Berlin: Gentrification in Prenzlauer Berg (Audio)

Ich war mal wieder beim Küchenradio und durfte 90 Minuten über mein Lieblingsthema plaudern.

Gentrification in Prenzlauer Berg, Küchenradio mit Andrej Holm (94 min)

Andrej Holm, Stadtsoziologe an der Uni Oldenburg, war schon mal im Küchenradio. Damals ging es ausschließlich um das jahrelange und von vielen Absurditäten geprägte Verfahren der Bundesanwaltschaft gegen ihn. Dieses Verfahren wurde jetzt nach vier Jahren eingestellt. Anlass, uns wie versprochen einmal ausführlich Andrejs eigentlichem Thema zu widmen: der Gentrifizierung. Bei einem kleinen Spaziergang durch den Prenzlauer Berg erläutert Andrej die vier Phasen der Gentrifizierung dieses Stadtteils und sagt auch, was dem nächsten Hypestadt-Quartier bevor steht (Neukölln) und wie es sich vom P-Berg unterscheidet. Freuen uns wie immer auf Eure Kommentare. Viel Spaß.

Wir Bleiben Alle! (Literaturliste)

Das kürzlich beim Unrast-Verlag erschienene Buch „Gentrifizierung – Städtische Konflikte um Aufwertung und Verdrängung“ ist ja bewusst in einem nicht-akademischen Ton gehalten und ich habe weitgehend auf bibliographische Verweise im Text verzichtet.

Um nicht den Eindruck zu erwecken, alles im Buch sei auf meinem eigenen Mist gewachsen, habe ich immer mal wieder auf die „wissenschaftlichen Debatten“ oder „vorliegende Forschungsarbeiten“ verwiesen. Für alle die tiefer ins Thema einsteigen wollen, gibt es jetzt hier eine ausführliche und alpghabetisch geordnete Literaturliste zum Thema Gentrification. Aufgenommen wurden darin sowohl die mir bekannten Standardtexte als auch etliche Studien zu Gentificationprozessen. Der Großteil der Literatur beschränkt sich auf den deutschsprachigen Raum und die anglo-amerikanischen Debatten.

Ich würde mich sehr freuen, wenn über die Kommentarfunktion eine kollaborative Erweiterung der Literaturliste entstehen würde. Insbesondere Studien zu Gentrification-Prozessen in einzelnen Städten würden mich sehr interessieren.

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Berlin: Die Gentrification frisst ihre Kinder

Kunsthaus Tacheles, Belin-Mitte (http://urbanshit.de)

Es gibt sie noch, die guten alten klassischen Gentrification-Verläufe! Während die internationale Debatte über brownfield-,  new build-, super- und rural gentrification diskutiert, deren gemeinsamer Nenner eine Aufwertung ohne Pionierphase zu sein scheint, lassen sich in Berlin-Mitte die Gentrification-Modelle der 1980er Jahre wie unter Laborbedingungen beobachten. Erst kommen die Pioniere und mit ihnen die symbolische Aufwertung – dann die Investitionen und die Gentrifier – und wenn dann fast alles aufgewertet ist, müssen auch die letzten Pioniere der Aufwertung das Feld räumen…

Im Gebiet rund um den Hackeschen Markt wurde genau diese letzte Phase eingeleutet. Und SpiegelOnline ist live dabei: Gentrifizierung in Berlin Mitte Arm und sexy? Teuer und öde!

Es ist der übliche Kreislauf, auch Gentrifizierung genannt: Wenn die Off-Galeristen, die Künstler und andere eigensinnige Geister eine Gegend als Wohngebiet interessant und zum touristischen Anziehungspunkt gemacht haben, kommen die Investoren. Und irgendwann müssen dann auch die Pioniere gehen, weil sie sich die Mieten nicht mehr leisten können. Oder weil ihre Standorte verkauft werden.

