Hamburg: Protestfahrt gegen Slumlord-Strategie der Gagfah

Die meisten Mieter/innen wollen von ihren Hausverwaltungen in Ruhe gelassen werden und Post vom Eigentümer bedeutet oft nichts Gutes. Im Korallusviertel in Hamburg Wilhelmsburg ist das anders. Die Mieter/innen dort haben gemeinsam mit Stadtteilinitiativen und Mieterorganisationen einen Bus gemietet um bei ihrem Vermieter vorzusprechen. Der Grund: Finanzinvestor Fortress lässt die 2004 privatisierten Gagfah-Wohnungen systematisch verfallen und spart am Service und den Instandsetztungsausgaben. In der Stadtforschung werden solche Eigentümer/innen als Slumlords bezeichnet.

Die Bewohner/innen in Wilhelmsburg jedoch wollen die Vernachlässigung ihrer Wohnanlage nicht länger hinnehmen und konfrontierten die Geschäftsführung mit ihren Beschwerden. Eine Videodokumentation des AK Umstrukturierung Wilhelmsburg zeigt die gelungene Aktion:

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Interview: Gentrification und Protest

Am Rande meiner Veranstaltung in Wien „So haben wir das nicht gemeint – Gentrification, Protest und Subkultur“  hat das Video-Kollektiv von kanalb.at ein Interview geführt. Alle, die das Vorveranstaltungsgemurmel im Hintergrund nicht stört, können sich hier in knapp 17 Minuten einen guten Überblick der aktuellen Debatten um Proteste gegen Verdrängung und Gentrification  verschaffen.

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Berlin: Luxuswohnprojekte verunsichern die Nachbarschaft

Eine gefälschte Einladung zu einem Champagner-Empfang im Luxuswohnprojekt Choriner Höfe hat eine Welle der Empörung in Prenzlauer Berg ausgelöst: gutgläubige Anwohner/innen sind über die sozialdarwinistischen Inhalte des Textes schockiert, und die Immobilienfirma distanziert sich scharf von der Fälschung und überlegt rechtliche Schritte einzuleiten.

In Tageszeitungen (Tagesspiegel: „Scherzmittel„) und auf Webseiten (Prenzlauer Berg Nachrichten: „Gefälschte Flyer machen Stimmung gegen die Choriner Höfe„) wird die Aktion erstaunlich gelassen aufgegriffen. Von der Form der Kommunikations-Guerilla wird sich nicht wirklich distanziert, statt dessen zitieren beide Artikel genüsslich aus dem gefälschten Schreiben und bestätigen den Fälschern:

Logo und Tonfall sind gut getroffen.

Das stimmt. Bedeutsamer scheint mir jedoch, dass auch die Inhalte des Schreibens eine Glaubwürdigkeit auf den ersten Blick ausstrahlen. Die Prenzlauer Berg Nachrichten zitieren einen Anwohner:

„Der Flyer ist ziemlich gut gemacht, und auch die übliche PR-Sprache sehr gut getroffen“, meint er. „Das klang plausibel.“ Andere Anwohner, mit denen er gesprochen habe, hätten das ähnlich gesehen. „Irgendwann rief dann aber die Agentur der Investoren bei mir an und klärte mich über die Fälschung auf – im Nachhinein frage ich mich natürlich, warum ich das nicht gleich bemerkt habe.“

Eine Fälschung ist eben nur so gut, wie es ihr gelingt die Vorstellungen und Erwartungen der Adressaten zu bedienen. Das dies im vorliegenden Fall mit einer überzogenen Form der sozialen Arroganz gelungen ist, zeigt wohin die Reise in Prenzlauer Berg geht.

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München: Tamara und der Anti-Gentrification-Wecker

Ja, die Gentrification ist als Schlagwort der aktuellen Veränderungsprozesse in den Städten in aller Munde. Von der kleine Stadtteilzeitung „Unser Viertel“ im Münchener Stadtteil Giesing gibt es gerade die fünfte Ausgabe (pdf) mit Berichten zu Hotelneubauten und steigenden Mieten.

Doch die Kritik an den sozialen Kosten der Aufwertung findet mittlerweile auch  prominente Unterstützung und damit hoffentlich auch noch mal neuen Schwung.

Konstantin Wecker – bekannt für sein politisches Engagement – wurde für die Stadtteilzeitung interviewt und durfte davon erzählen wie die Boheme der 1970er Jaher in das proletarische Giesing gezogen ist ohne sich von den dortigen Bewohner/innen abzukapseln.

