Die MegaSpree-Demonstration der Clubbetreiber/innen, Strandbars, Kunst- und Kulturschaffenden und Freiraumbewohner/innen wollte nichts Geringeres als gegen Gegen Privatisierung und Betonierung, für eine kulturell vielfältige, freie und soziale Stadt auf die Straße zu gehen. Unter dem Arbeitstitel MediaSpree soll auf den teilweise brachliegenden Uferflächen der Spree in den Innenstadtbezirken Friedrichshain und Kreuzberg eine neues Geschäfts- und Wohnviertel entstehen, dass sich in erster Linie an Nutzer aus den Bereichen der neuen Medien, Musikindustrie und des Veranstaltungsentertainment richtet. Die überwiegend von privaten Investoren geplante Bebauung hat bereits in der Vergangenheit für Proteste gesorgt. So wurden nach einem Bürgerbegehren 2008 die Bauplanungen zunächst auf Eis gelegt, um verschiedene Forderungen von Bürgerinitiativen stärker in den Planungen zu berücksichtigen.
Archiv für den Monat: Juli 2009
Programmhinweis: Kinderwahn in Prenzlauer Berg
Auf SWR2 ist für morgen zwischen 19:20 und 20:00 ein Feature zur Bevölkerungsveränderung in Prenzlauer Berg angekündigt: Kinderwahn in Prenzlauer Berg. Im Ankündigungstext heisst es:
Im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg haben die Babys die Herrschaft übernommen. Das Berliner Künstlerduo Serotonin klärt nicht nur über die neue schöne Kinderwelt auf, sondern verrät, was zu tun ist, um in die Prenzlbergszene zu passen.
Update: Kinderwahn in Prenzlauer Berg (Audio-Mitschnitt zum hören)
Boston: „Making our neighborhood a better place“
Einen hübschen Artikeln zu kleinen Alltagsgemeinheiten im Anti-Gentrification-Kampf gibt es auf dem Blog von Con Chapman zu lesen: Boston Artists Fight Gentrification, One SUV at a Time. Das relativ zentral gelegene Bostoner Leather District durchläuft gerade eine Phase der Revitalisierung, die Touristen ebenso wie die besserverdienden Suburbaniten in die Stadt lockt. Insbesondere die dort seit vielen Jahren ansässigen Künstler/innen befürchten ob dieser Attraktivität steigende Mieten und Wohnkosten.
“A bunch of fat suburbanites driving up rents and crowding creative people out of the little cafes and bistros that we’ve supported since, like forever.”
Künstler/innen und andere Bewohner/innen haben sich zu einer Aktionsgruppe zusammengeschlossen um dieser Entwicklung Einhalt zu gewähren und spielen allabendlich “guerilla tour guides”. Hinter dem Konzept verbirgt sich der simple Ansatz, durch falsche Wegbeschreibungen ungebeten Gäste aus dem Gebiet zu bannen. Insbesondere die großkalibrigen Vorstadtwagen (SUV) werden besonders gern zurück in die Vororte geschickt. Einziges Ausstattungsutensil: einen kleiner Störsender (pocket gps jammer), um die Routenplaner der Fahrzeuge kurzzeitig außer Gefecht zu setzen. Und so sieht “guerilla tour guides” in Aktion aus: Weiterlesen
Berlin: Lohnende Brandstiftung?
Rigaer Straße 84, Rückblende April 2007:,
Am 28.04.2007 ist bei einem Brand in der Rigaer Straße 84 der Lebensraum von 48 Menschen und Platz für internationale Gäste, Voküs, Kino, politische Arbeit, Konzerte und Kneipe zerstört worden. Wir, die BewohnerInnen, haben über Stunden hilflos mit ansehen müssen, wie der gesamte Dachstuhl und Teile des Frauenstockes in der 4.Etage dem Feuer zum Opfer gefallen sind.
Gut zwei Jahre nach dem BrandstiftungDachstuhlbrand im damals noch bewohnten, ehemals besetzten Haus Rigaer Straße 84 wird nun das ausgebaute Dachgeschoss vermietet: „Einzigartig mit 4 (VIER) Dachterassen – Für den luxeriösen Anspruch!“
Update: Nach Hinweise vom Scheckkartenpunk, ist die Brandursache wohl nicht so eindeutig, wie von dem Polizeisprecher im verlinkten ND-Artikel angegeben. KLar ist nur, es brannte wenige Woche nachdem die Besetzergruppe ein eigenes Kaufinteresse anmeldeten um die geplante Modernisierung zu verhindern. Im Verlauf der Sanierungsarbeiten löste sich die Gruppe auf und einzelne Bewohner/innen nahmen Entschädigungszahlungen für den Auszug an. Was bleibt: der Dachstuhlbrand legte die Voraussetzung für die unkomplizierte Durchführung der späteren Modernisierungsaktivitäten. Weiterlesen
Berlin: Alle gegen Alle?
