Veranstaltungen in Graz

Ich bin zu zwei Veranstaltungen in Graz (Österreich) eingeladen, die sich beide mit der Aufwertung von Stadtteilen auseinandersetzen werden. Ich bin schon jetzt sehr gespannt auf die aktuellen Entwicklungen und Diskussionen dort:

Gentrification – Bleiben wir alle?
07 . Mai 2009 | 19.00 Uhr | rotor |Volksgartenstraße 6a | Graz

„Gentrifizierung“ ist die systematische Aufwertung von Bezirken oder Stadtteilen, die für Investoren unrentabel geworden sind. Steigenden Mietpreisen folgen zahlungskräftige Mieter_innen und so wird in Kauf genommen, dass die angestammte Bevölkerung des Viertels in billige Wohnsiedlungen am Stadtrand verdrängt wird. Meist sind es ältere Menschen und Migrant_innen, die besonders schwer von den Umstrukturierungen betroffen sind.
Entlang des Grazer Lend- und Grieskais – und wohl auch bald in der Annenstraße – ist eine ähnliche Entwicklung im Gange: Neubauten in billigen Gegenden, Umgestaltung und Vereinheitlichung der Straßen. Aber Aufwertung und Attraktivierung für Wirtschaftstreibende, Investor_innen und Tourist_innen hat immer auch eine Kehrseite: Vertreibung.
Eine Gruppe Grazer Soziologinnen zeigt an Hand einer Studie, wie „Gentrification light“ im Mariahilferviertel bisher vor sich gegangen ist und diskutiert, welche Auswirkungen das auf die weitere Entwicklung im Lend und Gries haben könnte. Andrej Holm, Forscher an der Humboldt-Universität Berlin und Aktivist, erklärt, was Gentrifizierung für uns bedeutet und erzählt von seinen Erfahrungen in der Kampagne „Wir bleiben alle!“ in Berlin Prenzlauer Berg.

Lokal Heroes – Wohnen zwischen Individualisierung und Vergemeinschaftung
8. Mai 2009 | ab 15.00 | Die Scherbe | Stockergasse 2 |  Graz

Ein international besetztes Symposion stellt Fragen nach dem Wohnen und dem Wohnbau in Stadtteilen, die urbane Transformationen und Identitätswechsel erleben. Ausgehend von Phänomenen wie dem Zuzug einer kreativen Szene werden sowohl Potentiale alternativer Wohnmodelle der jungen Kreativen einerseits als auch Chancen und Risiken für die alteingesessene oder häufig migrantische Bevölkerung andererseits diskutiert. Anforderungen an eine künftig notwendige Wohnungs(bau)politik in der Stadt werden formuliert.

Berlin: Standesgemäße Dachgeschosse und Townhouses

Mathias Wedel gibt uns in seinem Beitrag im Freitag eine tiefe Einsicht in seine politische Gefühlslage: Das KaDeWe und die Rosinenbomber-Vita. Vordergründig geht es um die nach wie vor bestehenden Disharmonien zwischen Ost und West in Berlin. Beflügelt von der Vorstellung einer Schließung des KaDeWe („Noch schöner wäre es, es würde eines Nachts – sagen wir in der Nacht vom 16. zum 17. Juni, wenn keine Seele mehr im Hause ist, alle Nachbarn und Passanten gewarnt sind und der Verkehr weiträumig umgeleitet wurde – geräuschlos und feinstaubarm in sich zusammenfallen wie das Kölner Stadtarchiv.„) serviert er uns eine dicke Packung des mentalen Wiedervereinigungsfrustes.

