Wien: Dezentralisierung der Aufwertung

Im Wiener Journal gibt es einen spannenden Beitrag über den kleinen Boom von Trendquartieren in der österreichischen Hauptstadt: Griss um die Trendviertel.   „Griss“ bedeutet dabei so viel wie Andrang:

Der Traum von jungen Wienern in urbanen Bildern: Frühstücken vor der Haustür am Naschmarkt, gegen Sonnenuntergang Abendessen auf der eigenen Dachterrasse mit Blick über Wien. Keine Frage, in Wien gibt es mit Naschmarkt, Karmelitermarkt, Yppenplatz und Spittelberg gefragte Stadtviertel.

Die Beschreibung der Wiener Pionierzonen städtischer Aufwertung klingt wie solche Entwicklungen in hunderten internationalen Studien beschrieben werden:

Diese Pioniere setzen Kulturinitiativen, gründen Lokale oder übernehmen Geschäfte. Nach einiger Zeit werde dieser Stadtteil dann entdeckt, „wodurch die Immobilienpreise steigen und die ‚Pioniere‘ letztlich verdrängt werden“.

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Berlin: Clubkultur und Gentrification

Am Samstag fand im Hebbel am Ufer (HAU 2) die Veranstaltungsreihe LIFE IS LIVE statt. Im ersten Panel diskutierten verschiedene Musiker, Konzert- und Tourneeveranstalter/innen und eine Musikkuratorin über die Auswirkungen der Tonträgerkrise auf die Eventbranche der Musikindustrie. Richtig Geld verdient werden kann – so in etwa der Tenor – eigentlich nur noch mit Life-Events. Die bestehende Vielfalt von Konzertagenturen und Veranstaltern gerät dabei zunehmend unter den Monopolisierungsdruck internationaler Player der Branche wie Life Nation.  Eine höhere Frequenz an Auftritten und die verstärkte Orientierung am Spektakel sind ebenso Folgen dieser Entwicklung wie die Etablierung von Life-Events durch größere Konzerne (wie z.B. der Telekom) die mit solchen Ereignissen ihr Zielgruppen-Portfolio erweitern wollen. Vieles habe sich verändert, aber die neuen Entwicklungen bieten auch neue Chancen – so die Argumentation auf dem Podium. Worin diese neuen Chancen bestehen, habe ich aber nicht verstanden.

Im zweiten Panel ging es dann um die räumlichen Auswirkungen der Clubkultur: unter dem Motto „Das Event,  die Stadt und das Eigentum“ diskutierten hier Gerrit Schultz (Betreiber vom WMF-Club), Tobias Rapp (Kulturjournalist, Spiegel), Ted Gaier (Musiker, Goldene Zitronen) und Björn Böhning (Politiker, SPD). Christoph Gurk (Musikkurator HAU) und Jens Balzer (Kulturjournalist, Berliner Zeitung) moderierten die Debatte und ich durfte die Rolle des Wissenschaftlers spielen…

UPDATE: hier ein kleiner Artikel zur Diskussion in der taz: Die Kleinen und die Bösen:

Dem (der Gentrification) möchte der Stadtsoziologe Andrej Holm durch Strategien der Dislokation begegnen, in dem man boomenden Vierteln bewusst aus dem Weg geht, oder durch De-Attraktivierung von beliebten Orten. So viel wurde bei „Life is live“ klar: Die Stadt der Zukunft muss sich ihre Lebbarkeit aufs Neue erkämpfen, Popmusik wird dabei eine zentrale Rolle spielen.