Konkreter Aufhänger für den Artikel sind die drohenden Schließungen des Kunsthaus Tacheles und der Fotogalerie c/o Berlin im ehemaligen Postfuhramt in der Oranienburger Straße. Im Fall des Tacheles will der Eigentümer, die HSH Nordbank, das Grundstück versteigern – das Postfuhramt soll von der Investorengruppe Elad zu einem Hotel- und Einkaufszentrum umgebaut werden. Die Vorgänge lassen sich also relativ schlicht mit den Ertragslücklen zwischen momentanen und potentiellen Erträgen der Immobilien erklären.

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Gentrification vs. §129(a): Stadtsoziologe und Aktivist (taz)

Rund um die Einstellung der bundesanwaltschaftlichen §129(a)-Ermittlungen gegen mich haben viele Redaktionen nochmal über das Verfahren berichtet (Übersicht bei annalist). In der taz hat Uwe Rada ein kleines rühriges Porträt geschrieben… (siehe unten)

Eigenlob stinkt ja bekanntlich, aber weil es den Artikel bei der taz nicht online gibt, hier trotzdem zum Nachlesen. Uwe Rada hat als einer der wenigen die Berichterstattung über das Verfahren kontinuierlich mit meinem stadtpolitischen Engagement verbunden. Dafür an dieser Stelle ein dickes Dankeschön an Uwe und natürlich auch an alle anderen, die mich in den letzten Jahren unterstützt haben…

Auch in der Redaktion Zündfunk des Bayrischen Rundfunks gab es einen (nicht in allen juristischen Details korrekten) Beitrag zur Verfahrenseinstellung, der sich explizit auf die stadtpolitischen Dimensionen der Ermittlungen bezog: „Ein kleiner Sieg

Zumindest im Fall von Andrej Holm hat dieser Spuk nun ein Ende – und Eure Alice freut sich darüber ganz offen. Für Andrej Holm ist dies sicherlich ein Sieg, wenngleich auch nur ein kleiner. Denn sein eigentlicher Kampf, der, den er intellektuell gegen die Wohnraumaufwertung führt, ist leider weniger erfolgreich. Gentrifizierung ist längst kein Aufreger mehr – das Thema langweilt vielmehr fast schon. Inzwischen ist es unter Intellektuellen eher schick geworden, sich über die zu mokieren, die gegen Gentrifizierung vorgehen, wie etwa die not-in-our-name-Initiative mehrerer Hamburger Künstler und Musiker. Wohnraumaufwertung wird nun eher als Naturereignis betrachtet, wenngleich eines mit unschönen Folgen. Um gegen diese Tendenz anzugehen, bräuchte es wohl mehr als einen Andrej Holm.

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Dämonisierung des Anti-Gentrification-Protestes

In der Süddeutsche Zeitung erschien mal wieder ein längerer Beitrag zur Gentirifzierung unserer Städte. Jan Füchtjohann durfte unter dem Titel „Das Gespenst der Gentrifizierung“ seine ganz  eigene Sicht auf die Anti-Gentrification-Proteste der letzten Monate zum Besten geben.

Aufhänger seines Artikels sind die Aktivitäten von Not in Our Name in Hamburg und die Proteste gegen das MediaSpree-Investoren-Projekt in Berlin. Beide Kampagnen hätten dazu geführt, dass die Aufwertung von Stadtteilen überall diskutiert wird.

Zwanzig Jahre nach dem Mauerfall sei auch die letzte Altbauwohnung der Stadt saniert – jetzt kämen nicht mehr nur Studenten, Musiker und Künstler, sondern auch ein ’saturierteres BWLer-Milieu‘, es stiegen die Mieten und die berühmte, einzigartige Clubkultur Berlins sei ‚auf dem absteigenden Ast‘.

So weit, so bekannt. Eine vulgäre Stadtsoziologie wie diese ist mittlerweile zum Verlegenheits-Diskurs unter vielen 25- bis 45-Jährigen geworden – wenn es nichts mehr zu sagen gibt, redet man eben über Berlin.