Wenn es zusammenfiele, würde ich mir ein Lächeln spendieren, zumindest nicht verkneifen. Das KaDeWe steht für alles, was ich an den Westberlinern – unter anderem an denen, mit denen ich notgedrungen zu tun habe, wobei wir stumm neben­einander her arbeiten, „nett“ zueinander sind, so tun, als hätte es die Mauer nie gegeben, und selbst leiseste Anspielungen auf unsere unterschiedliche, ja gegensätzliche geografisch-politische Herkunft zwanghaft vermeiden – nicht mag: Ihren ­Demokratie-Dünkel, ihre Rosinenbomber-Vita, ihr „Wir waren eingemauert“-Syndrom, ihre großkotzigen Vopo-Geschichten, ihre Altachtundsechziger- und K-Gruppen-Romantik, ihre Kirchgängerei, dass sie „Viertel vor Zehn“ sagen, dass sie immer noch Harald Juhnke nachtrauern, dass sie mich Ostdeutschen nicht leiden können, dass sie mich nötigen, ihnen Honecker-Witze zu erzählen (aber langsam, damit sie sich alles merken können), und dass sie so riechen wie das KaDeWe.

Schlimmer noch als die Westberliner sind eigentlich nur noch die… genau, die Schwaben. Weiterlesen

Hamburg: Zwei Gesichter von Wilhelmsburg

Schlechte Luft…

Seit ein paar Wochen gibt es einen neues Blog zu Wilhelmsburg. Der Arbeitskreis Umstrukturierung Wilhelmsburg (AKU) will sich „kritisch mit den Umstrukturierungen auseinandersetzen, die durch die Hamburger Stadtentwicklungspolitik (IBA Hamburg, Sprung über die Elbe…) in Wilhelmsburg durchgesetzt werden sollen“. Dazu viel Erfolg!

Der erste Blogeinträge zumindest lösen diesen Anspruch ein. Unter dem Titel „Die Insel denen die drauf wohnen – Broschüre online“ gibt es eine kenntnissreiche, informative und lesenswerte Beschreibung der aktuellen Entwicklungen auf der Hamburger Elbinsel (Broschüre pdf). In der Einleitung heisst es:

Wir haben uns Gedanken gemacht über den Wandel der sich zur Zeit in Hamburgs Stadtteil Wilhelmsburg – der Elbinsel – vollzieht. Wir haben versucht, die politischen Weichenstellungen und Umstrukturierungsprogramme, die die „Aufwertung“ des Stadtteils durchsetzen sollen, zu analysieren und deren Auswirkungen nachzuvollziehen. Eine Momentaufnahme einer unsozialen Wohnungs- und Aufwertungspolitik.

Meinen Lieblingssatz habe ich auch schnell gefunden: „Wir wünschen der IBA – von ganzem Herzen – Westwind!„.

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Lesetip: Besetze deine Stadt!

Keine wirkliche Neuerscheinung mehr, trotzdem lesenwert…

Hinter den Barrikaden… Mit Freiräumen gegen die neoliberale Stadt?

Eine Buchbesprechung zu:

Peter Birke; Chris Holmsted Larsen (Hg.) 2008: Besetze Deine Stadt! Bz Din By! Häuserkämpfe und Stadtentwicklung in Kopenhagen.Berlin/Hamburg: Assoziation A

„Angesichts der hohen Geschwindigkeit, mit der sich die soziale Struktur der europäischen Großstädte aktuell verändert, angesichts des Gefälles zwischen Arm und Reich, das in diesen Veränderungen immer größer wird, des ‚kleinräumigen‘ Nebeneinanders von Boom und Ausgrenzung, Potentialen und Repression ist die Perspektive unwahrscheinlicher geworden, dauerhaft unberührte Inseln der Selbstverwaltung schaffen zu können. Aber gleichzeitig ist die Möglichkeit gewachsen, den Rausch der Inwertsetzung und Aufwertung stören und (…) relativ weitgehende Forderungen durchsetzen zu können“ (Peter Birke 2007: 15)

Im Frühjahr 2007 erschütterten Demonstrationen und Barrikadenkämpfe gegen die Räumung eines unabhängigen Jugendzentrums die dänische Hauptstadt Kopenhagen. Das Ungdomshuset wurde über die Grenzen Dänemarks zum Symbol für den Kampf um Freiräume und gegen die zunehmende Kommodifizierung der Stadtentwicklung. Peter Birke und Chris Holmsted Larsen nutzten die Gelegenheit um mit dem, von ihnen herausgegebenen Band „Besetze Deine Stadt! Bz Din By!“ eine Analyse der städtischen Protestbewegungen vorzulegen. Konkreter Anlass sind die heftigen Auseinandersetzungen um das Ungdomshuset. Doch hinter den gerade verflogenen Rauchwolken und Tränengasschwaden versuchen sie, die historischen und stadtpolitischen Zusammenhänge der Mobilisierungen zu deuten.

