours, inform yourself about proper processes before you move in. Be creative and active against gentrification.
Die neue internationale Attraktivität der Stadt hat Auswirkungen auf die Stadtentwicklungsprozesse. Insbesondere die Aufwertungsdynamiken sind anders als noch vor 10-15 Jahren in Prenzlauer Berg nicht mehr nur von Zuzügen aus der westdeutschen Provinz getragen, sondern haben einen zunehmend internationalen Charakter. Die Ausweitung der Anti-Gentification-Auseinandersetzung wie in den englischsprachigen Plakaten oder dem Video von Freiheit Neukölln sind also nur konsequent.
Wenn auch an dem SFN-Film ohne Zweifel einiges dran ist, möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass der „Regisseur“ und Wirt des freien Neuköllns seit Jahren einen die Grenze des Faschismus bei weitem überschreitenden Anspruch darauf erhebt, wie man in Neukölln zu sein und zu leben habe.
Bevor „er ganz allein“ die Gentrifizierung in Neukölln versehentlich losgetreten hat (natürlich ohne irgendwas damit zu tun zu haben) hörten sich seine Worte noch gaaanz anders an, als er sich stets brüstete, den einzigen lebens- uns besuchswerten Ort in Neukölln geschaffen zu haben.
Ironischerweise behauptet er das immer noch, während er seit nunmehr 3 Jahren nicht von seiner bemitleidenswerten manischen Hetze gegen so gut wie jede andere Kneipe im Kiez losgekommen ist. Der Verdacht, dass ihn vor allem finanzielle Einbußen sowie die Kränkungen seines Narzissmus treiben, weil sich den Scheiß inzwischen niemand mehr anhören will, und auch niemand auf seine preudomilitanten Aktionen gegen Konkurrenten mehr Bock hat, drängt sich jedem auf, der ihm länger als 3 Minuten zuhört.
Ansonsten ist Anti-Gentrification ja ohnehin gerade sowas von hip, da kann man noch richtig Underground sein.
Tut mir leid, mit solchen Schwachmaten an der Seite, macht mir die eigene politische Grundüberzeugung echt keinen Spaß mehr. Da such ich mir andere Themen – oder andere Leute, die nicht seit Jahren vom Hass zerfressen und von Zwangsgedanken geplagt sind.
Aber gut, wer die Leute nicht kennt, der mag dem 10-minütigen Werbefilm für die eigene „Authentizität“ ja vielleicht wirklich eine politische Einsicht abgewinnen. Für mich bleibt es das krampfhafte Nachtreten eines einfach nur destruktiven Charakters.
Mich kotzt der Weserstraßen Hype und Style übrigens selbst massiv an. Trotzdem würde es mir nie einfallen, da jemanden zu maßregeln. Ich geh eben woanders hin, ich erhebe nämlich nicht den Anspruch, in Fragen der Ästhetik die Wahrheit verkünden zu können – und von nichts anderem handelt dieser Film, in dem der SFN auch keine Alternative aufzeigt.
Welcher Hausmeister definiert hier eigentlich, wann und in welchem Maß („bei weitem“!?) die Grenze des Faschismus überschritten ist? Und weiß der Betreffende überhaupt, was das Wort „Faschismus“ bedeutet? Sonst halt einfach mal googeln, bei Wikipedia findet sich bestimmt was. (Vorab schonmal soviel: nein – es ist nicht einfach nur das denkbar schlimmste F-Wort, mit dem man jedem, dessen Meinungsäußerung einem nicht paßt, schön eins überbraten kann…)
Zur Sache: Daß man gesellschaftliche Entwicklungen, die um einen herum stattfinden, kritikwürdig findet und der Kritik dann auch Ausdruck verleiht, wie in diesem Film geschehen – das ist in einer Demokratie eigentlich ein akzeptabler Vorgang, nicht?
Weniger akzeptabel ist das Verbreiten von Lügen. Da hilft auch die Meinungsfreiheit nicht, Herr Markgraf, denn Lüge ist keine Meinung, sondern Lüge, und es heißt ja nicht „Lügenfreiheit“. Zum Beispiel, was die angebliche jahrelange „Hetze gegen so gut wie jede andere Kneipe im Kiez“ betrifft: darf man nochmal nachfragen, Herr Markgraf, gegen WELCHE andere(n) Kneipen war das nochmal, und wo steht das oder ist das zu sehen, belegen Sie das bitte mal? „So gut wie jede“ – da es hier inzwischen ein paar Dutzend anderer Kneipen gibt, würde man übrigens schon, sagen wir mal, zehn bis zwanzig Beispiele von Ihnen erwarten. Und auch zu den „pseudomilitanten Aktionen gegen Konkurrenten“. Was soll das denn bitte heißen, „pseudomilitant“? Wissen Sie eigentlich, wovon Sie reden und was die Wörter bedeuten, die Sie benutzen? Auch hier empfehle ich Google, geben Sie das Stichwort bitte übrigens in der richtigen Schreibweise ein („preudomilitant“ heißt das nicht). Und wenn Sie dann herausgefunden haben, was „militant“ bzw. „pseudomilitant“ bedeutet, dann nennen Sie bitte Belege für Ihre Behauptung oder nehmen Sie sie zurück. Punkt.