Die Diskussion um die Berliner Stadtpolitik nimmt immer skurrilere Züge an. Die CDU und der rbb sprechen vom „Roten Terror“ (Video), Volker Ratzmann sieht „Kieztaliban“ am Werk und die jungle world macht es nicht unter den „Roten Khmer“. Aufhänger sind fast immer die Brandanschläge auf Autos, gemeint sind vielfach jedoch die notwendigen Diskussionen um die Miet- und Verdrängungsdynamiken in den Berliner Innenstadtbezirken (siehe Interview mit Aktivist/innen der „wir-bleiben-alle“-Kampagne)
Wurde vor ein paar Wochen noch über steigende Mieten, Verdrängungseffekte und Hartz-IV-freie Zonen geschrieben, hat sich zumindest die öffentliche Debatte deutlich in einen vorgeblichen Sicherheitsdikurs verlagert. Den Artikeln der letzten Woche folgend, bietet Berlin ein Bild zwischen Belfast und Beirut: umkämpfte Räume und unübersichtliche Akteurskulissen: Linke gegen Reiche, Alteingesessene gegen Jungfamilien, Ossis gegen Schwabe und die FDP gegen Hartz IV. Wenn das so weitergeht, wird Ulfkotte bald seinen nächsten Bestseller schreiben müssen…
Nun hat der Tagesspiegel auch noch einen Brand auf der Baustelle der Baugruppe „Börse“ in Prenzlauer Berg in den Kontext von Stadtteilprotesten gestellt („Wachschutz für Ökohaus“) und die Debatte um die Baugruppen neu entfacht. Die taz hat darin auch gleich einen neuen Konflikt entdeckt: Linke gegen Linke und schreibt über „Die verdrängte Debatte„:
Ruhender Pol und Stimme der Vernunft in all dem Chaos: die Diakonie! Die hält sich nicht mit Scheinkonflikten auf sondern fordert sinnvollerweise für Berlin flexible und ortsteilspezifische Richtwerte für Hartz-IV-Wohnungen: „Ich will so wohnen, wie ich will“
Mietwohnen weiterhin hoch im Kurs
Bei SpiegelOnline gibt es einen informativen Beitrag zur der im internationalen Vergleich geringen Eigentumsquote in Deutschland. Ein Volk von Mietern.
Etwa 42 Prozent, so das Statistische Bundesamt, beträgt die Eigentümerquote hierzulande. In Spanien und Italien liegt der Anteil der vom Eigentümer genutzten Wohnimmobilien am Gesamtbestand bei rund 80 Prozent. Irland und Großbritannien rangieren in ähnlichen Größenordnungen. Der Durchschnitt aller EU-Länder lag zuletzt bei mehr als 60 Prozent.
Als Gründe werden historische Entwertungen des Eigtentums (Arisierungen jüdischen Hausbesitzes und Kriegszerstörungen), die hohe Qualität der Mietwohnungen sowie die jahrelange Förderung des Mietwohnungsbaus benannt. Insbesondere die Eigentümerlobby beklagt sich über die künstlich niedrig gehaltenen Mietpreise. Denn bei höheren Mietpreisen – so die Hoffnung – wären mehr Haushalte zum Eigentumserwerb gezwungen. Weiterlesen
Berlin: „Niemand hat das Recht, in einer bestimmten Straße zu wohnen“
Die taz berichtete in ihrer gestrigen Ausgabe von den Vermarktungsschwierigkeiten des umstrittenen Luxuswohnprojektes CarLoft in Kreuzberg: Carlofts werden ausgebremst. Bisher konnten nur zwei der 11 Lofts vermietet werden – vom Traum eines Direktverkaufs hatten sich die Investoren bereits vor etlichen Monaten verabschiedet.
Ursprünglich sollten die vor ein paar Monaten fertiggestellten Wohnungen als Eigentum in der Preislage von 500.000 bis 1.500.000 Euro verkauft werden. Die Firma CarLoft® GmbH, die zwei Architekten gehört, hat sich die Idee der „Carlofts“ sogar in 39 Ländern patentieren lassen.
