Berlin: Festivalisierung der Wohnungsnot

Willkommen im Zeitalter der Eventkultur! Ganz egal wie es um die Wirtschaft, die Städte oder auch die Wissenschaft steht – einen Grund für das Spektakel scheint es immer zu geben. Schon seit etlichen Jahren ist eine Festivalisierung der Gesellschaft zu beobachten und massenkompatible Veranstaltungsformate sollen das Image des jeweils Umworbenen aufpolieren. So soll die „Lange Nacht der Museen“ Tourist/innen und Besucher/innen ausserhalb der Ferienzeiten in die Austellungen locken, die „Lange Nacht der Industrie“ soll qualifizierte Facharbeiter für die traditionellen Wirtschaftszweige gewinnen und eine „Lange Nacht der Wissenschaften“ soll den Universitäten ein bisschen Bürgernähe verschaffen. Nun organisiert auch noch ein Immobilienportal eine „Lange Nacht der Wohnungsbesichtigungen„.

Der Marktführer ImmobilienScout24 lädt für heute Abend (20. Oktober) zu einem

einzigartigen Event (ein und will) alle Wohnungssuchenden die Möglichkeit (geben), zahlreiche attraktive Wohnungen in den beliebtesten Stadtteilen Berlins zu besichtigen.

Update: 21.10.2001:  Nach Berichten im Tagesspiegel und beim RBB mussten zumindest in Kreuzberg die Besichtigungen wegen der Proteste vorzeitig abgebrochen werden.

"Schnelles Ende der Langen Nacht" (Bild via: Steigende Mieten Stoppen)

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Berlin: Macchiato-Mütter und Phantom-Schwaben in Prenzlauer Berg

Die Veränderungen in Prenzlauer Berg sorgen mal wieder für Streit. Ein Kommentarschlacht unter einem taz-Artikel zeigt, wie eine gehässig vorgetragene Satire über so genannte Macchiato-Mütter eine grundsätzliche Auseinandersetzung um die kulturelle Deutungshoheit im Bezirk auslöst. Im Mittelpunkt der Diskussion mal wieder der angebliche Schwabenhass.

Doch der Reihe nach: Anja Maier, hat ein Buch („Lassen sie mich durch, ich bin Mutter„) geschrieben und die taz hat in einem Vorabdruck einige Passagen veröffentlicht: „Die Weiber denken, sie wären besser“. Wohl selten hat die Ankündigung eines Sachbuches bereits vor dem Erscheinen so kontroverse Debatten ausgelöst. In nur drei Tagen wurden fast 350 Kommentare unter den taz-Artikel gesetzt. Die Stimmung wirkt emotional aufgeheizt, es wird gepöbelt und beleidigt. Sexistisch, frauenfeindlich, ja sogar faschistisch lauten die Vorwürfe an die Autorin. Das Thema des Beitrages: die Latte-Macchiato-Mütter aus der Perspektive einer Gastwirtin.

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Berlin: Große Koalition der Betonfraktion

In allen Zeitungen ist nachzulesen, dass die Rot-Grüne Koalition in Berlin an der Frage des Autobahnbaus (A 100) gescheitert sei. Grünen-Chef Cem Özdemir wirft der SPD via Handelsblatt Online vor in der Verkehrs- und Infrastrukturpolitik in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts stecken geblieben zu sein:

„Fortschritt bemisst sich für die Sozialdemokraten immer noch vor allem darin, möglichst viel Beton zu verbauen. Je mehr Straßen, Brücken und Parkhäuser mit großem Pomp eingeweiht werden, desto mehr frohlockt des Sozialdemokraten Herz.“

Diese Beton-Orientierung beschränkt sich jedoch nicht nur auf die sozialdemokratische Verkehrspolitik – auch in der Wohnungspolitik setzt die SPD vor allem auf eines: den Neubau.

Die Berliner Zeitung schätzt die wohnungspolitischen Aussichten einer Rot-Schwarzen Regierungsmehrheit in Berlin folgendermaßen ein:

Bei der Frage des Wohnungsneubaus werde es zwischen CDU und SPD indes wenig Differenzen geben. Beide hatten im Wahlkampf erklärt, den Neubau ankurbeln zu wollen. Während die SPD dabei auf die landeseigenen Wohnungsunternehmen sowie die Genossenschaften setzt, baut die CDU auf private Unternehmen.