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Berlin: Wohnungspolitik zum 1. Mai

Auch wenn die Vorberichterstattung zur herbeigeschriebenen Randale am 1. Mai immer wieder versuchte, einen Zusammenhang zu den sich zaghaft entwickelnden Protesten gegen Stadtumstrukturierung und steigende Mieten herzustellen: der 1. Mai in Berlin war kein wohnungspolitischer Kampftag. Jedenfalls nicht in erster Linie. Doch ein paar Spuren haben die stadtpolitischen Auseinandersetzungen der letzten Monate hinterlassen.

Auf indymedia gibt es einen Hinweis auf eine hübsche Aktion in Kreuzberg. Berlin: Radikaler Wandel der Wohnungspolitik. An mehren umstrittenen Bauprojekten wurden Plakete mit den Bildern der Stadtentwicklungssenatorin (Junge-Reyer, SPD) und des Wirtschaftssenator (Wolf, Die Linke) und Schriftzügen „Wir machen ernst mit der sozialen Stadt“ und „Jetzt wird Berlin richtig rot“ angebracht, die eine Enteignung der Grundstücke bekanntgaben. Im Text heisst es:

Wie aus sicherer Quelle bekannt wurde, hat der rot-rote Senat in Berlin pünktlich zum Kampftag der Arbeiterklasse einen radikalen Wandel in seiner bisherigen neoliberalen Wohnungspolitik vollzogen. So wurden in Kreuzberg und angrenzenden Bezirken mehrere Neubauvorhaben gekennzeichnet, die deren Enteignung und Vergabe an Hartz-IV Bezieher_innen ankündigt.

Schön in diesem Zusammenhang auch: die Stadtentwicklungssenatorin (die findet, dass es für jeden Geldbeutel eine würdige Wohnung gibt) auf der May-Day-Parade:

May-Day, Berlin 2009

May-Day, Berlin 2009 (Danke Yan!)

Berlin: 1. Mai, Gentrification und Panikmache

Seit ein paar Tagen überschlagen sich die Berliner Tageszeitungen mit Vorberichten zum 1. Mai und schreiben die Randale herbei. Insbesondere der Tagesspiegel tut sich dabei mit wilden Spekulationen und vorgeblichen Insiderberichten hervor: Polizei steht schwierigster 1. Mai seit Jahren bevor, Autonome in Berlin: Militante Managerschule.

Aber auch die anderen Zeitungen stehen dem in nur wenig nach. Berliner Morgenpost: Randal-Gefahr, BZ: Randale-Angst… Auch im Politmagazin Kontraste gibt es einen Hntergrundbeitrag zum Thema: Brandanschläge in Berlin – auf Spurensuche in der linken Hauptstadtszene (Video)
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Berlin Kreuzberg: Verdrängungsangst und Protestoptimismus

In der taz von heute gibt es einen längeren Beitrag zu den Aufwertungsentwicklungen in Berlin Kreuzberg. Gentrifikation in Kreuzberg. Die Furcht vor der Verdrängung. Christoph Villinger beschreibt an am Beispiel eines Mietshauses in der Katzbachstraße  die Folgen von Modernisierungmaßnahmen und die Effekte der steigenden Neuvermietungsmieten. Nicht nur der von der taz befragte Mieter Norbert Arndt macht sich Sorgen um die künftige Entwicklung des Stadtteils:

Immer mehr Kreuzberger stellen sich wie Norbert Arndt die Frage: was tun? Anders als in den Schickimicki-Kiezen in Mitte und Prenzlauer Berg steht den Mietern in der Katzbachstraße nicht einmal eine Milieuschutzverordnung zur Seite. Doch auch wenn man in einem Milieuschutzgebiet wie rund um die Wrangelstraße im östlichen Kreuzberg lebt, ist es schwierig, sich juristisch gegen ungewollte Modernisierungen zu wehren.