Die Pressesprecherin des Vermarktungsbüros Corinna Kaspar sieht die Gründe für die schleppende Vermietung eher in der Finanzkrise als in der öffentlichen Kritik am Luxuswohnprojekt:
Kaspar nennt allerdings andere Gründe für die Vermarktungsschwierigkeiten. „Die internationale Finanzkrise ist bei Projektentwicklern und Bauträgern, aber auch bei CarLoft-Käufern eher präsent als Aktionen linksradikaler Gruppierungen, denen wir übrigens stets den direkten Dialog angeboten haben.“
Detroit: Anti-Gentrification zum Hören
Das Aufbegehren gegen Gentrification ist hip, dass zeigen die vielen Initiativen der vergangen Monate in vielen Städte. Dass Anti-Gentrification auch Hip Hop sein kann, zeigt die großartige Invincible aus Detroit. In einer Art Musik-Dokumentation nimmt sie Stellung zu den Stadtteilkämpfen gegen Aufwertung und Verdrängung in Detroit.
Auf current music, wo auch eine Langfassung des Videos „Invincible feat. Finale- „Locusts“ (docu-music-video)“ zu finden ist, gibt es folgende Kurzbeschreibung:
Detroit based Hip-Hop artists Invincible and Finale rhyme about the impacts of gentrification on the Motor City. This piece includes interviews with community activists discussing displacement and predatory planning versus sustainable development in the D.
Das ganz klingt nicht nur sehr vernünftig, sondern hört sich auch noch gut an. Für alle die ohne Umwege reinhören wollen, hier die kurze Version:
[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=4ixL3-AdOsU]
via Generation Tapedeck (Danke Jenz!)
Berlin: Linke diskutiert soziale Wohnungspolitik mit Hartz IV
Am Montag fand im Abgeordnetenhaus Berlin eine Veranstaltung der Linksfraktion mit dem Titel „Zu Hause mit Hartz IV“ statt. Die Abgeordnete Elke Breitenbach stellte fünf Anträge für eine Neugestaltung der Ausführungsvorschrift Wohnen (AV-Wohnen) vor, im Anschluss durften Reiner Wild vom Berliner Mieterverein, Markus Wahle vom Berliner Bündnis für eine bessere AV Wohnen und ich die vorliegenden Anträge kommentieren. In der offenen Diskussionen nach den Vorträgen kamen dann verstärkt Initiativen und Betroffe selbst zu Wort, die sehr deutlich machten, welche katastrophalen Auswirkungen die bisherige Praxis für Hart-IV-Bedarfsgemeinschaften mit sich bringt. So ergab eine Umfrage des Notfalltelefons der Kampagne gegen Zwangsumzüge, dass 20 Prozent der Befragten die über den Richtwerten liegenden Wohnkosten aus den Regelsätzen finanzieren und am Ende des Monats hungern müssen. Angesicht dieser Dramatik erscheinen die diskutierten Änderungsvorschläge als Versuch einen Gorilla zu schminken: eine soziale Stadtpolitik wird mit der Hartz-IV-Gesetzgebung nicht durchzusetzen sein. Dennoch waren sich die meisten Anwesenden einig, dass die momentanen Regelungen einer Revision bedürfen und die Spielräume für die Betroffenen ausgeweitet werden müssen. Markus Wahle zeigte sich jedoch deutlich enttäuscht, dass nur ein Teil der von verschiedenen Initiativen erarbeiteten Änderungsvorschläge zur AV-Wohnen Eingang in die nun vorliegenden Anträge gefunden hatten.
Einen guten Veranstaltungsbericht gibt es in der jungen welt nachzulesen: Hausen mit Hartz IV. Christian Linde beendet seinen Beitrag mit meinem Bewegungsoptimismus (Danke schön!). Mal sehen, ob es hilft:
Holm appellierte an die Initiativen, sich nicht an Forderungen nach kosmetischen Korrekturen an der AV Wohnen zu verlieren. Im Mittelpunkt müsse die Stadtpolitik insgesamt stehen. Hierbei hätten nicht zuletzt die außerparlamentarische Bewegung und die »Marktmacht von 300 000 ALG-II-Beziehern« eine besondere Bedeutung. »Drei Parteien im Berliner Parlament beschäftigen sich zurzeit intensiv mit Wohnungspolitik. Das tun die nicht freiwillig«, so Holm.
Für alle, die noch mehr zu den auf der Veranstaltung diskutierten Anträgen wissen wollen, hier eine Zusammenfassung der Antragsentwürfe und eine leicht überarbeitete Fassung meiner Stellungnahme: Weiterlesen