Hamburg: Aufwertungskaskade

Die Hamburger Eliten reden ja gerne von der „Wachsenden Stadt“ und viele stadtpolitische Entscheidungen orientieren sich an den umworbenen Neubewohnern und neuen Unternehmen. Eine Folge solcher untenehmerischer Orientierungen sind Aufwertungen von ganzen Stadtvierteln, in denen die Mieten steigen und Verdrängungsprozesse befürchtet werden. Ein aktuelles Beispiel solcher Aufwertungen stellt das Schanzenviertel dar. In der Süddeutschen Zeitung gibt es einen ausführlichen Artikel über die aktuellen Entwicklungen: Ein bisschen edel, aber noch derb genug.

Das frühere Schlachthof-Viertel hinter dem St.Pauli-Stadion hat sich in wenigen Jahren zum exquisiten Quartier entwickelt. „Wenn du sagst, du lebst in der Schanze, klingt das automatisch cool“, sagt er. „Es wird zwar ein bisschen edel, aber es ist noch derb genug.“ Noch vor wenigen Jahren war es zu derb. Als sich eine offene Drogenszene ausbreitete, zogen Familien weg…

Noch vor einem Jahr beklagte das Hamburger Abendblatt die „Feindliche Übernahme der Latte-Fraktion“ in St.Georg, Ottensen und Eimsbüttel, aktuell scheint die Aufwertungswelle zum Sprung über die Elbe nach Wilhelmsburg anzusetzen.
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Kreuzberger Mischung?

Das Berliner Programmmagazin Zitty hat in der aktuellen Ausgabe den „Kampf um Kreuzberg“ ausgerufen und auch gleich wieder für beendet erklärt. Auch wenn der Beitrag viele Informationen über die Mietentwicklungen bietet, den zentralen Konflikt sieht Autor Martin Hildebrandt in der Auseinandersetzung um eine Handvoll mehr oder minder hipper Läden in Kreuzberg: „Auf der einen Seite linke Revolutionäre, die alles verdammen, was mit Kapitalismus zu tun hat. (…) Auf der anderen Seite finanzstarke Investoren, die Kreuzberg entwickeln wollen, so nennen sie es. Und zwischen allen Stühlen sitzen die Zwischennutzer, die prekär Selbstständigen, die mit ihren kleinen Bars, Läden und Agenturen den Spagat wagen und an einen dritten Weg glauben.“ Und wenig verwunderlich will die ZItty möglichst alle Stühle bedienen und wärmt das etwas altbackene Bild der „Kreuzberger Mischung“ auf:

Was wird aus dem Kampf um Kreuzberg? Kreuzberg wird kein Christiania für Großstadthippies, aber auch kein Soho für Kunstmillionäre. Es wird weiterhin ein Ort für gegensätzliche Lebensentwürfe bleiben, egal welche Pläne und Träume Einzelne verwirklicht sehen wollen. Das liegt vor allem an seinen Bewohnern, die sich stärker mit ihrem Bezirk verbunden fühlen als alle anderen Berliner. Trotz des Wandels, im Kern ist Kreuzberg immer gleich geblieben. Solange es linke Utopisten gibt, die gegen das Kapital ankämpfen, und Unternehmen, die trotzdem noch in Kreuzberg investieren, braucht man sich keine Sorgen zu machen. Die Kreuzberger Mischung überlebt.

Schön, dass es doch noch ein paar Leute gibt, die sich Sorgen machen und gegen die unverkennbaren Aufwertungstendenzen mobilisieren. Einen ausführlichen und lesenswerten Beitrag gibt es auf Indymedia zu lesen: Steigende Mieten und Widerstand. Weiterlesen

Kneipensterben und neue Gastronomien

Auf Spiegel Online gibt es einen hübschen Artikel zur Veränderung der gastronomischen Infrastruktur in Prenzlauer Berg zu lesen: „Berliner Kneipen-Sterben: Sushi statt Schnaps, Brunch statt Bulette„. Aus der Perspektive eines langjährigen Eckkneipenwirts werden die neuen Bars und Restaurants betrachtet und das langsame Fernbleiben der Stammkundschaft beschrieben.