Ich hatte mir in den Kopf gesetzt eine Künstlerkneipe aufzumachen und da kam ich auf Giesing. Das Viertel schien mir ideal um den Menschen näher zu sein, was mich auch sehr inspiriert hat. Das Kaffee  Giesing war dann ein großer Glücksgriff.  Anfangs haben wir überlegt ob die Einwohner, vor allem die 60’ger Fans uns im Viertel akzeptieren, später hatten wir aber ein freundschaftliches Verhältnis mit ihnen. Meist kamen sie nach den Spielen zu uns und haben den Tag dort ausklingen lassen.

Die Vorstellung einer Gentrification findet Konstantin Wecker eher unattraktiv, weil er die Folgen der Auswertung bereits anderenorts erfahren musste:

Wenn ich heute durch Lehel spaziere dann gleicht das Viertel in keiner Weise dem wie ich es aus meiner Kindheit kenne. Es wäre schrecklich wenn dasselbe mit Giesing passiert!

Ich wurde für die aktuelle Ausgabe für einen Grundsatztext zur Ermutigung in Sachen Anti-Gentrification angefragt und habe wunschgemäß geschrieben, dass es immer auch Alternativen zu Aufwertung und Verdrängung gibt. TAMARA (There Are Many And Realistic Alternatives) statt TINA (There Is No Alternative) also: sie müssen nur noch durchgesetzt werden.

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Das Recht auf die Stadt braucht vor allem Bewegung

Das Recht auf die Stadt und die Fragen, wem eigentlich die Stadt gehört und wie eine soziale und gerechte Stadt aussehen könnte, werden zur Zeit auf vielen Veranstaltungen, Tagungen und Kongressen aufgegriffen. Am vergangenen Wochenende lud die Ratsfraktion der LINKEN in Düsseldorf zu einer solchen Diskussion ein: „Wem gehört die Stadt?“.

Unabhängig von der Organisation durch die Linkspartei kann der Kongress in Düsseldorf als typische Veranstaltung der aktuellen stadtpolitischen Diskussionen gelten. Der bundesweit eingeladene Wanderzirkus von Recht-auf-die-Stadt-Bewegten, kritischen Stadtforscher/innen und engagierten Künstler/innen wird in dieser oder ähnlicher Zusammensetzung auch in den nächsten Wochen und Monaten zusammenkommen (Freiburg, 20. bis 22. Mai / Hamburg, 02. bis 05. Juni) Ein Blick auf die Struktur solcher Veranstaltungen lohnt sich also.

Auf Podien und in Workshops diskutierten etwa 200 Teilnehmer/innen verschiedene Aspekte von Recht-auf-Stadt-Bewegungen. Neben Arbeitsgruppen, die sich mit der Einschätzung der aktuellen Situation beschäftigten, wurden auch Perspektiven für künftige Strategien diskutiert. Doch so sehr auch der utopische Gehalt des Recht-auf-Stadt-Konzeptes im kulturellen Begleitprogramm (Lesung von Christoph Schäfer: „Die Stadt ist unsere Fabrik“) und den Auftaktpodien („Was bedeutet Recht auf Stadt?“) betont wurde – in den Arbeitsgruppen-Debatten dominierte vielfach die pragmatische Suche nach einfachen Lösungsansätzen für eine andere Stadtentwicklung.

Doch so verständlich die Frage nach den wirklich wirksamen Instrumenten gegen Mietsteigerungen und Verdrängungen sind, so unbefriedigennd müssen die Antworte darauf ausfallen: Es gibt unter kapitalistischen Verhältnissen der Stadtentwicklung keine einfache und dauerhafte Methode, um eine soziale Stadtentwicklung sicherszustellen. Die Geschichte der Wohnungspolitik lässt sich als die Abfolge von unterschiedlichen Re- und Deregulierungsphasen gegenüber den ebenfalls veränderten Verwertungsstrategien der Immobilienwirtschaft. Den einen Königsweg für die soziale Wohnungspolitik wird es dabei nicht geben, zumal auch nationale und lokalstaatliche Besonderheiten Einfluß auf die jeweiligen Stadtentwicklungsprozesse nehmen.