Doch da, wo juristisch nichts mehr geht, bleibt immer noch der Protest. Sigmar Gude, Stadtplaner von Topos und seit Jahren mit den Entwicklungen in Kreuzberg befasst, gibt sich optimistisch:

Immerhin ist Stadtsoziologe Sigmar Gude davon überzeugt, dass den Kreuzbergern ein ähnliches Schicksal wie den ehemaligen Anwohnern des Kollwitzplatzes erspart bleibt. „In Kreuzberg“, nennt er den Grund für seinen Optimismus, „gibt es viel zu viel Widerstände gegen eine Aufwertung“.

Hinzu komme die Multikulti-Mischung im Kiez. Gude wörtlich: „Das Bionade-Biedermeier kann hier keine vollständig befreiten deutschstämmigen Zonen schaffen wie in Mitte oder in Prenzlauer Berg“. Das sei auch den Wohnungssuchenden bewusst, die mit einer der schick sanierten Wohnungen liebäugelten. Nach Kreuzberg, meint Gude, kommen vor allem Leute, die mit dieser Mischung leben könnten. „Als Besitzer eines hochwertigen Autos würde ich in der Wrangelstraße nicht ruhig schlafen können.“

Den Weg der individuellen Lösung der Wohnungsfrage gehen jedoch oft die aus dem Alternativmilieu emporsteigenden Baugruppen…

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Hamburg: „Das schlechte Gewissen des Reichtums heißt von jeher Sanierung“

Einen bemerkenswerten Artikel gibt es in der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung: Stadt der Tiefgaragen. In dem Beitrag geht es um die Sanierung am Valentinskamp im Hamburger Gängeviertel.

Die Süddeutsche Zeitung nimmt die Sanierungspläne zum Anlass für eine sehr grundsätztliche Kritik an der Sanierungspolitik der Hansestadt und ordnet die aktuellen Pläne in die Geschichte einer revanchistischen Stadtpolitik ein:

Hamburg ruiniert das urbane Gängeviertel – und nennt das ¸¸Sanierung‘. (…)  Große Städte schämen sich ihrer Arbeiterkultur wie einer schmutzigen, unsittlichen Herkunft. Die Erinnerung an die engen, übervölkerten Quartiere, in denen die Menschen lebten, die den Wohlstand der Stadt erarbeitet haben, wurden im Laufe der Stadtplanungsgeschichte erst hinter Prachtfassaden versteckt, dann Schritt für Schritt ganz zerstört.

Ihm folgten Legionen von Stadtplanern, mal eher feudal, mal eher revolutionär denkend, mal faschistisch, mal bürgerlich-modern geprägt, die mit den immer gleichen hygienischen und pseudo-sozialen Argumenten die Geschichte der Städte entsorgten. Das unverfängliche Wort für dieses schlechte Gewissen des Reichtums heißt von jeher „Sanierung“.

Es ist vor allem Verlust von Urbanität der von der Süddeutschen Zeitung befürchtet wird und die Perspektrive auf die künftige Bewohnerschaft ist nichte gerade liebevoll:

Zwar wird in Hamburg schon seit Jahrzehnten geklagt, dass das Zentrum nach Geschäftsschluss vollkommen ausgestorben ist, aber ebenso konsequent wird hier – wie in vielen anderen Großstädten auch – Künstlern, Galeristen, Studenten, Kneipiers, originellen Einzelhändlern und allen anderen Menschen, die eine Stadt jung und abwechslungsreich halten, jede Grundlage entzogen, sich zu annehmbaren Preisen anzusiedeln und auszutoben. Die Klientel, die man mit teurem Wohn- und Büroraum in die Innenstadt holt, bevölkert aber bekanntermaßen nur Tiefgaragen und Dachterrassen.