Bestandsorientierte Regulationen der Mietentwicklung hingegen werden wohl auf der Strecke bleiben, denn die Themen wie Zweckentfremdung, Umnutzung von Miet- in Ferienwohnungen und Begrenzung von Neuvermietungen wurden bisher eher von den GRÜNEN und der Linkspartei eingefordert. Die wohnungspolititischen Konzepte von SPD und CDU hingegen setzen vor allem auf den Neubau.

Entsprechend erfreut über die neuen Koalitionsaussichten zeigt sich die Immobilienwirtschaft der Stadt. Maren Kern fasst gegenüber der Berliner Zeitung die Position des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) zusammen:

„Je stabiler die Koalition, desto besser für Berlin.“ Vor einem neuen Senat lägen große wohnungspolitische Herausforderungen. „An erster Stelle steht dabei die Frage, wie das Wohnraumangebot für breite Schichten der Bevölkerung vergrößert werden kann“, so Kern. „Besonderes Augenmerk sollte dabei dem Neubau gelten.“

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Polen: Zwangsräumungen und Containersiedlungen

"Keine Container Ghettos" - Protest gegen Zwangsräumungen in Poznan

Auf der Webseite des anarchistischen Hausprojektes Rozbrat in Poznan wurden kürzlich Namenslisten mit den Adressen von 278 Haushalten veröffentlicht, die von der städtischen Wohnungsbaugesellschaft ZKZL geräumt werden sollen. Mit der Veröffentlichung wollen die Aktivist/innen zeigen, das entgegen der öffentlichen Stellungnahmen nicht nur „einzelne renitente Mieter“ geräumt werden sollen, sondern auch Familien mit Kindern und Bewohner/innen mit Behinderungen.
Da nach polnischem Recht – ein Relikt aus den sozialistischen Gesetzbüchern – niemand einfach auf die Straße gesetzt werden darf, haben mehrere Stadtverwaltungen begonnen Container-Siedlungen für die Exmittierten zu errichten.
Die Stadt Poznan hatte im Juli beschlossen ein solches Container-Dorf auf einer Industriebrache zu errichten. Mieterinitiativen protestieren seither gegen die drohenden Kündigungen und kritisieren diese Form der staatlich organisierten Ghettoisierung.

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Berlin: Was die Piraten mit 30 Jahren Häuserkampf zu tun haben

Der Hype um den überraschenden Wahlerfolg der Piratenpartei wird vielfach vom Image des jungendlichen und unverbrauchten Politikstils der Generation Internet getragen. Doch ein Blick zurück in die Berliner Geschichte zeigt: Piraten hin oder her – Protestparteien hatten in Zeiten der Wohnungskrise immer gute Chancen. Anfang der 1980er Jahre gerieten die bisherigen Konzepte der Stadt- und Wohnungspolitik endgültig aus den Fugen und 150 besetzte Häuser markierten einen Wendepunkt. Auf der Woge der Unzufriedenheit und des Protestes zog 1981 die Alternative Liste (AL) – der Berliner Vorgänger der heutigen Grünen – erstmals ins Abgeordnetenhaus ein.

Auch 30 Jahre später erscheinen Wohnungskrise und Protestwahl als zwei Seiten der selben Medaille. Die wahlkreisbezogene Stimmenverteilung der Piratenpartei ist nahezu deckungsgleich mit den aktuellen Mietsteigerungsdynamiken in Berlin: je höher die Mietsteigerungen, desto mehr Stimmen für die Piratenpartei. In 22 der insgesamt 78 Wahlkreise erzielte die Piratenpartei mehr als 10 Prozent der abgegebenen Stimmen – 19 davon liegen in den von Gentrification-Prozessen erfassten Altbauquartieren von Friedrichshain-Kreuzberg, Nordneukölln, Prenzlauer Berg, südliches Lichtenberg und Alt-Treptow.

So ungefähr sieht der idealtypische Stadtraum von Wähler/innen der Piratenpartei aus.

Zugegeben, solche Zahlenspielereien haben nur einen begrenzten Erklärungswert – ein Blick zurück in die Geschichte kann sich dennoch lohnen:

  • Auch die Berliner Zeitung interessierte sich für Thema und hat mich nach den Parallelen zwischen den aktuellen Mieterprotesten und der Hausbesetzerbewegung vor 30 Jahren  befragt: „Die selben Ursachen„.