Voigt ist der Wirt des „Willy Bresch“ gegenüber – einer Berliner Eckkneipen-Institution seit über 40 Jahren. Sein Großvater gab der Gaststätte den Namen, später übernahm sein Vater, seit sieben Jahren führt Voigt Junior den Laden. Und von Tag zu Tag wird ihm klarer, dass er der Vertreter einer aussterbenden Spezies im Szene-Bezirk Prenzlauer Berg ist. Gefragt nach weiteren original Berliner Kneipen wie seiner winkt Voigt nur ab. „Die alten Kneipen im Kiez sind alle weg, auf der ganzen Schönhauser Allee gibt es keine einzige mehr.“

Mit der Verdrängung der früheren Bewohnere/innen verschwinden auch deren Traditionen, so das Fazit des Artikels.

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Berlin Moabit: tip schreibt Aufbruch herbei

Jan Poppenhagen (www.jpoppenhagen.de)

Jan Poppenhagen (www.jpoppenhagen.de)

Die Berliner Programmzeitschrift tip titelt ihr aktuelle Ausgabe mit: Moabit – ein Stadtteil zwischen Absturz und Aufbruch. Auf der Titelseite ist ein verfälschtes Motiv des Fotographen Jan Poppenhagen zu sehen. Statt der rauhen Fotorealistik seiner Arbeiten mit Moabiter Jugendlichen ist eine hippe junge Frau zu sehen, die offensichtlich für den herbeigeschriebenen Aufbruch des Bezirks stehen soll. Im Impressum findet sich ein “Dank an Jan Poppenhagen, dessen Bildidee wir freundlicherweise übernehmen durften”. Susanne Torka nimmt auf MoabitOnline auf eine Mail des Fotographen Bezug:

Er stellt klar, dass er das Titelbild nicht fotografiert hat und dem “tip” auch nicht erlaubt hat, seine Idee zu kopieren. Im Gegenteil das “weichgespülte” Foto gefällt ihm überhaupt nicht.

Doch nicht nur das verfälschte Foto löst Diskussionen aus. Auf den Seiten MoabitOnline hat eine muntere Diskussion über das Für und Wider von Gentrification in Moabit begonnen. Weiterlesen

Berlin: Verdrängungsmotor Hartz-IV

Der in Berlin erscheinende Tagesspiegel berichtet heute über die geplante Reform der „Ausführungsvorschrift Wohnen“. Darin werden die sogenannten Richtwerte für die „angemessenen Wohnkosten“ von Hartz-IV-Empfänger/innen festgelegt. Laut Tagesspiegel ist für Einpersonenhaushalte eine Erhöhung dieser Richtwerte von 5 Prozent geplant – das entspricht dann 378 Euro statt bisher 360 Euro für die monatliche Bruttowarmmiete. Der Titel Hartz-IV-Empfänger bekommen mehr Geld grenzt jedoch an den Tatbestand der bewussten Irreführung. Zum einen werden ja nur die tatsächlichen Wohnkosten übernommen, so dass die korrekte Überschrift hätte lauten müssen: Vermieter dürfen mehr Miete von Hartz-IV-Mieter/innen verlangen. Zum anderen hat der Tagesspiegel in seinem Bericht das wichtgste Element der Neuregelungen fast übersehen. Im Text heisst es:

Koalitionsintern ist das Maß der Erhöhung noch umstritten. Die Linke fordert mehr als fünf Prozent und möchte die Zweipersonen-Haushalte einbeziehen. Außerdem versucht Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linke), Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) einen gesonderten Heizkostenzuschlag für alle Hartz- IV-Empfänger abzuhandeln. Im Gegenzug ist sie bereit, die in Berlin geltende Regelung aufzugeben, nach der die Mietkosten ein Jahr lang ungeprüft übernommen werden. Erst dann wird kontrolliert, ob die Wohnkosten den amtlichen Richtwerten der „AV Wohnen“ entspricht.