Noch mehr als diese Verlegenheits-Diskurse haben es dem promovierten Unternehmensberater Füchtjohann aber die Stellungnahmen von Künstler/innen angetan, die sich gegen eine Vereinnahmung in unternehmerische Stadtentwicklungskonzepte positionierten. In Hamburg hätten…

die Mächte des deutschen Indie-Pop zur Hetzjagd auf die Gentrifizierung geblasen haben. (…) ‚Wir‘, so hieß es in einem im vergangenen Jahr von Hamburg aus in die Welt geschleuderten Manifest, ‚die Musik-, DJ-, Kunst-, Theater- und Film-Leute, die kleine-geile-Läden-Betreiber und ein-anderes-Lebensgefühl-Bringer‘ möchten nicht länger dazu benutzt werden, tote Stadtteile wiederzubeleben und Investoren und kaufkräftigere Bewohner anzulocken.

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Berlin: Innenansichten der Gentrification

Auf Foxxis-Blog habe ich einen lesenswerten Beitrag eines Wohunngseigentümers in Prenzlauer Berg gefunden. Foxxibaer beschreibt darin seine Rolle als Gentrifier wider Willen: Talkin‘ bout my Gentrification.

Es gibt wenig Blogs bei deren Lektüre ich mich so unbehaglich fühle wie beim Gentrification Blog von Andrej Holm. Das liegt natürlich zunächst einmal am Thema selber und seinem unmittelbaren Niederschlag in meiner örtlichen Umgebung, was aber wirklich schmerzt ist das permanente Fremdschämen, den schließlich bin ich ein Teil dieser Fehlentwicklung…

Foxxibaer beschreibt sehr anschaulich die symbolische Verwandlung von Prenzlauer Berg in eine beliebte Wohnadresse für westdeutsche Studierende Anfang der 1990er Jahre.

Als ich 1990 zum Studium nach Berlin kam wohnte ich, wie die meisten meiner Kommilitonen aus Wetsdeutschland irgendwo in Westberlin. Tempelhof, Lankwitz, Steglitz, Friedenau etc. … Die ersten Wochen war unser bevorzugtes Revier Kreuzberg, schließlich kannten wir uns da aus und nach kürzester Zeit lernten wir Menschen kenne, die schon längere Zeit dort wohnten und dementsprechend den Niedergang Kreuzbergs bejammerten …folgerichtig verlagerten wir, nun um die Kreuzberger Freunde verstärkt, unsere außeruniversitären Aktivitäten immer mehr Richtung Mitte, Prenzlauer Berg und Friedrichshain…

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Berlin: Gentrification im Radio (heute)

Ab 12.10 Uhr bei rbb Kulturradio:

Zerstören Besserverdienende unsere Städte?

Studiogast: Andrej Holm, Stadtsoziologe

Gentrifizierung heißt das Wort, und es meint: Studenten, alte Leute, Migranten ziehen weg aus unsanierten Stadtvierteln, dann wird saniert und gut verdienende Akademiker-Ehepaare kommen, die sich die entstehenden Eigentumswohnungen leisten können. Wer Geld hat, darf bleiben, und wer keins hat, muss aufs Land oder in die Vorstadt. So zu beobachten im Prenzlauer Berg, in Kreuzberger Graefekiez, oder auch in Berlin Mitte. Ist dieser Prozess unumgänglich? Muß Aufwertung eines Viertels immer einhergehen mit der Verdrängung alter Bewohner? Für den kommenden Samstag rufen Bürgerinitiativen auf zu einer Demonstration, die gegen die Stadtpolitik protestieren soll.
Diskutieren Sie mit uns unter der Tel.-Nr.: 030/30 20 00 40 !!!

„Recht auf Stadt“ – Mehr als ein guter Slogan?