Von wegen „von Haß zerfressen und von Zwangsgedanken geplagt“ – wenn man liest, was für haarsträubende Reaktionen dieser charmante kleine Film bei einigen hier provoziert, kann man sich nur wundern, in was für ein Wespennest bzw. Haifischbecken er offenbar hineingeplatzt ist…
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Wer es im Übrigen vergessen hat: Wir leben in einer Metropole und nicht in Castrop-Rauxel. Hier ändert sich laufend alles. Für Spießer und Langweiler, die alles so schön haben wollen, wie es noch nie war, bleibt nur der Rückzug nach Castrop-Rauxel oder die Anti-Gentrifizierungsgerede.
Natürlich haben die ganzen Studenten, Medien- und Kunstleute aus Barcelona etc. eine gewisse Oberflächlichkeit, das hat die Anonymität der Großstadt aber immer. Unsere Gesellschaft wird ständig schneller und effizienter durch Arbeitsteilung und gieriges Kapital (fängt schon beim Kleinanleger auf der Jagd nach dem besten Tagesgeldzins an). Diese Geschwindigkeit ist auch Ursache und/oder Ergebnis der ständigen Wohnortwechsel der bildungsnahen Schichten.
Was sollen die Studenten nun machen? In Barcelona bleiben? Im langweiligen Prenzlauer Berg wohnen? Mit dem Bewustsein durch Neukölln laufen, dass sie hier nicht gewollt sind?
Mir reicht es schon, wenn sie wie im Film erwähnt, nicht diese westdeutsch-mehr als-selbstbewusste Anspruchshaltung nach „Latte Machiato“ und „ICH bin jetzt dran“, sondern die nötige Demut an den Tag legen, die man als Gast einer fremden Stadt, den Einheimischen gegenüber haben sollte.
Übrigends wurde ich von dem Wirt des „Freien Neukölln“ mehrfach beim auslegen versch. politischer Flyer angepöbelt, was letztendlich in einem Hausverbot endete.
Wann wurdest du wegen Auslegens politischer Flyer gehindert? Und genau von wem? Verleumdungen sind hier fehl am Platze.
Interessant ist der englische Text aus dem Schillerkiez – nerven turt mich dies ganze Lifestyle Gerede. Es gibt keinen richtigen Weg im falschen Leben.
Eines bleibt klar – Gentrifizierung ist eine Bezeichnung für die Beschleunigung der Kapitalbildungsprozesse in derImmobilienwirtschaft.
porta hat dies richtiggestellt:“Unsere Gesellschaft wird ständig schneller und effizienter durch Arbeitsteilung und gieriges Kapital (fängt schon beim Kleinanleger auf der Jagd nach dem besten Tagesgeldzins an). Diese Geschwindigkeit ist auch Ursache und/oder Ergebnis der ständigen Wohnortwechsel der bildungsnahen Schichten.“
Die Frage des Tourismus und Hinzuziehender aus dem westeuropäischen Kontext ist allerdings schon eine Beschäftigung wert. Der Ballermanntourismus mit seinen Hotels und Ferienwohnungen und Kneipen sind ebne auch Arbeitsplätze im Dienstleistungsgewerbe (zu Dumpinglöhnen). Es wäre zu fragen, wie diese touristischen Ströme besser im Sinne einer Kiezkultur geleitet werden könnten. Der Schillerkiez hat hier bereits mit dem Plakat einen Ansatz geliefert der weiter genutzt werden sollte.
Es geht um Information, die aus dem Kiez kommen und um Orte der Kiezkultur, die Kommunikation im Kiez erlauben und für alle – auch Touristen erreichbar machen.
Die beiden Betreiber des Freien Neuköllns sind ironischerweise Schwaben & (selbsternannte) ‚Kreative‘, das Freie Neukölln eine bis ins Detail perfekte Kopie eines Prenzlauer-Berg-Cafés inklusive Foccacia (oder wie das heißt) und Bier vom Kloster Andechs.
Die Anti-Gentrification-Nummern von denen sind einfach nur WITZIG und die offenen Angriffe auf umliegenden Kneipen ARMSEELIG. Schade, dass das hier gefeatured wird.
Beide Betreiber des FN sind keine Schwaben. Lasst doch diese komische Kampagne hier und sprecht sie offen an.