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Berlin: Stadtpolitischer Veranstaltungsmarathon im Januar

Das Jahr fängt ja gut an! Wohnungspolitik und Diskussionen über Gentrification und Verdrängung stehen weiterhin ganz oben auf der Tagesordnung vieler Veranstaltungen. Allein in den nächsten Tagen gibt es mindestens fünf spannende Diskussionen, die für die neue Relevanz der Stadtpolitik in Berlin stehen:

  • Das Event, die Stadt und das Eigentum. Wie das Live-Geschäft urbane Räume verändert?: Samstag, 16.01.2010 | 20:00 Uhr | HAU 2 (Hallesches Ufer 32 / 10963 Berlin): Podiumsdiskussion mit Björn Böhning (SPD-Parteivorstand, Berlin), Ted Gaier (Musiker, Die Goldenen Zitronen, und Mitinitiator des Manifests „Not in our name“, Hamburg), Andrej Holm (Stadtsoziologe, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt/Main), Tobias Rapp (Journalist, „Der Spiegel“, Hamburg), Gerrit Schultz (Clubbetreiber WMF, Berlin). Moderation: Jens Balzer und Christoph Gurk.   Weiterlesen

Berlin: Keine Kittelschürzen mehr in Prenzlauer Berg

Gentrification und Verdrängung sind in aller Munde und die Ostberliner Aufwertungsquartiere in Prenzlauer Berg müssen immer wieder als Kronzeugen dieser Entwicklungen herhalten. Die Fakten sind dabei meist schnell zusammengetragen: steigende Mietpreise, weitgehender Austausch der Bevölkerung und kaum noch Arme und Alte in den Straßen… Doch wie sich solche Veränderungen anfühlen und sich in den Alltagsbeziehungen der Nachbarschaft niederschlagen, wird oft nur in oberflächlichen Schlagworten eines „Bionade-Biedermeier“ oder der „Schwaben in Prenzlauer Berg“  zusammengefasst.

Annett Gröschner, seit 1983 in Prenzlauer Berg wohnend, schaut genauer hin und schafft es immer wieder wie kaum eine andere, mit kleine Alltagsbeobachtungen die gravierenden Veränderungen auf den Punkt zu bringen. In der Zeitschrift Literaturen hat sie einen bissigen Kommentar zur Verwandlung ihres Stadtteils in einen „einheitlichen pastellfarbenen Brei von Langeweile“ geschrieben: „Leute, die ihre Hunde Stalin nannten„. Nur Zehlendorf sei noch langweiliger als der ehemalige Szenekiez in Ostberlin. Weiterlesen

Berlin: Verdrängungsalltag in Friedrichshain

Das von der Mieterberatung für die Sanierungsgebiete in Friedrichshain asum herausgegebene Magazin Friedrichshain-Magazin begleitet die Stadterneuerung in den dortigen AUfwertungsquartieren seit 15 Jahren mit einer mal mehr mal minder kritischen  Berichterstattung. Direkt beauftragt vom Bezirk war es die Aufgabe, die überwiegend privatfinanzierte Stadterneuerung so sozial und konfliktarm wie möglich über die Bühne zu bringen. Die permanente Verschlechterungen der Ausgangsbedingungen für eine soziale Stadterneuerung (Kürzung der Fördermittel, Urteil gegen die Mietobergrenze) wurde intern von den Berliner Mieterberatungsgesellschaften vielfach kritisiert – ein öffentlicher Protest gegen den öffentlichen Auftraggeber jedoch blieb bisher aus. Umso erfreulicher, dass in der aktuellen Ausgabe des Friedrichshain-Magazins sehr klare Worte zu den aktuellen Verdrängungstendenzen gefunden werden: Verdrängung – kein Kampfbegriff, sondern Alltag. In dem Artikel heisst es:

Preiswerte Wohnungen werden in den Berliner Innenstadtbezirken immer mehr zur Mangelware. Wer in Friedrichshain eine bezahlbare Wohnung sucht, weiß ein Lied davon zu singen. Auf ein wirksames Gegensteuern der Politik wartet man seit Jahren vergeblich. Der Senat hat sich aus der Wohnungspolitik weitgehend zurückgezogen, dem Bezirk fehlen die Mittel und zudem macht es die Rechtsprechung der Gerichte für die Verwaltung immer schwieriger, die sich munter drehende Mietpreisspirale zu bremsen. Die Auswirkungen sind nicht mehr zu übersehen. Mehrere Studien zeigen für Friedrichshain und Kreuzberg eine fortschreitende Verdrängung finanzschwacher Bewohner.

