Hamburg: Polizeigewalt gegen Stadtteilprotest

Die Kriminalisierung von Stadtteilprotesten ist an sich nichts Neues, doch die Unverhältnismäßigkeit gegen den vom Aktionsnetzwerk gegen Gentrification organisierten „Landgang durch die Sonderrechtszone“ in St. Pauli weist eine neue Qualität auf.

Über 100 Menschen beteiligten sich am Abend des 20. August an einem alternativen, aktionistischen Stadtteilrundgang durch St. Pauli um über steigende Mieten, Polizeischikanen gegen Transsexuelle, die Verdrängung der Clubkultur durch Eventgastronomie und rassistische Alltagspraxis von Polizei und VermieterInnen zu informieren. Am Ende des happeningartigen Umzuges kam es zu einem brutalen Polizeieinsatz und Festnahmen. [Berichte auf Indymedia und in der taz-Hamburg]

In einer Stellungnahme des Aktionsnetzwerkes heißt es:

Das Netzwerk „Es regnet Kaviar“ wird sich durch diesen Überfall nicht einschüchtern lassen: Wir werden in Zukunft häufiger Stadtteilrundgänge durchführen! Wir fordern die Polizei auf, die Namen der Polizeischläger zwecks Anzeige rauszurücken und sich von diesen Gewalttätigkeiten zu öffentlich zu distanzieren!

Das traurige Ende des Stadtteilspaziergangs gibt aber Anlass, auf den neuen Blog des Netzwerk „Es regnet Kaviar“ hinzuweisen: Viel Erfolg dem Es-regnet-Kaviar Weblog! Mehr Informationen zu den Veränderungen in St. Pauli finden sich auch bei Kölibri: „Aufwertung – für wen?

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Harlem: Aufwertung durch Uni-Campus

Auch die Welt-Online greift die Veränderungen in Harlem in einem Artikel auf: „Die aktuelle Front heißt 125. Straße“ . Die Beschreibungen im Text von Hannes Stein bestätigen die Aufwertungshypothese:

„Block um Block erobern Familien des Mittelstandes den einstigen New Yorker Problembezirk Harlem. Die Alteingesessenen wehren sich“

Als ein Motor der Veränderungen wird der Ausbau der Columbia University (CUNY) beschrieben:

„Die 125. Straße gilt als neue Grenze: Alles, was oberhalb liegt, ist angeblich noch Arme-Leute-Zone, alles unterhalb wird schon von den jungen Leuten geprägt, die an der nahebei gelegenen Columbia University studieren. In Wahrheit wimmelt es aber auch oberhalb dieser imaginären Grenze von Baustellen und Häuserfassaden, die von Gerüsten zugedeckt sind. Im Prenzlauer Berg in Berlin sind Straßenzüge zu besichtigen, die kaputter wirken als alles, was Black Harlem dem Auge des erstaunten Gastes zu bieten hat. In der Mitte von Harlem erhebt sich ein Märchenschloss, das so aussieht, als sei es just so spitzgiebelig, wie es dasteht, original vom Disneykonzern entworfen worden. Es handelt sich um den Campus von CUNY, der City University of New York.“

Mehr zum Thema gab es kürzlich auch hier im Gentrificationblog zu lesen: Harlem bald reich und weiss?

Radio F.R.E.I. | Erfurt und der öffentliche Raum

Programmhinweis: Das unabhängige und selbstorganisierte Radio F.R.E.I. in Erfurt sendet morgen Abend (26. August) eine Sondersendung „Wem gehört die Stadt?“ aus dem öffentlichen Raum. Hintergrund ist die geplante Umsetzung einer umstrittenen Innenstadtverordnung, die den nichtkommerzialisierten Alkoholkonsum im öffentlichen Raum ebenso verbieten will wie das Treffen größerer Gruppen oder das aktive Betteln. Kritiker befürchten, dass die Innenstadt zur Kulisse eines Freiluftmuseum für Touristen umgestaltet und die Orte und Plätze der Subkultur zugunsten einer Postkartenkulisse verdrängt werden sollen.

Alle, die mehr über diesen Konflikt erfahren wollen, sollten am Dienstag, den 26. August zwischen 21 und 24 Uhr bei Radio F.R.E.I. hineinhören: In Erfurt und Umgebung ist die Sendung auf UKW 96,2 MHz zu empfangen und für alle anderen gibt es einen Livestream im Internet.

