Istanbul: Islamisten und die Kultur der Gentrification

Istanbul: Polizeieinsatz nach Überfall auf Galerien in Tophane (http://theturkishlife.blogspot.com)

Die taz veröffentlichte vor ein paar Tagen einen längeren Beitrag über eine Massenschlägerei vor mehreren Galerien im Istanbuler Stadtteil Tophane: „Islamisten überfallen Vernissage in Istanbul„. Bereits der Titel legt nahe, dass es sich um den Akt einer religiös-fundamentalistischen Intoleranz handele. Gerüchte, die Angreifer hätten sich durch den offenen Alkoholgenuss der Galeriebesucher/innen provoziert gefühlt, bestätigen das Deutungsangebot des Beitrags. Einige der Kommentare lesen sich wie eine Mischung von Huntington („Clash of Civilizatiopns“)  und Sarrazin  und ein ‚Berthold‘ gibt sich zutiefst empört über die immer noch unterschätzte „religionsfaschistische Mohammedanisierung“.

Die Islamophobie der Kommentare überrascht dabei weniger als die einseitige Darstellung des taz-Beitrags selbst. Im Tagesspiegel („In Istanbul krachen Welten aufeinander„) beispielsweise wird die Massenschlägerei vor den Galerien auf einen bereits länger bestehenden Streit um die von den Ausstellungen ausgehenden Belästigungen und die Angst vor Mietsteigerungen zurückgeführt:

Im Istanbuler Stadtteil Tophane wehren sich alteingesessene Einwohner gegen die zugezogene Schickeria – mit durchaus handfesten Argumenten.

In einigen türkischen Medien wird sogar der Widerstand gegen die Gentrification als mögliches Motiv für die Auseinandersetzung in Tophane gesehen:
Gentrification posited as motive for attack on Tophane art galleries.

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Gentrification im Radio

Gleich zwei längere Radiobeiträge zum Lieblingsthema meines Blogs gab es in den letzten Tagen.

  • Bei Radio.Einheit durfte ich zwei Stunden mit Jochen Becker über die widersprüchliche Rolle von Kulturschaffenden in städtischen Aufwertungsprozessen und Perspektiven einer künstlerischen Intervention  diskutieren: „The Gentrification Show with Jochen Becker & Andrej Holm

Crashkurs: Wohnungsökonomie

Gestern war ich zu einer Veranstaltung der Diakonie Hamburg „Hamburg wächst – alle dabei?“ eingeladen und durfte als Veranstaltungsinput einen kleinen Rundumschlag zur Ökonomie und Politik der Wohnungsversorgung vortragen.

Der Fragekatalog der Veranstalter hätten sicher für ein komplettes Seminarprogramm gereicht:

  • Nach welchen ökonomischen Regeln funktionieren Wohnungsmärkte in unserer Gesellschaft?
  • Wie unterscheiden sich Wohnungsmärkten von anderen Märkten?
  • Welche Akteure spielen auf den Wohnungsmärkten welche Rolle? (Grundbesitz, Investoren, Eigentümer, Wohnungsbaugesellschaften, Staat, Städte, Mieter)
  • Welche Gruppen von Wohnungssuchenden werden aufgrund der Funktionsweise der Wohnungsmärkte systematisch benachteiligt
  • Welche politischen Handlungsmöglichkeiten gibt es (insbesondere Handlungsspielräume für Kommunen), um diese Benachteiligungen abzufedern? (Rolle von Bund, Land, Stadt, Interessensverbände, Soziale Bewegungen)
  • Lässt sich die Wohnungsversorgung anders als über den Markt lösen?

Letztendlich sind es 25 kompakte Minuten geworden. Für alle, die sich einen Überblick über die Themenbereiche verschaffen wollen, gibt es hier mein Vortragsmanuskript.

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Berlin: Baugruppen mit Gentrification-Garantie

Die Gentrificationrelevanz von Baugruppen ist umstritten

In Alt-Treptow hat sich kürzlich eine Baugruppe selbst ein „Gentifizierungs-Zertifikat“ ausgestellt und behauptet von sich „keine direkt nachweislichen Folgen für das sozialräumliche Umfeld“ zu haben. Das ist natürlich Quatsch, denn in der Stadt als Produkt und Arena gesellschaftlicher Verhältnisse gibt es keinen sozialen Nichtort. Die Frage ist deshalb also nicht, ob Bauprojekte eine Wirkung auf die Nachbarschaften haben, sondern welche. Zumindest einige Stadtteilaktivist/innen in Alt-Treptow befürchten weitere Aufwertungsimpulse für ihren Kiez und rufen zum Samstag Nachmittag zu einer Baugruppen-Party der eigenen Art auf („Das Wunder zu Alt-Treptow“).
Als Motiv für das selbstbescheinigte Gütesiegel gibt die Baugruppe an, eine „differenzierte Darstellung von Neubauprojekten und ihren möglichen sozialräumlichen Folgen“ zu vermissen. Das Stichwort der Gentrification ist von der Baugruppe selbst aufgeworfen worden – hier der Versuch einer Annäherung.

