Kreuzberger Mischung?

Das Berliner Programmmagazin Zitty hat in der aktuellen Ausgabe den „Kampf um Kreuzberg“ ausgerufen und auch gleich wieder für beendet erklärt. Auch wenn der Beitrag viele Informationen über die Mietentwicklungen bietet, den zentralen Konflikt sieht Autor Martin Hildebrandt in der Auseinandersetzung um eine Handvoll mehr oder minder hipper Läden in Kreuzberg: „Auf der einen Seite linke Revolutionäre, die alles verdammen, was mit Kapitalismus zu tun hat. (…) Auf der anderen Seite finanzstarke Investoren, die Kreuzberg entwickeln wollen, so nennen sie es. Und zwischen allen Stühlen sitzen die Zwischennutzer, die prekär Selbstständigen, die mit ihren kleinen Bars, Läden und Agenturen den Spagat wagen und an einen dritten Weg glauben.“ Und wenig verwunderlich will die ZItty möglichst alle Stühle bedienen und wärmt das etwas altbackene Bild der „Kreuzberger Mischung“ auf:

Was wird aus dem Kampf um Kreuzberg? Kreuzberg wird kein Christiania für Großstadthippies, aber auch kein Soho für Kunstmillionäre. Es wird weiterhin ein Ort für gegensätzliche Lebensentwürfe bleiben, egal welche Pläne und Träume Einzelne verwirklicht sehen wollen. Das liegt vor allem an seinen Bewohnern, die sich stärker mit ihrem Bezirk verbunden fühlen als alle anderen Berliner. Trotz des Wandels, im Kern ist Kreuzberg immer gleich geblieben. Solange es linke Utopisten gibt, die gegen das Kapital ankämpfen, und Unternehmen, die trotzdem noch in Kreuzberg investieren, braucht man sich keine Sorgen zu machen. Die Kreuzberger Mischung überlebt.

Schön, dass es doch noch ein paar Leute gibt, die sich Sorgen machen und gegen die unverkennbaren Aufwertungstendenzen mobilisieren. Einen ausführlichen und lesenswerten Beitrag gibt es auf Indymedia zu lesen: Steigende Mieten und Widerstand.

Neben der gut recherchierten Analyse der aktuellen Entwicklungen finden sich ein paar grundsätzliche Gedanken für städtische Protestbewegungen im Text. Der regide Antikapitalismus der Position verwischt leider ein wenig den Blick auf die politischen Kräfteverhältnisse der Berliner Stadtpolitik.

Die Alternative kann natürlich nicht ein starker Staat, eine Art Gegenmacht gegen den „wilden Markt“ sein, der „gezügelt“ werden müsse. Die Überwindung der Regelung des menschlichen Lebens und Tätigkeit, durch angeblich rational funktionierende Märkte muss das Ziel sein. (…) Es ist aber auch wichtig, die Ablehnung antagonistisch darzustellen. Die Stadt wird niemals wirklich lebenswert werden, solange die Menschen nicht die Verfügungsgewalt über sie haben, solange soziale Ungerechtigkeit abseits von hohen Mieten besteht. Einen endgültigen Ausbruch gibt es nur durch den Bruch mit der kapitalistischen Verwertungslogik, die überall dort angegriffen werden muss, wo wir sie treffen können.

So richtig diese Überlegungen sein mögen, für die konkrete Auseinandersetzung um die MIetpreise in Kreuzberg bringt der ‚endgültige Bruch mit der kapitalistischen Verwertungslogik‘ ersteinmal wenig. Diese Grundsätzlichkeit kann schnell dazu verleiten, sich in den Verhältnissen einzurichten, weil es ja ‚kein richtiges Leben im falschen‘ geben könne. Doch überall dort, wo es gelingt, marktferne Formen der Wohnungsversorgung durchzusetzen, eröffnen sich Räume für eine gebrauchswerte und solidarische Aneignung der Stadt.

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