Berlin: Warnhinweis zur Verdrängungsgefahr

Erst vor ein paar Wochen verunsicherte ein gut gefälschtes Einladungsschreiben einer Immobilienfirma die Bewohner/innen der Choriner Straße in Prenzlauer Berg:  „Luxuswohnprojekte verunsichern die Nachbarschaft„.

Die vorgeblichen Eigentümer des Luxuswohnprojektes Choriner Höfe, luden die Bewohner/innen der Umgebung nicht nur zum Sektempfang auf die Baustelle ein, sondern boten den weniger gut Betuchten auch noch gleich eine Vermittlung von Wohnungen am Stadtrand an und schlugen vor, einen öffentlichen Platz in eine geschützte und umzäunte  Spielanlage zu verwandeln…. Der Erfolg der Fälschung – viele Anwohner/innen waren zunächst empört und schockiert – ist vor allem auf die Realitätsnähe der in dem Schreiben formulierten Perspektiven zurückzuführen.

Die Prenzlauer Berg Nachrichten haben nun die nächste „Fälschung“ in Zusammenhang mit den Choriner Höfen aufgedeckt. Ein modifiziertes Verkehrschild gegenüber des Bauprojektes warnt nun vor der Verdrängung: „Achtung, Rauswurf!„.

"Achtung, Rauswurf!" Warnhinweis in Prenzlauer Berg (via. Prenzlauer Berg Nachrichten)

"Achtung, Rauswurf!" Warnhinweis in Prenzlauer Berg (Bild via Prenzlauer Berg Nachrichten)

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Interview: Wohnungspolitik in Berlin

In der Wochenendausgabe der Jungen Welt wurde ein längeres Interview von mir  zu den aktuellen wohungspolitsichen Entwicklungen in Berlin abgedruckt: „Berlin im Normalzustand der kapitalistischen Stadtentwicklung„.

Gespräch mit Andrej Holm. Über die Wohnungspolitik des »rot-roten« Senats, die Privatisierung der GSW, Gentrifizierung, Baugruppen und die Räumung der ehemals besetzten »Liebig 14«

Das Gespräch mir Jörn Boewe selbst fand in mehreren Etappen in den letzten Monaten statt, da mit jeder Verzögerung der Veröffentlichung noch aktuelle Entwicklungen berücksichtigt werden mussten. Auch ein deutliches Zeichen für die wohnungspolitische Hektik des Vorwahlkampfes.

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Verkürzte Kritik an der Gentrificationdebatte

Im neuen AK – der Zeitschrift für Analyse und Kritik – findet sich ein Beitrag zur Gentrificationdebatte. Diese nämlich sei vor allem eins: verkürzt.

Im Text heisst es:

Der Wandel der Stadt ist ohne den Wandel der Arbeit nicht zu verstehen. Wenn man die Debatte über Gentrifizierung verfolgt, dann scheint sich die These vom Ende der Arbeitsgesellschaft zu bewahrheiten, zumindest in den innenstadtnahen Altbauquartierten. Die zentrale Forderung ist die nach bezahlbarem Wohnraum. Arbeit kommt, wenn überhaupt, nur am Rande vor. Doch ohne eine Betrachtung der Arbeit lassen sich die Umbrüche in den Zentren der Städte nicht verstehen.

Ich habe mich spontan gefragt, welche Debatten da wohl gemeint sein mögen. Die der Arbeitslosen- und Sozialinitiativen, die feststellen, dass es für Hartz-IV-Haushalte in bestimmten Vierteln keine Wohnungen mehr gibt, die Mieterorganisationen, die regelmäßig darauf verweisen, dass die Anteile der Mietkosten an den verfügbaren Einkommen schon wieder gestiegen sind, die Graffities gegen Yuppies (young urban professionals) oder Proteste vor neu eröffneten Galerien… In der Praxis wird die Auseinandersetzung in den Stadtteilen fast immer mit Fragen ungleicher Einkommen, und neuen Arbeitsverhältnisse verbunden.

Aber eine ‚Verkürzung‘ aufzudecken ist offensichtlich publizistische reizvoller, als zu einer Vertiefung bereits bestehender Ansätze beizutragen.

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Filmreportage: Wohnungsnot in Europa

Das Arte-Jugendmagazin Yourope hat Gestern eine Sendung zur Wohnsituation von jungen Leuten in verschiedenen europäischen Städten ausgestrahlt: „Wie wohnen junge Europäer?