Das zentral gelegene Gängeviertel war traditionell des Arme-Leute-Viertel von Hamburg und seit den 1930erJahren seit Ende des 19. Jahrhunderts Ziel verschiedene Stadterneuerungswellen. .. Weiterlesen

Kollwitzplatz: Gehen, Bleiben, Vergehen

Im Tagesspiegel von morgen gibt es einen Veranstaltungsbericht zur Diskussion vom Montag („Kollwitzplatz: Aufwertung oder Gentrification?“):  Kollwitzplatz: Prekäres Paradies. In dem Beitrag wird die dort geführte  Debatte recht ausführlich beschrieben:

Am Kollwitzplatz ist nach langjähriger Sanierung ein Wohlfühlkiez entstanden – doch der hat seinen Preis. Jetzt wird darüber gestritten, ob hier „Verdrängung“ oder ein „moderater Wandel“ stattgefunden hat.

Anette Gröschner hat ihre Position in diesem Streit schon gefunden. Im Freitag-Blog ist ihr hübscher Beitrag „Das Vergehen der Bier-Boheme“ zu lesen. Darin heisst es:

Würde man nachforschen, wer von den Leuten auf dem Foto der Mieterdemonstration „WBA – Wir bleiben alle“ 1993 vor dem Roten Rathaus noch im Viertel wohnt, das Resultat wäre ernüchternd. So entzündet sich der Streit der Kritiker und Befürworter des Sanierungsprozesses daran, ob es in einer Großstadt ein Erfolg ist, wenn nach 15 Jahren Sanierungsgebiet noch 17,3 Prozent der Bewohner in derselben Wohnung wie 1993 leben. Die kulturelle Entwicklung von der Bier-Boheme zum Bionade-Biedermeier hat die Politik der behutsamen Stadterneuerung nicht aufgehalten, im Gegenteil. Das Sanierungsgebiet Kollwitzplatz ist ein Musterbeispiel für Gentrifizierung. Profitiert haben die gut verdienenden Neu­zugezogenen, die hier in den vergangenen Jahren Familien gegründet haben. Wer in pastellfarbenen Wohnhäusern wohnen will, darf nicht grau aussehen.

Schade drum, es hätte so schön werden können… Doch in den aktuellen Rückzugsgefechtendebatten um das Ende der Stadterneuerung geht es kaum noch um die Forderungen der Vergangenheit, sondern vor allem um die Fragen des Gehens, Geblieben und  Gegangenworden seins… Der Bericht im Tagesspiegel zeigt schön auf, wie die einzelnen Protagonist/innen der Debatte es immer wieder schaffen aneinandervorbei zu reden oder aus der Perspektive einer „subjektiven Emperie“ (Theo Winters) zu argumentieren.  So ist es eigentlich ein Gebot der Logik auf die Beschreibung von indirekten Verdrängungsprozessen (die in den steigenden Preisen von neuvermieteten Wohnungen begründet liegen) nicht mit einer Darstellung der vielen freiwilligen individuellen Fortzüge zu kontern um damit zu ‚beweisen‘ dass es keine Verdrängung gegeben habe:

Laut PfE-Studie liegt die durchschnittliche Nettokaltmiete am Kollwitzplatz bei erträglichen 5,50 Euro pro Quadratmeter – auch dank langfristiger Mietpreisbindungen. 9 Euro müsse jedoch berappen, wer heute neu in den Kiez ziehen will. „Das ist zumindest indirekte Verdrängung“, so der derzeit in Frankfurt am Main forschende Holm. Geringverdiener fänden kaum noch bezahlbare Wohnungen.

Anders als sein Schüler Holm weigert sich Häußermann, von Gentrifizierung überhaupt noch zu sprechen – das sei ein „politischer Kampfbegriff“ geworden. Der soziale Wandel habe sich im Kiez relativ moderat vollzogen, „auch wenn das der allgemeinen Wahrnehmung widerspricht“, so Häußermann. Das Gros der Weggezogenen seien „Flüchtlinge“ – Menschen, die freiwillig gegangen sein. (…) Häußermann beschrieb derweil auch die andere Seite. „Die Vertriebenen gibt es auch“, so der Soziologe. „Leute wurden aus ihren Wohnungen gemobbt – oder einfach herausgekauft.“ Viele Einzelfälle, aber eben nicht die Regel.