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Berlin: „Latte-Laptop-Prekariat“ gegen Luxuswohnprojekt

Farbeier am Verkaufspavillon des Luxuswohnprojekts Marthashof (Juni 2009, Foto: Björn Kietzmann)

Über das Luxuswohnprojekt Marthashof in Berlin Prenzlauer Berg wurde (auch hier)  schon viel geschrieben und geschimpft, denn es steht für den aktuellen Zyklus einer Supergentrification in den Ostberliner Aufwertungsgebieten. Der Begriff der Supergentrification wird nicht etwa benutzt, weil es endlich mal um eine städtische Aufwertung geht, die wir ’super‘ finden können, sondern steht für Aufwertungsprozesse in bereits gentrifizierten Gegenden.

Der kleine Boom an Luxuswohnanlagen in den ehemaligen Sanierungsgebieten von Mitte und Prenzlauer Berg gilt zurecht als Berliner Beispiel für solche erweiterten Aufwertungsphasen. Neben den exklusiven Preisen der Apartments und der baulichen Verdichtung der unmittelbaren Nachbarschaft wurde insbesondere der sozial exklusive Charakter des Projektes immer wieder kritisiert. Die Anwohnerinitiative Marthashof (AIM) mobilisiert seit fast zwei Jahr gegen das Projekt.  Auf The European ist ein schöner und ausführlicher Text zu lesen. Der Titel greift die kunstaffine Selbstvermarktung von Sofanel Investment in schönem Zynismus auf:  „Marthashof, die antisoziale Plastik„.

Ebenfalls auf The European ist eine sehr hübsche Reportage des Wirtschaftsjournalisten Guido Walter veröffentlicht, der sich als Kaufinteressent vom „Sales Consultant“ des Projektes umgarnen ließ: „Ich möchte Teil einer Gated Community sein.

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Berlin Nordneukölln: „es gibt sogar schon Diplomaten hier“

In der erst kürzlich auch hier besprochenen Artikelserie „Soziale Stadt“ in der taz gibt es heute ein aufschlussreiches Interview mit einem Hausverwalter in Nordneukölln, der den Aufschwung der letzten Jahre aus seiner Perspektive darstellt: „Vertreibungsgefahr ist nicht so groß“.

Während selbst kleinräumige Statistiken bisher nicht geeignet waren, die symbolischen Aufwertungen und den Imagewandel von Nordneukölln auch empirisch zu bestätigen und Verdrängungswarnungen oft mit dem Vorwurf einer nur „gefühlten Gentrification“ konfrontiert waren, gibt es nun ein paar handfeste und glaubwürdige Indizien für die beginnende Gentrification dort. Bernd Girke, Hausverwalter von vier Häuser in der Umgebung des Weichselplatztes benennt im Interview gegenüber der taz, eine steigende Nachfrage nach Wohnungen im Gebiet, höhere Neuvermietungsmieten und eine wachsende Investitionsbereitschaft der Eigentümer als klare Merkmale des Wandels.

Unabhängig von den spannenden Informationen zum Vermietungsgeschäft im Neuköllner Norden gibt es ein wunderschönes Zitat zur fast schon sympathischen Piefigkeit des alten Westberlin:

taz: (…) Sie haben am Weichselplatz einen schönen Spielplatz, es gibt ein kinderfreundliches Café, einen Bio-Eisladen, Kindermodegeschäft. Manche sagen, der Weichselplatz ist schon bald der Kollwitzplatz von Neukölln.

Antwort Girke: Ich muss zu meiner Schande gestehen, ich war noch nie am Kollwitzplatz, zumindest ist den letzten 20 Jahren nicht. Darum weiß ich auch nicht, ist das was Positives, was Negatives? Jedenfalls freue ich mich, wenn ich nach Hause komme und sehe, dass das Café voll ist und überall Fahrräder stehen und auf dem Spielplatz voller Betrieb ist.

Passend zum Thema hab ich auch folgenden Blogeintrag bei Allexander Korte gefunden: Reuterkiez kommt?

