Rezensionen: Wir Bleiben Alle!

Die bisher einzige Buchvorstellung (Linke Buchtage) war gut besucht und meine Berliner Lieblingsbuchläden (Schwarze Risse) mussten schon nachbestellen – darüberhinaus jedoch halten sich die Rückmeldungen zum Wir-Bleiben-Alle-Büchlein in Grenzen.

Buchbesprechungen gabe es bisher nur wenige – die aber alle sehr freundlich:

  • Neues Deutschland („Überblick mit Tiefgang – Stadtsoziologe erklärt Gentrifizierung„)
  • Was eigentlich unter Gentrifizierung zu verstehen ist, versucht in einem 80-seitigen Büchlein Andrej Holm allgemeinverständlich und doch zugleich auf der Höhe der internationalen wissenschaftlichen Diskussion zu klären

  • Jungen Welt („Die schmutzige Seite der Stadtplanung„)
  • Kaum eine Auseinandersetzung um steigende Mieten und Verdrängung von ärmeren Bevölkerungsgruppen aus ihren Kiezen, ob im Bremer »Viertel«, in der Schanze in Hamburg oder Berlin-Prenzlauer Berg kommt mehr ohne das Reizwort »Gentrifizierung« aus. Was darunter zu verstehen ist, hat der Sozialwissenschaftler nun in einem schmalen Bändchen zusammengefaßt.

  • HappyBuddah1975-Blog („Lesetip: Wir bleiben Alle !„)
  • Auf den ersten Blick klingt das ganze doch ganz gut. Stadtteile werden aufgewertet, die Lebensqualität steigt, leere Baulücken werden durch neue Wohnhäuser oder moderne Bürogebäude ersetzt. Das ganze hat aber auch eine Negative Seite, über die selten berichtet wird. Bis jetzt. Wer sich aber das ganze Bild über Gentrifizierung machen möchte, muss das aktuelle Buch von Andrej Holm lesen.

    Spannende Kritiken gabe es natürlich auch: Weiterlesen

    Berlin: Ausbruch aus dem Pionierdilemma?

    "Flanierstraße": Neuköllner Straßenkunst via Kunstreuter.de

    Fast immer wenn irgendwo über Gentrification diskutiert wird, ist die Künstler-Debatte nicht weit. Dass Kulturproduzent/innen und ihre Einrichtungen und Aktivitäten Stadtentwicklungsprozesse beeinflussen, ist dabei unumstritten – ob sie tatsächlich Auslöser und Motoren von Aufwertungsprozessen sind, nicht. Doch gerade die Ambivalenz von Kunst und Kultur sind ein beliebtes und wiederkehrendes Motiv vieler Gentrification-Reportagen. Die Räumungsdrohungen gegen einige inzwischen etablierten Kultureinrichtungen in Berlin-Mitte (Tacheles und c/o Berlin) haben das Thema mal wieder in die Schlagzeilen gebracht. Die ‚Pioniere als tragische Gestalten der Gentrification‘ sind ja auch wirklich ein dankbares Sujet für die Berichterstattung.

    Bei Deutschlandradio Kultur wurde unter dem Titel „Linke gegen Künstler: Die Berliner Gentrifizierungsdebatte“ (mp3) darüber sinniert, warum das Tacheles aus der linken Szene so wenig Unterstützung gegen die Räumung bekommt.

    Alles ist wie immer.  Kommerz vertreibt Kreative – ganz klar, wer moralisch im Recht ist. Doch dann geschah etwas Ungewöhnliches:  Kaum jemand solidarisierte sich mit den Mietschuldnern vom Tacheles. Das alte Bündnis zwischen Kunst und Alternativszene – auf einmal schien es aufgekündigt…“

    In meiner Interpretation ist das die Quittung für 20 Jahre Ignoranz des Tacheles gegenüber den Aufwertungsprozessen in der unmittelbaren Nachbarschaft. Möglichkeiten, gegen Verdrängung und Kommerzialisierung aufzubegehren, hat es in der Vergangenheit in der Spandauer Vorstadt (das ist die Gegend rund um den Hackeschen Markt) vielfach gegeben – das Tacheles war nie dabei und hat sich als Teil der touristischen Berlin-Vermarktung eingerichtet.