40 Prozent der Jugendlichen in Europe wohnen demnach noch mit Mitte Dreißig bei den Eltern. Der Grund sind weniger die Bequemlichkeiten im Hotel Mama, sondern die drastisch steigenden Wohnkosten in allen Ballungsräumen. Ein Wort durfte in der Anmoderation natürlich nicht fehlen:

„Schuld ist die Gentrifizierung. Klingt wie eine tödliche Krankheit, meint aber die Verdrängung…“

Mit kurzen Reportagen zu den Fetten-Mieten-Partys in Hamburg und einer Hausbesetzung von Jeudi Noir in Paris kommt auch der Widerstand gegen die Wohnungsnot in den europäischen Metropolen nicht zu kurz. Ob die Ankündigung „In Hamburg trinkt man sich die Mieten schön“ den Ansatz der Proteste wirklich trifft, sei mal dahingestellt. Im Beitrag jedenfalls dürfen Aktivisten ihre Wohnungen zeigen und ausführlich erklären, warum 4 Euro/qm ein angemessener Preis für eine Mietwohnung wären. Aber seht am besten selbst:

Düsseldorf: Recht-auf-Stadt-Kitsch

Stadtthemen sind gerade in und Düsseldorf zeigt, das Recht-auf-Stadt-Kampagnen die Popmusik unter den aktuellen Mobilisierungen sozialer Bewegungen sind. Während sich in anderen Städten Künstler/innen dem Vorwurf ausgesetzt sehen, aktiver Teil an den Aufwertungsprozessen zu sein, haben sie in Düsseldorf den Protest gegen Verdrängung und für mehr Freiräume gleich selbst in die Hand genommen.

Im Bündnis für Freiräume haben sich verschiedene Polit-Initiative, Kulturschaffende und Musikgruppen zusammengeschlossen um sich gemeinsam in die Düsseldorfer Stadtpolitik einzumischen. Statt Demos und Besetzungen gibt es hübsche Bilder und Musik.

Ende Februar hat die Gruppe Farbfieber (Kunst im öffentlichen Raum) in der Unterführung Ellerstraße ein Paar riesige Wandbilder gemalt und schon mal die richtige Frage gestellt:

Wandbild "Wem gehört die Stadt?" (Düsseldorf, Februar 2011)

Die Antwort auf die Frage gibt die Electropop-Band KitschCats mit ihrem Stück „Unsere Stadt“.

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=o_I-lL4UWhQ]

Berlin: Testballon im Hochpreissegment

Per Mail bin ich auf eine Wohnungsannonce aufmerksam gemacht worden. Die stadtweit agierende Immobilienfirma Lion bewirbt demnach bei ImmobilienScout24 eine Wohnung in der Silbersteinstraße in Neukölln. Der Umstand an sich ist nicht erstaunlich – doch der dort angegebene Preis der top-sanierten Altbauwohnung hat es in sich: Das möblierte Luxusapartment von 62 qm soll schlappe 1.400 Euro im Monat kosten. Das sind 22,50 Euro/qm (netto kalt)!

Wenn sich Berlin auf dem Weg in die  Wohnungsnot befindet –  so ungefähr könnte sie sich anfühlen. Aber auch der ganz normale Mietenwahnsinn in der Stadt sollte Anlass genug geben, eine Wohnungspolitik für Berlin einzufordern. eine Gelegenheit gibt es dazu am kommenden Samstag (16.04.2011) auf der „Wohnungspolitischen Konferenz“ der Berliner MieterGemeinschaft:

Vorsicht Wohnungsnot! Die Politik hat versagt! – Welche außer parlamentarische Gegenbewegung brauchen wir?

Sonnabend, dem 16. April 2011
Leuschnersaal des DGB Hauses
Keithstraße 1/3, 10787 Berlin
(Schöneberg, Nähe Wittenbergplatz)
Beginn: 10:30 Uhr – Ende: ca. 18:00 Uhr

Für alle, die noch unentschieden sind, ob sie sich gegen steigende Mieten und eine drohende Wohnungsnot engagieren sollten, hier eine kleine Entscheidungshilfe:

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Berlin: Mach mit, Mach’s nach, Mach’s besser

Jahrelang wurde darüber diskutiert, wie die aus dem Westen Zugezogenen die Ostberliner Altbauviertel verändern. Eine Einladung zu einer Nachbarschaftsversammlung in Kreuzberg zeigt nun, dass der Ost-West-Transfer keine Einbahnstraße ist.