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Berlin: Linke Metropolenpolitik im Buchformat

Die BZ hat all die konservative Häme und Genugtuung zum Wahlergebnis in Berlin mit ihrer grellen Schlagzeile auf den Punkt gebracht „Rot – Rot – Tot“ (Schlagzeile der BZ-Titelseite vom 19.09.2011).  Auch die junge welt stellt nach der Wahl fast erleichtert fest , dass die „Rot-rote Dekade vorbei“ sei.

Die Einschätzungen der Regierungsbeteiligung der Linkspartei fallen jedoch selbst innerhalb des linken Spektrums recht unterschiedlich aus und reichen von der verbitterten Einschätzung des MieterEchos

Zu den nachhaltigsten Erfolgen der rot-roten Koalition gehört die Beseitigung des Sozialen Wohnungsbaus. Eine historische Epoche sozialen Fortschritts wurde von der Sozialdemokratie und der Nachfolgerin der KPD generös dem Müllhaufen der Geschichte überantwortet.

… bis zum überraschend positiven Bekenntnis von Robert Misik:

Die Berliner Linkspartei gehört zum modernistischen und pragmatischen Flügel der Partei. Und sie hat jetzt neun Jahre lang gut mitregiert. Also, wenn man mich fragt: Wenn ein Linke-Landesverband verdient hat, in der Regierung zu sein, dann der Berliner.

Eine differenziertere Analyse von fast 10 Jahren rot-roter Regierung gibt es hier zu lesen:

Holm, Andrej; Naumann, Matthias; Lederer, Klaus (Hrsg.) 2011: Linke Metropolenpolitik. Erfahrungen und Perspektiven am Beispiel Berlin. Münster: Westfälisches Dampfboot

Am Beispiel der seit 2002 von einer rot-roten Koalition regierten Stadt Berlin bilanziert der Band die Erfahrungen, Perspektiven und Grenzen einer linken Stadtpolitik. Ausgehend von einer Kritik der Berliner Stadtentwicklung umreißen die AutorInnen Utopien für eine linke Stadtpolitik und Forderungen für Reformprojekte. Linke Metropolenpolitik wird hierbei als gemeinsames Projekt einer Linken in den Parlamenten, in sozialen Bewegungen und kritischer Wissenschaft verstanden.

Mit dem Wahlergebnis vom Sonntag wird dieser Versuch einer Bilanz zur unfreiwilligen Rückschau. Rot-rot ist erst einmal Geschichte, doch die Fragen nach den Perspektiven einer linken Metropolenpolitik bleiben: Ist unter den Bedingungen der neoliberalen Neuordnungen und dem Diktat des Finanzmarktes eine fortschrittliche Stadtpolitik überhaupt denkbar? Wie könnte, ja wie müsste sie  aussehen? Welche Rollen können linke Regierungsmehrheiten dabei spielen?

Die ersten Rezensionen zum Buch gibt es auch schon:

Kurz vor der Berliner Abgeordnetenhauswahl ist ein Sammelband erschienen, der – früher veröffentlicht und diskutiert – vielleicht die Wahlchancen der Linkspartei verbessert hätte.

 Alles in allem: eine anregende Lektüre, die ganz sicher auch nach der Wahl, wie immer sie für DIE LINKE auch ausgehen mag, noch Inspirationsquelle bleiben wird.

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Berlin: Das Imperium schlägt zurück

Immobilienmakler wollen Mietproteste beobachten

Während Stadtteilinitiativen und Mieterorganisationen sich noch über die gelungene Demonstration und das positive Presseecho freuen, meldet sich jetzt die Immobilienwirtschaft zu Wort. Die einen finden die „Mietendebatte ist hysterisch„, die anderen wollen die Proteste unter Beobachtung stellen.

Wie fast immer werden allgemeine und gesamtstädtische Entwicklungen angeführt, um von der Verdrängungsdynamik abzulenken. Allen, die sich jenseits dieser Pauschalbetrachtungen mit den Innenansichten des Berliner Mietendramas beschäftigen wollen, sei an dieser Stelle nochmal das GRIPS-Theaterstück „Schöner Wohnen“ empfohlen. Die  nächsten Vorstellungen sind schon an diesem Freitag und Samstag (16./17. September) angesetzt.

 

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Berlin: Steigende Mieten bleiben Thema

Auch nach der stimmungsvollen Mietenstopp-Demonstration (hier eine erste Einschätzung und Bilder) am letzten Samstag bleibt uns das Thema der Stadtentwicklung in der öffentlichen Debatte erhalten.