Im Rahmen der Utopia Now Konferenz in Erfurt war ich Ende Mai diesen Jahres zu einem Workshop mit dem schönen Titel: „right to the city“ eingeladen. Meinen Inputbeitrag gibt es für alle, die die Konferenz verpasst haben, jetzt nachzulesen.

Im Erfurter hEFt für Literatur, Stadt und Alltag gibt es eine kleine Nachlese der Konferenz (hEFt, Juli 2010, pdf). Mein Beitrag ist hübsch layoutet auf den Seiten 32/33 zu finden, kann aber auch gleich hier gelesen werden…

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Berlin: Luxuswohnprojekt mit „sozialer Verantwortung“ (KolleBelle II)

Erst kürzlich habe ich hier über die Neubauplanungen im Bereich Metzer/Belforter/Straßburger Straße (Nähe Kollwitzplatz in Prenzlauer Berg) geschrieben: Nach der Sanierung ist vor dem Neubauboom. In einem gut recherchierten Artikel in der Berliner Zeitung präsentiert Stefan Strauß nun noch ein paar spannende Details des Bauvorhabens: Die Angst der alten Mieter vor dem Investor.

Der Artikel beschreibt die große Verunsicherung der Bewohner/innen in den 110 Wohnungen der 60er Jahre Siedlung.

Die Bewohner wissen, dass sie in diesem sehr begehrten Wohnviertel immer noch sehr geringe Mieten zahlen. Eine Zweieinhalbzimmerwohnung mit 56 Quadratmetern kostet etwa 300 Euro kalt. Es sind die letzten bezahlbaren Wohnungen im Kollwitzplatzgebiet, sagt Michail Nelken (Linke), Stadtrat für Stadtentwicklung.

Viele der Mieter/innen leben schon lange in ihren Wohnungen, einige sind über 70 Jahre alt und fürchten den geplanten Eingriff in ihr Wohnumfeld oder sogar eine Verdrängung durch die Immobilienfirma Econ Cept. Die will…

die Freiflächen an der Straßburger Straße mit einem Wohnhaus bebauen, geschlossene Blockrandbebauung nennen das Fachleute. Eine Tiefgarage mit 120 Plätzen ist geplant, Dachgeschosswohnungen sollen auf den bestehenden Häusern entstehen.

Etwa 20 der 110 Wohnungen sollen abgerissen werden, Bewohner/innen werden zum Auszug Abfindungen angeboten. Econ Cept Geschaftsführer Rainer Bahr – einst Gründungsmitglied der Grünen – nennt es eine „ansprechende städtebauliche Lösung“.

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Marxismus: Ein kurzer Lehrgang

Die altehrwürdige Royal Society for the encouragement of Arts, Manufactures and Commerce (RSA) ist im 21. Jahrhundert angekommen und bietet kurzweilige und mit lustigen Animationen versehene Vorträge im Internet an.

David Harveys Vortrag zum Wesen und Verlauf der aktuellen Krise bietet einen kompakten Einblick in die Argumentationsweise marxistischer Analysen. Warum solch ein thematisch ausladener Vortrag hier auf dem Gentrifcationblog Beachtung findet, ist ab Minute 7:00 zu sehen. Der Kapitalismus – so Harveys Argument – hat für seine Krisen immer geographische Lösungen gesucht: Verlagerung von Produktionsstätten, Eroberung neuer Märkte oder eben auch die Investitionen in den zweiten Kapitalkreislauf.  Stadtentwicklung wird so zur Ableitung der jeweiligen Produktionsmodi und Regulationsweisen und als ’spatial fix‘ zur Krisenlösung der Überakkumulation…

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Passend zur sehenswerten Animation sonst eher abschreckend wirkender Poliotökonomie der Beweis, dass Marxismus eigentlich Pop ist.

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RSA/Harvey gefunden bei annalist
I Read Some Marx via Tobias (danke!)