Dieses eine Jahr Schonfrist hat bisher dafür gesorgt, dass es in Berlin relativ wenige Umzugsaufforderungen und Zwangsräumungen gab. Denn den Sozialstatistiken zu Folge ist im erste Jahr die Chance auf einen neuen Job am größten. Viele Hartz-IV-Empfänger/innen sind weniger als ein Jahr auf die Transferleistungen angewiesen. Fällt die bisherige Ein-Jahres-Regelung, wird sich die Zahl der Aufforderungen zur Kostensenkung der Wohnkosten deutlich erhöhen, Damit werden sich auch die Umzüge aus ‚zu teuren‘ Wohnungen erhöhen. Vor allem in den Aufwertungsgebieten mit überdurchschnittlichen Mietpreisen ist also mit einem verstärkten Verdrängungsdruck durch die neuen Regelungen zu rechnen. Die sonst von der Berliner Politik so gefürchteten Segregationstendenzen werden verstärkt und Prenzlauer Berg und Mitte werden zu Hartz-IV-freie Stadtgebiete mutieren. Denn 18 Euro mehr oder weniger spielen bei den derzeitigen Mietpreisentwicklungen in diesen Gebieten keine große Rolle.

Creative Class: Trüffelschweine der Aufwertung

Unter dem Titel »Creative Class in Berlin« stellte Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) kürzlich eine Studie des Instituts für Stadt- und Regionalplanung der Technischen Universität über die Berliner Kreativwirtschaft vor. Über den Mythos der Kreativität in Stadtenwicklungsprozessen ist schon viele geschreiben und gesagt worden. Dass die für Stadtentwicklung zuständige Senatorin nun ausgerechnet eine Studie vorstellt , die vom Immobilienunternehmen Orco Germany und der Berlin Partner GmbH beauftragt wurde, zeigt zumindest deutlich welche Interessengruppen die Debatte um die ‚creativ city‘ in Berlin bestimmen. Unter dem Titel „Pioniere der Szeneviertel. Studie zum Standortverhalten von Kreativunternehmen“ gibt es in der aktuellen Ausgabe des Neuen Deutschland eine kurze Zusammenfassung der Studie zu lesen:

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Berliner Luxuswohnen: Richtfest mit Prominenz

Die Kastanienhöfe in Berlin Prenzlauer Berg werben mit einer „exklusive Wohnqualität in ruhiger, zentraler Lage“. In 8 Townhäusern und vier sogenannten Atelierhäusern sollen etwa 40 hochwertige Eigentumswohnungen entstehen. Der Preis für das exklusive Wohnen liegt bei etwa 3.000 Euro je Quadratmeter. Das Projekt Kastaniengärten steht damit in einer Reihe mit anderen Bauvorhaben für in sich geschlossenen Luxuswohnprojekte in den Innenstadtbezirken. Das Projekt wird von der Kastaniengaerten Grundstuecksentwicklungsgesellschaft mbH zusammen mit den Architekten becher+rottkamp in der Schwedter Straße 41-43 an der Bezirksgrenze zwischen Mitte und Prenzlauer Berg umgesetzt. Nach Eigenaussagen der Investoren sind bereits 60 Prozent der Wohnungen verkauft.

Um noch mehr Aufmerksamkeit bei potentiellen Erwerbern zu erzielen, wird für Freitag, den 31. Oktober 2008 zu einem pompösen Richtfest mit prominenten Gästen eingeladen. In einer Ankündigungen heißt es:

Einladung zum Richtfest in den Kastaniengärten

Am Freitag, dem 31. Oktober 2008, Start 15:00 Uhr

Auf einem ca. 3.000 Quadratmeter großen Gründstück in begehrter Lage in der Schwedter Straße 41-43 in 10435 Berlin Prenzlauer Berg entsteht das Neubau-Wohnprojekt “Kastaniengärten”, Stadthäuser, 23 hochwertige Eigentumswohnungen plus weitere 20 Maisonette-Wohnungen, Gärten und 49 Tiefgaragenstellplätze, zu erwerben über unsere Holtz Immobilien GmbH. Die Wohnungsgrößen liegen zwischen ca. 71 m² bis ca. 182 m². Preise der Wohnungen belaufen sich zwischen 200.000 Euro bis ca. 540.000 Euro. Der Rohbau ist fertig und gemeinsam mit dem Bauherrn laden wir Sie zum Richtfest auf der Baustelle ein. Der Regierende Bürgermeister von Berlin Klaus Wowereit hat seine Teilnahme angekündigt und wird ein Grußwort an die Bauschaffenden richten.
Die Teilnahme ist kostenlos. Wir bitten aber um Anmeldung, telefonisch oder per E-Mail: info@holtz-estate.net.