Ein Frühstücksaktion gegen die Verdrängung aus dem Kiez in Cafe Reiche warb auf Flugblättern nicht nur mit deutschem und türkischem Text sondern mit dem Symbol der Wir-Bleiben-Alle-Bewegung von Anfang der 1990er Jahre aus dem Prenzlauer Berg.

Kreuzberger Stadtteilprotest 2011 mit Ostberliner WBA-Logo aus den 1990ern

 

 

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Hamburg: Protestfahrt gegen Slumlord-Strategie der Gagfah

Die meisten Mieter/innen wollen von ihren Hausverwaltungen in Ruhe gelassen werden und Post vom Eigentümer bedeutet oft nichts Gutes. Im Korallusviertel in Hamburg Wilhelmsburg ist das anders. Die Mieter/innen dort haben gemeinsam mit Stadtteilinitiativen und Mieterorganisationen einen Bus gemietet um bei ihrem Vermieter vorzusprechen. Der Grund: Finanzinvestor Fortress lässt die 2004 privatisierten Gagfah-Wohnungen systematisch verfallen und spart am Service und den Instandsetztungsausgaben. In der Stadtforschung werden solche Eigentümer/innen als Slumlords bezeichnet.

Die Bewohner/innen in Wilhelmsburg jedoch wollen die Vernachlässigung ihrer Wohnanlage nicht länger hinnehmen und konfrontierten die Geschäftsführung mit ihren Beschwerden. Eine Videodokumentation des AK Umstrukturierung Wilhelmsburg zeigt die gelungene Aktion:

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=a3WpkB2A6pA]

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Interview: Gentrification und Protest

Am Rande meiner Veranstaltung in Wien „So haben wir das nicht gemeint – Gentrification, Protest und Subkultur“  hat das Video-Kollektiv von kanalb.at ein Interview geführt. Alle, die das Vorveranstaltungsgemurmel im Hintergrund nicht stört, können sich hier in knapp 17 Minuten einen guten Überblick der aktuellen Debatten um Proteste gegen Verdrängung und Gentrification  verschaffen.

Video bei kanalb.at ansehen

 

Berlin: Luxuswohnprojekte verunsichern die Nachbarschaft

Eine gefälschte Einladung zu einem Champagner-Empfang im Luxuswohnprojekt Choriner Höfe hat eine Welle der Empörung in Prenzlauer Berg ausgelöst: gutgläubige Anwohner/innen sind über die sozialdarwinistischen Inhalte des Textes schockiert, und die Immobilienfirma distanziert sich scharf von der Fälschung und überlegt rechtliche Schritte einzuleiten.

In Tageszeitungen (Tagesspiegel: „Scherzmittel„) und auf Webseiten (Prenzlauer Berg Nachrichten: „Gefälschte Flyer machen Stimmung gegen die Choriner Höfe„) wird die Aktion erstaunlich gelassen aufgegriffen. Von der Form der Kommunikations-Guerilla wird sich nicht wirklich distanziert, statt dessen zitieren beide Artikel genüsslich aus dem gefälschten Schreiben und bestätigen den Fälschern:

Logo und Tonfall sind gut getroffen.

Das stimmt. Bedeutsamer scheint mir jedoch, dass auch die Inhalte des Schreibens eine Glaubwürdigkeit auf den ersten Blick ausstrahlen. Die Prenzlauer Berg Nachrichten zitieren einen Anwohner:

„Der Flyer ist ziemlich gut gemacht, und auch die übliche PR-Sprache sehr gut getroffen“, meint er. „Das klang plausibel.“ Andere Anwohner, mit denen er gesprochen habe, hätten das ähnlich gesehen. „Irgendwann rief dann aber die Agentur der Investoren bei mir an und klärte mich über die Fälschung auf – im Nachhinein frage ich mich natürlich, warum ich das nicht gleich bemerkt habe.“

Eine Fälschung ist eben nur so gut, wie es ihr gelingt die Vorstellungen und Erwartungen der Adressaten zu bedienen. Das dies im vorliegenden Fall mit einer überzogenen Form der sozialen Arroganz gelungen ist, zeigt wohin die Reise in Prenzlauer Berg geht.

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