Der Grünen Bezirksverordnete Peter Brenn hat seine ganz eigenen Argumentation gefunden, um die ‚Mär von der Verdrängung‘ ein für allemal zurückzuweisen:

„Vor der Sanierung war das hier eine andere Welt. Ich habe im Winter Heizstrahler aufgestellt, damit das Klo nicht einfriert.“ Um besser wohnen zu können, habe er wie viele andere Prenzlauer Berg verlassen. Von „Verdrängung“ könne nicht die Rede sein.

Auch Theo Winters vom Sanierungsbeaufragten S.T.E.R.N. wehrte sich auch gegen eine allzu negative Beurteilung der vergangenen Jahre und widersprach der These Prenzlauer Berg entwickle sich zu einem zweiten Steglitz-Zehlendorf.

„Die Einkommen erscheinen zwar hoch, aber sie sind prekär.“ Noch sei offen, wie hart die Wirtschaftskrise die Selbständigen und Freiberufler am Kollwitzplatz treffen werde.

Na dann wohl an, vielleicht rettet ja die Finanzkrise den leicht angeschlagenen sozialen Ruf der Behutsamen Stadterneuerer.

Kollwitzplatz: Aufwertung oder Gentrification?

Unter den Fragestellung „Kollwitzplatz: Aufwertung oder Gentrification?“ fand am Monatg (27.04.09) eine weitere Veranstaltung im Rahmen der Ausstellung zur Aufhebung der Sanierungssatzung im ehemaligen Sanierungsgebiet Kollwitzplatz in Berlin Prenzlauer Berg statt.

Auf der Basis der abschließenden Sozialstudie von PFE (siehe hier im gentrificationblog) diskutierten verschiedene Expert/innen und Sanierungsbeteiligte über die Einschätzung des Wandels in den vergangenen 15 Jahren. Erwartungsgemäß waren die Positionen sehr unterschiedlich und reichten von der Einschätzung einer „sozialen Stabilisierung“ (Hannemann/ S.T.E.R.N.) und eines „moderaten Wandels“ (Prof. Häußermann) über das obligatorischen „halbvolle Glas“ (Winters/S.T.E.R.N.) und bishin zum Gentrificationbefund (ich selbst).

Das Zitat des Abends landete Wolf Schulgen (Abteilungsleiter bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung): Die ganze Sanierung sei ein voller Erfolg, denn ganz offensichtlich fühlen sich die Leute hier ja wohl. Der Kollwitzplatz sei durch die Stadterneuerung zu einem lebenswerten Kiez geworden und auch Probleme mit den steigenden Mieten sind nicht wirklich dramatisch. Schließlich gibt es in anderen Gebieten der Stadt ja preisgünstige Alternativen. Wen Herr Schulgen wohin schicken will, wenns in Prenzlauer Berg mal knapp wird mit der Mietzahlungsfähigkeit, hat er uns auch verraten: „… ist die Platte denn unzumutbar? Die war doch früher auch ganz beliebt bei denen.“

Einen ausführlichen Veranstaltungsbericht gibt es in den nächsten Tagen. Hier schon mal eine Zusammenfassung meines eigenen Statements. Einiges ist aus der Logik der Veranstaltung besser zu verstehen, anderes ist hoffentlich auch so verständlich.

Podiumsdiskussion: Ergebnisse von 15 Jahren Stadterneuerung – Gentrifcation oder Aufwertung? (Kollwitzplatz, 27.04.2009)

Statement zur Sozialstudie Kollwitzplatz 2008 (Andrej Holm)

Die Veränderungen im Sanierungsgebiet Kollwitzplatz weisen die klassischen Verlaufsformen und Merkmale einer Gentrification auf. Ich gehe auf diese in den Stadterneuerungsdiskussionen der vergangenen Jahre umstrittene Einschätzung ein, weil ich glaube, dass über eine solche Analyse Schlussfolgerungen für die Verantwortung der Sanierungspolitik und eine notwenige Nachsorge im Sanierungsgebiet getroffen werden können.
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