Strategien für eine andere Wohungspolitik stehen vor der Herausforderung grundsätzlich nicht nur eine andere Stadt, sondern eine völlig neue, utopische Gesellschaft einzufordern und auf der anderen Seite Antworten für das Hier und Jetzt zu finden. Erfahrungen und Vorschläge gehören daher auf den Prüfstand der gemeinsamen Debatte. Was sind die möglichen Effekte und anzunehmenden Grenzen von Förderprogrammen, rechtlichen Regelungen oder kommunalen Wohungsbaugesellschaften? Eine fachlich fundierte Debatte wohnungspolitischer Instrumente ist aus dieser Perspektive nicht nur sinnvoll sondern notwendig. Im Kern geht es jedoch vor allem darum herauszufinden, wie eine andere Politik in den Städten durchgesetzt werden kann. In der Jahrmarktstimmung von pragmatischer Reformpolitik und revolutionärem Pathos, zwischen Bewegungsansätzen und administrativen Lösungswegen verloren sich in Düsseldorf jedoch zuweilen die Spuren einer Recht-auf-die-Stadt-Bewegung.

 

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Berlin: Aufwertungsdruck durch Eigentümerwechsel

In den akademischen und auch politischen Debatten zur Gentrification taucht regelmäßig die Frage nach den möglichst eindeutigen und zuverlässigen Indikatoren für solche Entwicklungen auf. Wegen der Vervielfältigung der Aufwertungsmuster und der Schnelllebigkeit von Lebensstil-Trends eignen sich veränderte Konsummuster und ihre Infrastrukturen nur noch eingeschränkt als Gentrification-Indiz. Weder der Sushi-Index (New York der 1980er Jahre) noch die Häufigkeit der Latte-Macchiato-Bars (Berlin der 1990er Jahre) dürften uns heute sinnvolle Hinweise auf eine beginnende Gentrification geben.

Wenn wir den Prozess der Aufwertung jedoch nicht als Ausdruck eines besonderen Mittelklasse-Lebensstils verstehen wollen, sondern in erster Linie als einen immobilienwirtschaftlichen Inwertsetzungsprozess, können häufige Eigentümerwechsel und steigende Bodenpreise als Vorboten der Gentrification betrachtet werden.

Die Berliner Zeitung berichtet unter dem Titel Anleger investieren in „Betongold“ über den jüngst herausgegebene (vorläufige) Bericht des Gutachterausschusses in Berlin, der für das Jahr 2010 Immobilienverkäufe in der Höhe von 8,5 Mrd. Euro festgestellt hat (2008: 7,2 Mrd. Euro / 2009: 6,5 Mrd. Euro):

Mietshäuser in der Innenstadt sind bei den Investoren besonders beliebt. In Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln wurden 2010 am meisten Mietshäuser verkauft.

Für die Bezirke Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg weisen die Daten des Gutachterausschusses mit jeweils etwa 200 verkauften Mietshäusern die höchsten Aktivitäten aus. Insgesamt wechselten Wohnhäuser im Gesamtwert von 2.9 Mrd. Euro den Besitzer – eine Steigerung um 53 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damit liegt der Handel mit Bestandsimmobilien mittlerweile über den Verkaufsumsätzen von Eigentumswohnungen und Eigenheimen (2,4 Mrd. Euro) und dem Verkauf von unbebauten Grundstücken (0,6 Mrd. Euro).

Wo viel verkauft wird, steigen auch die Mieten. Eine Wohnungslagen-Karte der Financial Times Deutschland zeigt, dass es kaum noch preiswerte Wohnungen in der Berliner Innenstadt gibt. Größere Nachbarschaften mit ‚einfacher Wohnlage‘ innerhalb des S-Bahn-Ringes (schwarze Linie) beschränken sich auf Moabit, Teile von Wedding und Teilen von Neukölln.

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Alles Bio – oder was? Ökologie der Aufwertung

Gentrification wird regelmäßig mit der Durchsetzung von gesundheitsbewussten Lebensstilen in den Städten verbunden. Der „Bionade Biedermeier von Prenzlauer Berg“ hat es sogar bis in die Schlagzeilen der großen Zeitungen geschafft.  Für einen Beitrag in der Zeitschrift politische ökologie habe ich das Verhältnis der städtischen Aufwertungsprozesse und des ökologischen Umbaus unter die Lupe genommen.

Erschienen ist der Artikel in der Schwerpunktausgabe „Post Oil City“ der Zeitschrift politischen ökonomie: Ein ökosoziales Paradoxon – Stadtumbau und Gentrification. In: politische ökologie 124 – Post Oil City, 45-52 (pdf)

Mit der freundlichen Genehmigung der Herausgeber/innen gibt es den Beitrag auch hier zu lesen:

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