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Artikel: Ökonomie der Wohnungsprivatisierung

Die Zeitschrift „Z – Zeitschrift marxistische Erneuerung“ beschäftigt sich in ihrer aktuellen Ausgabe mit dem Thema Stadt und Krise (Z – Nr. 83, 21. Jahrgang). Neun Beiträge – die fast ausnahmslos von einer Herrenrunde beigesteuert werden – geben eine guten Überblick zu Themen der Stadtökonomie und Stadtpolitik  in der aktuellen Krisendynamik.

  • Bernd Belina: Krise und gebaute Umwelt. Zum Begriff des „sekundären Kapitalkreislaufs“ und zur Zirkulation des fixen Kapitals, S. 8-19
  • Hans-Dieter von Frieling: Verwendbar, überflüssig, ausgegrenzt, kontrolliert – Segregation in der neoliberalen Stadt, S. 20-34
  • Henrik Lebuhn: Das Neue Steuerungsmodell und die (Markt-)Logik städtischer Verwaltungen, S. 35-45
  • Andrej Holm: Privare heißt rauben – Zur Ökonomie von Wohnungsprivatisierungen, S. 46-59
  • Thomas Ristow: Bibliothekswesen im Restrukturierungsprozess. Schöne neue Bibliothekswelt oder Bibliothekssterben?, S. 60-72
  • Axel Troost/Sandra Schuster: Kommunalfinanzen – Zeit für Alternativen, S. 73-83
  • Kai Eicker-Wolf: Die Lage der Kommunalfinanzen – das Beispiel Hessen; S. 84-96
  • Sebastian Schipper: „Es ist nicht der Markt der versagt hat, sondern es ist der Staat“ Zur Kontinuität neoliberaler Hegemonie auf lokaler Ebene am Beispiel der Stadt Frankfurt am Main, S. 97-111
  • Werner Rügemer: Kommunen: Kein Geld, keine Demokratie, keine Alternativen?, S. 112-125

Für alle, nicht gleich das ganze Heft erwerben wollen, gibt es meinen Beitrag auch hier zu lesen:

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Berlin: Aufwertung und Verdrängung in der Berliner Innenstadt

Das Berliner Straßen- und Obdachlosenmagazin strassenfeger beschäftigt sich im Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe mit „Schöner Wohnen“. Ich wurde angefragt,  einen kleinen Überblick zu den Aufwertungstendenzen in Berlin zu geben. In Berlin wird der strassenfeger u.a. in U-und S-Bahn verkauft.

Für alle anderen gibt es den Beitrag auch hier zu lesen:

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Gentrification wörtlich genommen

Immobilienwerbung für "hochherrschaftliches Wohnen" in Berlin Kreuzberg

Gentrification, das lernen die Studierenden seit Jahren in den Seminaren, geht auf das Wortspiel einer britischen Geographin zurück, die Veränderungen in einem Londoner Stadtteil mit der Rückkehr des niederen (Land-)Adels in die Städte im 18. Jahrhundert verglich. Im Kern ist und bleibt die Gentrification aber vor allem ein Aufwertungs- und Verdrängungsprozess und lässt sich nicht wirklich mit „Veradelung“ übersetzen.

Immobilienunternehmen und Investor/innen sehen das offenbar anders. Auf der procontra online (Die Fachzeitschrift für Finanzprofis) wird eine Beitrag zu Aufwertungspotentialen in deutschen Großstädten mit dem Titel „Der niedere Adel kommt“ überschrieben und in Kreuzberg wirbt ein Investor für ein „hochherrschaftliches Palais am Hofgarten“ und ein ‚Wilhelm I Penthouse‘. Gemeint sind (aufwendig) sanierte Gründerzeitwohnungen, wie es sie zu Tausenden in Berlin gibt.

In der Stadtteilzeitung Kreuzberger Horn hat Jürgen Enkemann, die Geschichte des umworbenen Hauses der Marketingstrategie gegenübergestellt: Ein höfisches Palais in Kreuzberg? Während die Werbestrategie eine aristokratische Atmosphäre des Hauses suggerieren soll („hochherrschaftlich“, “ Hofgarten“) ist die tatsächliche Geschichte des Altbaus viel gewöhnlicher.