Die AnliegerInitiative Marthashof (AIM) hat die Gelegenheit genutzt um mit einem offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister darauf Aufmerksam zu machen, dass „dieses Projekt (wie auch die benachbarten rechts und links der „Kastaniengärten”) von einer Vielzahl von Bürgern keineswegs willkommen geheißen wird, und wir es somit als ausge­schlossen betrachten, dass Sie dessen Investoren in unserem, der Bürger und Nachbarn Namen willkommen heißen können.“

Der Offene Brief im Wortlaut:

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Schöne Neue Stadt – Gentrification in der Provinz?

Veranstaltungspodium Graz, 23.10.2008

Veranstaltungspodium Graz, 23.10.2008

Unter der Fragestellung Gentrification in der Provinz? fand am 23.10. 2008 auf Einladung des KPÖ-Bildungsvereins eine Diskussion mit Gottfried Prasenc von den lokal hereos und Michael Redik vom Stadtplanungsamt statt. In der Einladung zur Veranstaltung hieß es:

Graz verändert sich in einem rasanten Tempo. Frühere ArbeiterInnenviertel wie der Lend werden aufgewertet. Von vielen wird das positiv gesehen, meist wird jedoch unterschlagen, dass die bisherige Bevölkerung in den neuen, schicken Stadtteilen keinen Platz mehr findet. Gentrification wurde in der Vergangenheit als Aufwertung und Verdrängung in den Innenstädten der großen Metropolen verstanden. Erleben wir das auch in Graz? Wie kann diesen Entwicklungen entgegengewirkt werden. Wie sieht eine soziale und integrative Stadtentwicklung aus?

Für alle mit viel Zeit und Interesse an ausführlichen Einführungsvorträgen gibt es im Audioportal Freier Radios einen Mitschnitt von der Veranstaltung: Gentrification in der Provinz (64 min.).

Kreuzberg: Aufwertung ohne Fast-Food

Dass Mietsteigerungen und Aufwertungen auch um Kreuzberg keinen Bogen machen, wurde hier im gentrification blog schon an der einen oder anderen Stelle beschrieben: steigende Mietpreise im Reichenberger Kiez, Car Loft und Zwangsversteigerungen bestimmten die Schlagzeilen auf Webseiten und linken Postillen. Ganz anders die Berichterstattung der Mainstreampresse. Die Welt hat den Kiezkampf für sich entdeckt, doch Mieten und Investitionen spielen dabei keine Rolle. Statt dessen geht um Hassattacken gegen US-Fastfood-Ketten. Im dem Medium üblichen Alarmismus wird eine eingeschlagene Scheibe und eine gesprühte Parole am neuen Sandwichladen der Subway-Kette zur Schlagzeile „Extremisten zertrümmern Existenz eines Kleinunternehmers in Kreuzberg“ hochgepusht. Andere sprechen sogar von Terror in Kreuzberg und

hoffen, daß sich die Tendenz zur Aufwertung (Gentrification) dieses Bezirks fortsetzt und der Terror gegen Gastronomen nur das letzte Aufbäumen der linksradikalen Szene darstellt.

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Barcelona: Widerstand gegen Aufwertung

Barceloneta (Oosoom, GNU Free Documentation License)

Barceloneta (Oosoom, GNU Free Documentation License)

Eingeladen vom Goethe-Institut konnten verschiedene stadtpolitische Initiativen aus Berlin nach Barcelona reisen und dort mit Aktivist/innen aus der katalanische Hauptstadt in einen Erfahrungsaustausch treten. Unter dem Motto „Urbaner Raum – Bürgerraum“ fanden vom 13. bis 17. Oktober verschiedene Workshops und Veranstaltungen statt. Mit dabei unter anderem die Initiative Media Spree versenken!, das MietshäuserSyndikat und der Multikulturelle Nachbarschaftsgarten Neukölln.

Aus Barcelona beteiligten sich verschiedene Hausprojekte (Magdalenes und Can Masdeu) und Nachbarschaftsinitiativen (plataforma d’afectats en defensa de la barceloneta) an den Veranstaltungen und stellte ihre Projekte und Initiativen vor. Auf der Webseite des Diari de Barcelone gibt es einen hübschen Bericht der „Deutschen Kulturnachrichten“ zu der Veranstaltungswoche.

Besonders spannend war der Besuch im Stadtviertel Berceloneta… Weiterlesen