Notting Hill: mehr als eine Filmkulisse

Notting Hill, bekannt geworden unter anderem durch den gleichnamigen Film mit Hugh Grant und Julia Roberts, ist eines der klassischen Beispiele für Gentrificationprozesse. Ein Artikel im Tagesspiegel erklärt, warum der Film dem Viertel den Rest gab: „Heute wird kaum noch über schöne Literatur geredet, nur noch über Immobilienpreise“:

An zwei der drei Ecken gegenüber der Kirche liegen Maklerbüros, da wird ein Zweizimmer-Souterrain-Apartment für 399 000 Pfund (483 000 Euro) angeboten, eine Vierzimmerwohnung mit Dachterrasse kostet 2,25 Millionen Pfund (2 839 224 Euro). An der dritten Ecke ist ein Schuhladen, in dem war Madonna auch schon shoppen. Westbourne Grove ist eine der angesagtesten Straßen der Stadt – selbst Oxfam, der wohltätige Second Hand-Laden, sieht hier aus wie eine Luxusboutique.

Die Entwicklung Notting Hills in den vergangenen Jahrzehnten klingt wie ein Lehrstück in Sachen Gentrification:

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Gentrification, aber sicher

Gentrificationprozesse sind durch die Zurichtung der Nachbarschaften und Wohngelegenheiten für die Lebensstile und Wohnbedürfnisse von Besserverdienenden gekennzeichnet. Neben Wohnungsgrößen und Ausstattungskriterien spielen Fragen der Nachbarschaftszusammensetzung und der Sicherheit bei der Wahl von Wohnquartieren von Wohlhabenderen zunehmend eine zentrale Rolle. Weltweit sind „gated communities“ zu Orten des exklusiven Luxuswohnens geworden. Auch in Berlin gibt es erste Beispiele für solche umzäunten und bewachten Luxuswohnanlagen. Ein Artikel im Tagesspiegel stellt verschiedene Townhousesiedlungen in Prenzlauer Berg vor. Ein anderes Beispiel für die neuen Sicherheitsbedürfnisse findet sich in Kreuzberg: die Carlofts in den Paul-Lincke-Höfen. Dabei können über einen Lastenfahrstuhl die Autos auf den Etagen der Wohnungsinhaber geparkt werden. Neben dem Ende der lästigen Parkplatzsuche versprechen die Carlofts vor allem eins: Sicherheit für die teuren Autos:

Erst vor zwei Monaten hatte Polizeipräsident Dieter Glietsch gesagt, Besitzer hochwertiger Autos sollten diese besser nicht nachts in Kreuzberg parken. Mehr als 60 Luxuswagen wurden 2008 in Berlin schon angezündet.

Doch nicht alle sind über die mediale Aufmerksamkeit für die neuen Luxuswohnprojekte erfreut.

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Wilhelmsburg macht Schule

Die von der Internationalen Bauausstellung (IBA) in Hamburg Wilhelmsburg betriebenen Aufwertungsentwicklungen setzen vor allem auf die Attraktivierung des Gebietes für so genannte Kreative. Ein Beitrag in der Welt bestätigt diesen Eindruck – Kreativ und modern sein in Wilhelmsburg:

Der Plan, Künstler und junge Engagierte nach Wilhelmsburg zu locken, scheint aufzugehen. „Immer mehr Menschen fühlen sich von der urban-ländlichen Hafenromantik angezogen. Die Nachfrage nach Atelier- und Büroräumen wächst ständig“, sagt IBA-Sprecherin Iris Groscurth. Nicht nur die günstigen Mieten überzeugen, auch die Vielfalt und Aufbruchstimmung in dem als Problemviertel stigmatisierten Stadtteil reizen Kreative.

Neu ist, dass dieses Konzept ganz explizit von anderen Städten aufgegriffen wird. Eine Berliner IBA 2017 soll die bisherige Ideenlosigkeit für die Gestaltung des Flughafengelände Tempelhof lösen und auch in Hessen erhoffen sich die politischen Parteien einen Schub für die Enstehung kreativer Viertel durch eine IBA Frankfurt/Rhein-Main. Der Frankfurter Stadtrat Boris Rhein (CDU) formuliert in einem Interview in der Frankfurter Rundschau die Hoffnung auf neue Impulse für den innerstädtischen Wohnungsmarkt:

Ein anderer wichtiger Punkt ist Frankfurt als Wohnraum. Wohnen muss in die Stadt zurückkehren. Der Klimawandel, die steigenden Energiepreise, die demografische Entwicklung und das Bedürfnis, Familie, Freizeit und Beruf enger zu vernetzen, beschleunigen den Trend.