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    Berlin: Baugruppe statt Freiraum

    Die Berliner Baugruppendebatte geht in die nächste Runde. In der Kleinen Rosenthaler Straße soll das seit fast zwanzig Jahren bestehende Werkstattprojekt Linienhof einem Mehrgenerationenhaus einer Baugruppe weichen. In einem Offenen Brief an die neuen Eigentümer des Grundstücks schreiben die derzeitigen Nutzer/innen:

    Der Linienhof ist ein wichtiger Bestandteil Berliner linker, unkommerzieller Strukturen. (…) hier kann geschweißt, geflext und ausgebaut werden. Und das umsonst. (…) Natürlich wissen wir, dass es rund um den Rosenthaler Platz nicht mehr viel zu verteuern und zu vertreiben gibt; fast nichts mehr, außer den letzten kleinen Nischen, zu denen auch der Linienhof gehört.

    Linienhof: "Baut Euer Haus woanders" / Bild: auguststrasse-berlin-mitte.de

    Adressat des Briefes und Eigentümer des Grundstücks ist mit Mathias Greffrath ausgerechnet ein linkes Westberliner Urgestein. Uwe Rada schreibt in der taz (Die letzte Brache in Mitte):

    Zusammen mit dem benachbarten besetzten Haus Linienstraße 206 ist die Brache die letzte Hinterlassenschaft der Nachwendeprovisorien zwischen Rosenthaler Platz und Hackeschem Markt. Drum herum ist alles gesäubert, manche sagen dazu immer noch Scheunenviertel. Ausgerechnet hier wollen Mathias Greffrath und Hortensia Völckers ihren Traum vom selbstbestimmten Leben verwirklichen. Schimpfen die Protestierer. Nicht nur um Brache versus Baugruppe geht es ihrer Ansicht nach, sondern um linkes Prekariat versus angeblich linke Bauherren: Mathias Greffrath ist Autor, Globalisierungskritiker und taz-Kolumnist; Hortensia Völckers ist künstlerische Leiterin der Bundeskulturstiftung.

    Der Linienhof-Konflikt zwischen den Freiraumnutzer/innen und der Bauherrengruppe ist der vorläufige Höhepunkt einer Auseinandersetzung um die Beteiligung von linken Aktivist/innen an Baugruppenprojekten.

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    Rette die Stadt

    Im aktuellen Freitag gibt es einen kleinen Beitrag von mir zu lesen: Rette die Stadt. Thema ist die mediale Berichterstattung über die aktuellen Stadtproteste in Hamburg und Berlin:

    Rette die Stadt

    von Andrej Holm

    Ob in den Städten die Logik des Geldes herrscht, sollten nicht nur Anwälte und Künstler unter sich ausmachen. Denn die Debatte darf nicht kulturalisiert werden

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    Berlin: Auf dem Weg in die Zitadellenökonomie

    Wir schreiben das Jahr 2010 und der Oktober rückt immer näher. Und mit ihm die unweigerlichen Erinnerungssendungen, Jubelveranstaltungen und Sachbuchvorstellungen zum 20. Jahrestag der sogenannten Wiedervereinigung. Den Reigen der Bilanzen hat ausgerechnet der telegraph (ostdeutsche zeitschrift) eröffnet. In knapp zwanzig Beiträgen wird eine linke Rückschau auf zwei Dekaden vereinigtes Deutschland präsentiert. In der taz (Grundhaltung bewahrt) und dem Neuen Deutschland (Linke ostdeutsche Opposition) gab es zwei wohlwollende Rezensionen von Peter Nowak. Das Thema Stadtentwicklung und Verdrängung durfte dabei nicht fehlen:

    In der aktuellen Ausgabe ist der Mix aus Theorie und Praxis gelungen. Dort zieht der Stadtsoziologe Andrej Holm eine ernüchternde Bilanz von 20 Jahre Stadtsanierung in Prenzlauer Berg: „All die Aufwertungsprognosen der Vergangenheit haben sich erfüllt – aber ,recht haben‘ ist keine Kategorie des politischen Erfolges. Leider.“ (taz)

    Der Stadtsoziologe Andrej Holm beschreibt die Entwicklung des Prenzlauer Berg vom kulturanarchistischen Utopia der frühen Wendejahre zur Hochburg der Bionade-Bourgeoisie aus Sicht der Bewohner mit geringem Einkommen. Nicht alle starben aus Gram über ihre aus ökonomischen Zwängen verlassenen Wohnungen, wie der Fotograf Peter Woelck. Aber an den Stadtrand wurden viele verdrängt. »All die Aufwertungsprognosen der Vergangenheit haben sich erfüllt – aber Recht haben ist keine Kategorie des politischen Erfolges. Leider«, so Holms bitteres Resümee. (Neues Deutschland)

    Meine Rückschau auf zwanzig Jahre Stadterneuerung in Berlin Prenzlauer Berg gibt es auch hier zu lesen.

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