Als Mitte-Boy muss ich mit ansehen wie unser Viertel vermainstreamt und die Karawane der Jungen und Schönen (=Gentrification) weiterzieht in ein mir fernes und unbekanntes Land. Sie nennen es Kreuzkölln oder Neukölln-Nord. (www.korte.de)

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Offtopic: ungewollte Werbung bei wordpress?

Unter meinem letzten Blogbeitrag sind verschiedene Werbelinks – so genannte Google Adsense – zu sehen. Ich habe weder meine Einstellungen geändert und auch keinen Einfluss auf die Auswahl der Werbeanzeigen. Abgesehen von dem grundsätzlichen Ärgernis ungewollter Werbung trifft auch deren Auswahl nicht meinen Geschmack.

Kann mir jemand erklären warum es diese ungewollte Werbung gibt, wer daran verdient und wie ich sie wieder loswerden kann?

Berlin: Die (Re)Thematisierung der Wohnungspolitik

Berlin erlebt gerade sowas wie die Rückkehr der Wohnungspolitik. Nein, nicht dass die regierenden Parteien oder verantwortlichen Senatsverwaltungen eine solche entwickeln würden – deren Vorschlägen bleiben allenfalls rhetorisch. Aber im Schatten der medialen Aufregung um angezündete Autos und Hassplakate hat sich eine fundierte (Re)Thematisierung der Stadtpolitik in die Zeitungsspalten der Hauptstadtpresse zurückgeschlichen.

Vorneweg dabei die taz, die unter dem etwas kontrafaktischen Titel „Soziale Stadt“ eine Serie zu Gentrification und Verdrängung in verschiedenen Stadtteilen Berlins gestartet hat. Bisher wurde fünf gut recherchierte und lesenswerte Artikel in der Reihe veröffentlicht:

Dazu gibt es noch einen engagierten Beitrag von Gereon Asmuth: Linke Gewalt und verbale Aufrüstung in Berlin: Das Jahr des Feuers (31.12.2009), der zu mehr Gelassenheit im Umgang mit Autobrandstiftungen aufruft und statt der Distanzierungsorgien ein Bekenntnis für eine soziale Wohnungspolitik einfordert. Sehr schön. Peinlich allenfalls das angebliche Partyinterview mit einem Autobrandstifter

Hier gibt es kurze Zusammenfassungen der Beiträge – die Lektüre der ganzen Artikel sei aber ausdrücklich empfohlen: Weiterlesen

Frankfurt Westend: Wie Hausbesetzungen die Hochhausplanungen verhinderten

Wolf Wetzel hat auf telepolis einen hübschen Artikeln veröffentlicht, der sich mit aktuellen Grroßprojekten der Stadtentwicklung in verschiedenen Städten beschäftigt: „Unternehmen Stadt: Wenn öffentlicher Raum in Renditeanlagen verwandelt wird„. Die geplanten Investorenprojekten benennen – so Wolf Wetzel – zugleich die aktuellen Orte des Widerstandes gegen die unternehmerische Stadtpolitik: MediaSpree, das Hamburger Gängeviertel,  der anstehende Verkauf der Hanauer Innenstadt an einen Investor oder die Planungen für Hochhäuser auf dem Universitätsgelände in Frankfurt Bockenheim sind nicht nur die Meilensteine einer neoliberalen Umstrukturierung der Städte sondern eben auch Wegmarken des Protestes.

Konflikte um Stadtentwicklungspläne haben eine lange Geschichte, Wolf Wetzel schlägt angesichts der aktuellen Umstrukturierungen vor, aus der Geschichte des Widerstandes zu lernen.  Anfang Dezember fand im allerwürdigen Club Voltaire in Frankfurt/Main eine Diskussionsveranstaltung „Geschichte wird gemacht! Neoliberale Stadtentwicklung und städtische  Gegenbewegungen“ im Rahmen der bundesweiten Veranstaltungsreihen „Unternehmen Stadt Übernehmen“ statt. Wolf Wetzel reflektierte in der Diskussion seine Erfahrungen der Westend-Hausbesetzungen, die er als Jugendlicher miterlebt hatte. Seinen Veranstaltungsinput hat er für den Telepolisartikel ausgebaut.

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