Hier ein wohlwollender Bericht der Berliner Abendschau (RBB) zur Demonstration:

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=ri9ZXIc4zdc&feature=player_embedded]

 

Die Demonstration am Samstag wurde wesentlich von Stadtteilgruppen und lokalen Mieterinitiativen organisiert und sehr unterschiedliche Konfliktkonstellationen wurden gemeinsam auf die Straße getragen.  Diese Vielfalt prägt auch den Stand der derzeitigen Organisierung des Protestes und die Formulierung gemeinsamer Forderungen und Strategien steht noch aus. Auf der anderen Seite scheint es, dass die Ungleichzeitigkeit einer dezentralen, multilokalen und vielfältigen Bewegung weniger anfällig für die typischen Ermüdungserscheinungen klassischer Kampagnenpolitik ist.

Die wohnungspolitische Diskussion in Berlin jedenfalls weist keine Erschöpungssymptome auf und schon ab dieser  Woche sind weitere Veranstaltungen angekündigt:

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GRIPS-Theater: Lefebvre, Fußball und Verdrängung

Was verbindet Lefebvres Urbanisierungs-Thesen, die Fankultur eines Zweitligavereins und die Angst vor Gentrification miteinander? Ganz einfach: das neue Stück des GRIPS-Theaters.

Am Vorabend der mittlerweile zur Großdemonstration geadelten Mietendemo lud das GRIPS-Theater zur Premiere ein:  „Schöner Wohnen – Ein singender Umzug„.

Gentrification gibt es gerade auf allen Kanälen: Es gibt Bücher [ 1 / 2 ] und Radio-Feature, Hörspiele und Filme [ 1 / 2 ] und nun sogar ein Theaterstück zum Thema. Die Story klingt wie aus dem Berliner Alltagsleben gegriffen und wird auch genau so erzählt:

Das Haus wird saniert. Sieben Mieter sind froh. Endlich geht es mit dem maroden Haus wieder bergauf. Die Gegend „kommt“, man fühlt sich bestätigt, ausharren lohnt. Doch als die Sanierungsankündigung immer umfassender wird und damit klar, dass die Mieten beträchtlich steigen werden, prallen sieben unterschiedliche Lebensentwürfe aufeinander. Soll man bleiben? Sich abfinden lassen? Aber wo eine bezahlbare Wohnung finden? Kann man sich wehren, und wer würde zusammenhalten?

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Berlin: Alles muss man selber machen…

Der Countdown läuft. Mieterorganisationen und Stadtteilinitiativen rufen für den 3. September | 14 Uhr | Hermannplatz zu einer Demonstration „Jetzt reichts! Gegen Mieterhöhung, Verdrängung und Armut in Berlin auf.

Der Tagesspiegel widmete sich in einem längeren Beitrag ausführlich den wachsenden Widerständen gegen die verfehlte Wohnungspolitik in Berlin: Protest gegen steigende Mieten. Die neue Apo im Kiez. Im Text erklärt sich der auf den ersten Blick schwerfällige Titel:

Gegen steigende Mieten formiert sich eine Berliner Protestbewegung. Von etablierten linken Parteien fühlen sich die Aktivisten im Stich gelassen. Sie legen Wert auf die Bezeichnung „außerparlamentarisch“.

Diese außerparlamentarische Orientierung der Mietproteste ist keineswegs nur auf die ideologischen Positionen der Aktiven zurückzuführen, sondern die Konsequenz eines wohnungspolitischen Versagens in den vergangenen Jahren:

Der Stadtforscher und Soziologe Andrej Holm beobachtet seit etwa drei Jahren ein wachsendes Interesse an „sozial- und mietenpolitischen Themen in der linken Szene“. Anders als bei den Hausbesetzer-Bewegungen der Achtzigerjahre und der Proteste in den Neunzigern gebe es heute „keinen Ansprechpartner im parlamentarischen Raum“. Die Linke ist beteiligt an der Regierung. Die Grünen hätten sich das Thema „nicht konsequent zu eigen gemacht“. So sei ein „Vakuum in der Wohnungspolitik“ entstanden.

Alles muss man selber machen… Erst recht den politischen Druck für eine andere Wohnungs- und Stadtpolitik. Weil steigende Mieten nicht auf einzelnen Quartiere beschränkt bleiben, sondern weite Teile der Stadt erfasst haben, wird an nicht weniger als 14 verschiedenen Orten eingeladen, um gemeinsam an der Demonstration teilzunehmen.

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