Wenns de mich fragst – allet jungsche Flitzpiepen die meinen, ihre Hinterlassenschaft in meen schönet neukölln tragen zu müssen, bevor se wieda inne Provinz abzischen!
Aba ick bleibe – wenn eena Neukölln, denn icke!
Porta,
„Für Spießer und Langweiler, die alles so schön haben wollen, wie es noch nie war, bleibt nur der Rückzug nach Castrop-Rauxel“
Bis vor 20 Jahren empfahlen Leute deines Schlages Kritikern, doch „nach drüben“ zu gehen. Drüben ist jetzt offenbar Castrop-Rauxel.
Die Auseinandersetzung hier ums Freie Neukölln zeigt, unabhängig vom für mich nicht nachprüfbaren Wahrheitsgehalt der Aussagen, dass auf dieser Ebene der Diskussion kein Blumentopf zu gewinnen ist. Entscheidend ist doch eher das, was Carla Kater schreibt: Es geht um Kapitalbildungsprozesse, und die müssen kritisiert werden, und zwar ganz sachlich. Daran anschließend die Eigentumsverhältnisse, denn nur deswegen steigen Mieten, das ist ja kein Naturgesetz. Wenn Andrej Holm an anderer Stelle berichtet, dass dänische Investoren in Massen per gechartertem Flugzeug nach Kreuzkölln kommen, um dort innerhalb weniger Stunden ganze Häuser und halbe Straßen als Renditeobjekt aufzukaufen, müssen die Alarmglocken schrillen. Die Entwicklung im Schillerkiez wird angesichts des neuen Parks nebenan noch drastischer verlaufen.
Und solange solche Fragen nach Kapital und Rendite nicht gestellt werden, wird die Gentrifizierung weitergehen. Egal, ob das Freie Neukölln von einem Schwaben betrieben wird oder nicht. Ich würde da übrigens dem Betreiber des Freien Neukölln schon so eine Art Mitverantwortung an diesem Prozess übergeben. Keine Schuldzuschreibung, aber eine Aufforderung, gegen Gentrifizierung den Arsch hochzukriegen.
Grüße
genova
http://exportabel.wordpress.com/category/gentrifizierung/
Hallo genova,
„Bis vor 20 Jahren empfahlen Leute deines Schlages Kritikern, doch “nach drüben” zu gehen. Drüben ist jetzt offenbar Castrop-Rauxel.“
Richtig. Wer die Beschleunigung der Globalisierung in dieser Metropole nicht will, obwohl er wegen der Metropole hierher und nicht nach Recklinghausen gezogen ist, kann entweder gehen oder glauben/hoffen, dass er dem metropoleneigene Markt- und Entwicklungsdruck, dem Neukölln ausgesetzt ist, etwas entgegensetzen kann.
Ich glaube nicht, dass der Wohnungsmarkt in Neukölln bei dem wachsenden Interesse von finanzstärkeren Zuzüglern dem Druck Stand halten kann.
Wenn der Vermieter die Wohnung in Neukölln für 3 €/m² anbietet, kommen 1.000 Leute zur Besichtigung. Verlangt er 7 €/m² kommen 10. Ich gehe mal davon aus, dass die Kritiker des Marktes auch gern bei ebay meistbietend verkaufen.
Was ist denn gegen eine Vermietung nach Preis auch einzuwenden. Soll etwa stattdessen wie früher im Osten nach verdienter Tätigkeit für Partei/Stasi zugeteilt werden? Das im Ergebnis eine Veränderung stattfindet, weil Menschen mit weniger Geld nicht mehr mithalten können? Die haben ja auch wie in Alt-Treptow oder Kreuzberg in den 80ern/90ern eine Miete für ne Randlage in einer
Wenn der Hauseigentümer von seinen Mietern aufgrund der schlechten Lage nur 4 €/m² nehmen kann, steckt er kein Geld in Sanierung/Erhaltung, weil er das von den Mietern, wie im entvölkerten Osten, nicht zurück bekommt.
Wenn der Neubau von Wohnungen 2.000 €/m² kostet, sind das kreditfinanziert bei 4% Zinsen allein schon 6,70 €/m²/Monat die für Zinsen zu zahlen sind.
Wenn die verfallenen Straßenzüge in Neukölln von den Hauseigentümern nicht saniert werden (können), warum dann nicht erfreut sein über das dänische Geld, was hierher fließt. Die Baufirmen und Handwerker wird’s freuen, dass es Arbeit gibt.
Die Alternativen?
Porta,
man zieht also nach Berlin, weil man für Gentrifizierung ist? Und wenn man das nicht ist, soll man nach Recklinghausen? So einen Blödsinn diskutiere ich nicht, sorry.
Hallo genova,
entschuldige, wem „gehört“ denn die (Groß-)stadt?
Denen, die hier geboren sind?