Wien: soziale Wohnungspolitik verhindert Verdrängung

Das Wiener Stadtmagazin Falter lüftet in der aktuellen Ausgabe ein Geheimnis: Überall führt die Aufwertung von Stadtvierteln zur Verdrängung der Armen. Außer in Wien. Was macht man hier anders? In dem Beitrag von Joseph Gepp und Matthias Writze werden zunächst Aufwertungsprozesse in verschiedenen Wiener Nachbarschaften beschrieben: Neue schicke Lokale rund um den Karme­litermarkt, steigende Mieten im Stuwerviertel – aber Gentrification sei dass alles keinesfalls.

Gemein ist allen Vierteln (…) ihre Wertsteigerung und die Tatsache, dass die alteingesessene Bevölkerung trotzdem nicht verdrängt wurde.

Auch in Wien führe die Aufwertung zu höheren Mieten, und erschwere den Zuzug von ärmeren Schichten und Migranten. Eine Verdrängung jener, die bereits da sind, fände bisher nicht statt.

„Die Mentalität in Wien ist anders als beispielsweise in Amerika, man will langfristig in einer Wohnung bleiben. Die Mietpreisdynamik ist ganz anders als in New York“, sagt TU-Dozent Ru­dolf Giffinger. „In Wien gibt es Gentri­fizierung im eigentlichen Sinne nicht.“

Die verdrängungsfreie Aufwertung ist jedoch weniger auf eine geheimnisvolle Mentalität zurückzuführen, sondern auf eine sozial ausgerichtete Wohnungspolitik.

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Kultur der Aufwertung

Es gilt als relativ unumstritten, dass Gentrification auch eine kulturelle Dimension hat. Das Verhältniss von Kultur und Aufwertung wird oftmals mit Pioniermetaphern beschrieben. Kulturelle, oftmals subkulturelle Aktivitäten werden dabei als Anzeichen für eine gesteigerte Attraktivität eines Gebietes angesehen – insbesondere für die sogenannten Kreativen. Kulturproduzenten als Türöffner und Motor von Aufwertungsprozessen.

Das Beispiel Wilhelmsburg in Hamburg zeigt, dass diese Pionierfunktion der Kultur auch ganz bewusst für eine gewünschte Aufwertung eingesetzt wird. Die Welt fabuliert in einem Bericht über den „kulturellen Sprung über die Elbe“. Bekannte Rockbands und Kunstaktionen sollen mehr Kreative nach Wilhelmsburg locken. Weiterlesen

Peking: Olympische Verdrängung

Pünktlich zur Eröffnung der Olympischen Spiele in Peking veröffentlichte das Centre on Housing Rights and Evictions (COHRE) eine Studie über die städtebaulichen Effekte der Olympiaplanung. In dem Bericht One World, Whose Dream? Housing Rights Violations and the Beijing Olympic Games wird die Gesamtzahl der verdrängten Bewohner/innen mit 1,5 Millionen angegeben.

Doch diese Form der olympischen Verdrängung ist kein chinesisches Patent: Charlie Smith verweist in seinem Artikel im Stadtmagazin The Straight aus Vancouver auf die Arbeit von Helen Jefferson Lenskyj: Summer Olympics displace the poor in host cities. Die kanadische Soziologieprofessorin geht von etwa 2 Millionen Bewohner/innen aus, die seit 1980 in den Gastgeberstädten der Sommerolympiaden im Zusammenhang mit den Olympiaplanungen verdrängt wurden.

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Toronto: Back to the City

Gentrificationprozesse werden meist als die Rückeroberung der lange Zeit vernachlässigten Innenstadtviertel durch die Mittelklasse beschrieben. Alan Ehrenhalt beschreibt diesen Trend in eine Artikel im The New Republic als „demografische Invasion“. Auch auf der Webseite Torontoist wird das Thema aufgegriffen: Inverting the City of Neighbourhoods. Im Artikel heisst es:

In Chicago, Atlanta, Washington, and elsewhere, the poor, minorities, and immigrants are being pushed to the outskirts while the affluent—and, in this context, overwhelmingly white—professional class colonizes the downtown core.

Das etablierte Centre for Urban and Community Studies in Toronto veröffentlichte kürzlich eine beeindruckende Studie zu den soziodemographischen Umbrüchen im Zeitraum 1970 bis 2000 (Text | Karten).

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