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Berlin: Biofeuerwerk über Prenzlauer Berg

Es lebe das Klischee! Reinold Grebe hat es geschafft, den „Bionade-Biedermeier“ zu vertonen: Prenzlauer Berg, Prenzlauer Berg.

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Meine Lieblingszeilen:

Am Kollwitzplatz stehen die Volvos, vor der LPG die Saabs – Die Mieten hier sind bezahlbar, denn ich kann sie ja zahln.

Schwarz-Grün wird die Rebublik, hier ist sie es schon – Auf dem Nachttisch die Bibel und der Manufactum-Katalog

Prenzlauer Berg, Prenzlauer Berg – schau mal da oben: Biofeuerwerk

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Berlin: Räumung soll Rendite aus dem Keller holen

Vor ein paar Jahren hat Karin Baumert die Gentrification als Terror beschrieben – wie bei jedem gut organisierten Verbrechen kommt irgendwann die Zeit der Spurenbeseitigung. In Berlin werden gerade die letzten Artefakte des politisch und subkulturellen Aufbruchs Anfang der 1990er Jahre  abgeräumt. Allein in Mitte und Prenzlauer Berg sind etliche Projekte davon betroffen:  das Hausprojekt in der Brunnenstraße 183 wurde bereits geräumt, der Linienhof soll einer Baugruppe weichen, dem Schokoladen in der Ackerstraße wurde gekündigt, das ACUD in die Insolvenz getrieben und selbst das weitgehend kommerzialisierte Tacheles soll einer Neubauinvestition weichen…

In diese Kette von Kündigungen, Schließungen und Räumungen von Einrichtungen einer vor zwanzig Jahren in der Nachwendezeit entstandenen Alternatiiv- und Subkultur reiht sich nun auch der gestrige Räumungsversuch gegen den Umsonstladen in den Kellerräumen der Kastanienallee 86 ein. Mit Hubschraubereinsatz und einer Polizeihundertschaft wollte einen Räumungstitel des Berliner Landgerichts für den Hauseigentümer durchsetzen. Nach der Vermittlung durch die lokale Politprominenz (u.a. Volker Ratzmann, Stefan Liebig) wurde sich auf den ‚Kompromiss‘ geeinigt, die Räume versiegeln zu lassen, aber an einem ‚Runden Tisch‘ nach einer gemeinsamen Lösung zu suchen…

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Rezensionen: Wir Bleiben Alle!

Die bisher einzige Buchvorstellung (Linke Buchtage) war gut besucht und meine Berliner Lieblingsbuchläden (Schwarze Risse) mussten schon nachbestellen – darüberhinaus jedoch halten sich die Rückmeldungen zum Wir-Bleiben-Alle-Büchlein in Grenzen.

Buchbesprechungen gabe es bisher nur wenige – die aber alle sehr freundlich:

  • Neues Deutschland („Überblick mit Tiefgang – Stadtsoziologe erklärt Gentrifizierung„)
  • Was eigentlich unter Gentrifizierung zu verstehen ist, versucht in einem 80-seitigen Büchlein Andrej Holm allgemeinverständlich und doch zugleich auf der Höhe der internationalen wissenschaftlichen Diskussion zu klären

  • Jungen Welt („Die schmutzige Seite der Stadtplanung„)
  • Kaum eine Auseinandersetzung um steigende Mieten und Verdrängung von ärmeren Bevölkerungsgruppen aus ihren Kiezen, ob im Bremer »Viertel«, in der Schanze in Hamburg oder Berlin-Prenzlauer Berg kommt mehr ohne das Reizwort »Gentrifizierung« aus. Was darunter zu verstehen ist, hat der Sozialwissenschaftler nun in einem schmalen Bändchen zusammengefaßt.

  • HappyBuddah1975-Blog („Lesetip: Wir bleiben Alle !„)
  • Auf den ersten Blick klingt das ganze doch ganz gut. Stadtteile werden aufgewertet, die Lebensqualität steigt, leere Baulücken werden durch neue Wohnhäuser oder moderne Bürogebäude ersetzt. Das ganze hat aber auch eine Negative Seite, über die selten berichtet wird. Bis jetzt. Wer sich aber das ganze Bild über Gentrifizierung machen möchte, muss das aktuelle Buch von Andrej Holm lesen.

    Spannende Kritiken gabe es natürlich auch: Weiterlesen