Uns, die wir vor 5, 10, 20 oder 30 Jahren hierher gezogen sind?
Den Zuzüglern, die jetzt erst zuziehen?
Und alle Zuzügler, wir alten wie die neuen, nehmen den ärmeren Alteingesessenen die Wohnungen über höhere Mieten in den angesagten Wohngegenden weg.
Nur gibt es ja auch andere Kieze, wie die Wilmersdorfer Straße, Steglitz und Westend, wo es bergab geht. Das sind die Veränderungen in der Großstadt. Mit den Hauseigentümern dort, hat ja wohl auch keiner Mitleid, wenn sie, wie Atze Brauner, Pleite gehen wegen Leerstand:
http://www.tagesspiegel.de/berlin/stadtleben/artur-brauner-sein-letztes-kapitel/1215676.html
Porta,
Brauner spricht in dem verlinkten Artikel ja selbst von den Schuldigen: dem „Turbokapitalismus“. Dem gehört jetzt offenbar die Stadt und dagegen wehren sich manche Leute, was ich völlig angemessen finde.
Meines Erachtens ist das ein Systemproblem: Solange man meint, mittels Wohnen irgendwelche Renditen erzielen zu müssen (die auch noch ein vielfaches des allgemeinen Wirtschaftswachstums betragen), kommt es zu Verdrängungssituationen. Zumal die Mietskasernen in vielen Fällen Erbfälle sind. Es ist eine simple kaptitalistische Schmarotzerei. Gleichzeitig hat der Staat den sozialen Wohnungsbau komplett eingestellt, weil ihm wegen des Turbokapitalismus dafür kein Geld mehr blieb.
Und den Verlierern dieser Entwicklung rätst du, nach Recklinghausen zu ziehen.
Das nur in aller Kürze. Wenn du diesen Blog hier öfter liest, werden viele deiner Fragen beantwortet, denke ich.
Hallo genova,
ich meinte, dass die, denen die ständigen Veränderungen in der Großstadt nicht passen, nach Recklinghausen ZURÜCKgehen sollten, wenn sie von dort kamen.
Denn meines Erachtens wird die Gentrifizierungsdebatte in Neukölln im Wesentlichen von denen geführt, die wie ich vor einer Weile (von Recklinghauisen) nach Neukölln gezogen sind, weil es denen/mir woanders in Berlin nicht so gut gefällt.
Und nun kommen immer mehr neue Leute nach Neukölln und es ist wie mit dem einsamen Strand. Der Deutsche ist dann schnell genervt, wenn er nicht mehr alleine da ist, sondern immer mehr kommen. Im Neukölln-Fall, die ganzen Medien- und Studentenfritzen und danach die Yuppies die in meinen schönen Kiez kommen und lauter langweilige Friedrichshain-Bars eröffnen. Nervt mich ja auch.
Das ist meines Erachtens auch der Hintergrund der ganzen Debatte hier. Dass dann noch für das Verbleiben der armen Alkies und Junkies vom Kotti gestritten wird, mag auch humanistische Gründe haben. Ich sehe aber vor allem die Argumentation der Antifa, die zum Druckraum am Kotti meinten, dass die Junkies gegen die Spekulanten helfen. Das ist bloße Instrumentalisierung der Junkies. Und so scheinheilig finde ich die ganze Debatte in weiten Teilen.
Dass ohne Frage die die Armen nicht bleiben werden, ist hart. Nur: gemietet hatten sie eine Wohnung in einer heruntergekommenen Gegend in die keiner ziehen wollte für 3,90 kalt. Jetzt ist die Gegend besser alle wollen hin und dann steigt die Miete auch langsam. Ist logisch. Es gibt doch kein Recht für 3,90 kalt in Mitte oder Prenzlauer Berg oder demnächst Neukölln zu wohnen.
Und Kiez-Heimat? Da wundere ich mich nur, wie die internationalistischen Linken plötzlich auf Kiezheimat abfahren. Früher habe ich immer gehört: „Heimat sei der erste Schritt zum Krieg.“
Doch, genau dieses Recht gibt es. Und „logisch“ ist an dieser Entwicklung gar nichts, sondern bestenfalls systemimmanent betrachtet. Aber wenn man darüber nicht hinausdenken will, kommt man in der Analyse nicht weiter.
Ja, das System. Ich komm‘ von dort, wo es mal nen anderes System gab, mit Mauer und totalem Stadtverfall wegen „Wohnraum für alle und zwar umsonst“. Die Systemfrage stellt sich deshalb für mich aus eigener Erfahrung nicht.
In der Tat!
In einer kleinen Veranstaltung empfahl die junge Vertreterin der radikalen Gentrifizierungskritik einmal, die Wohnungen dann eben zuzuteilen. Von dem Übel der KWV hatte sie noch nie etwas gehört.