Berlin: Wiener Altbau-Development-Strategie für Berlin

Gerade habe ich auf dem „Deutschen Geographentag“ (die nennen sich tatsächlich noch so!) in Wien einen Vortrag zu Luxuswohnanlagen in Berlin gehalten. Ein Wiener Kollege hat in der darauf folgenden Diskussion auf die mangelnde Verallgemeinerungsfähigkeit meiner Thesen verwiesen: Zumindest in Wien würde es gar nicht genügend Baulücken für Projekte wie den Marthashof oder die Prenzlauer Gärten geben – so sein Argument.

Das mag stimmen, eine andere Erklärung habe ich in verschiedenen österreichischen Zeitungen gefunden. Private Anleger und auch institutionelle Investoren finden den Berliner Immobilienmarkt viel attraktiver als Wien.

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Berlin: Lassen sich mit Gentrification Wahlen gewinnen?

Mietenpolitik und Fragen der Stadtentwicklung sind offenbar tatsächlich auf der Agenda parteipolitischer Auseinandersetzungen angekommen. Gut so! Langezeit ein völliges Nischenthema, müssen in Berlin-Mitte die Direktkandidaten für den Bundestag nun Rede und Antwort stehen, ob und wie sie eine soziale Stadtentwicklung gewährleisten wollen. Im Rahmen von sogenannten Wahlkreisdebatten mussten sich die Parteienvertreter/innen den Fragen von Leser/innen der Berliner Morgenpost stellen.

In der Anmoderation des Videoberichtes heisst es gleich im ersten Satz:

„Gentrifizierung – heisst das Thema, dass die Direktkandidaten in Mitte beschäftigt. Hinter dem Begriff verbirgt sich ein Verdrängungsprozess: Zunächst waren bestimmte Stadtviertel wegen niedriger Mietpreise für Studenten und Künstler attraktiv.  Durch Luxussanierungen und Modernisierungen werden  Wohnungen und Gewerbeflächen auch für Besserverdienden interessant. Die Mieten steigen, viele der Alteingesessenen müssen wegziehen, weil sie die Miete nicht mehr aufbringen können…“

Die komplette Fassung der Diskussion gibt es nachzulesen: „Berlin vor der Wahl – Wofür die Kandidaten in Mitte stehen„. Die Rollen sind relativ klar verteilt, Klaus Lederer (Linke) und Wolfgang Wieland (Grüne) wollen Mietsteigerungen irgendwie beschränken, Christian Burholt (CDU) und Kurt Lehner (FDP) fänden es eher problematisch, in Marktprozesse einzugreifen und Eva Högl (SPD) laviert zwischen allen Positionen. Den Kandidat/innen ist im Gespräch deutlich anzumerken, dass sie nicht wirklich ‚vom Fach‘ sind, und eher versuchen mit Allgemeinplätzen auf die Fragen zu reagieren. Weiterlesen

Berlin: Neue Eigentümer wollen in Ruhe gelassen werden

Wann immer es Diskussionen um die Legitimität von Protesten gegen Verdrängung und Gentrification gibt, wird irgendwann der Vorwurf des Konservatismus in die Runde geworfen. Wer gegen Verdrängung ist, wolle ja nur, dass alles bleibt, wie es ist und der Kreativität der Veränderung den Raum nehmen. Meine Standardantwort darauf ist meist ein Verweis auf die durchaus bestehenden Veränderungswünsche der Bewohner/innen selbst, denen es ja in der Regel vor allem darum geht, an den Veränderungen in der Nachbarschaft zu partizipieren… Mit dieser Argumentation akzeptierte ich jedoch bisher stillschweigend die Annahme, dass die Aufwertungen und Zuzüge für irgendwelche positiven Veränderungsimpulse stünden. Ein Beispiel aus Berlin Prenzlauer Berg zeigt nun, dass genau dies zu hinterfragen ist. Weiterlesen

Berlin: Weddinger Mieten auf Zehlendorfer Niveau

Die Berliner Morgenpost bestätigt in einem Beitrag der heutigen Ausgabe die Thesen einer allgemeine Mietsteigerungsdynamik in Berlin: Nirgendwo in Berlin steigen die Mieten so stark wie in Mitte.

Als neuer Schwerpunkt der Mietsteigerungen werden die alten Arbeiterquartiere Moabit und Wedding ausgemacht, die in der bisherigen Berichterstattung eher als „Soziale Brennpunkte“ und „Problemkieze“ herhalten mussten. Sichtbare Symptome der Veränderung werden in dem Beitrag zunächst an der sich verändernden Gewerbestruktur und verringerten Leerstandszahlen festgemacht.

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Berlin: Galeristen entdecken eine „Neue Mitte“

Pionierphasen der Aufwertung gehen oft mit dem Mythos der neu entdeckten In-Viertel einher. Hier ein neues Cafe, dort ein Galerie und schon ändert sich der Ruf des Quartiers. Dieser idealtypische Beginn einer Aufwertung funktioniert jedoch nur, wenn es ein Medium gibt, diese symbolischen Veränderungen in die Welt zu tragen.

Ein gutes Beispiel für solche eine symbolische Aufwertung ist auf Spiegel Online zu finden. Unter dem Titel „Berliner Kunstszene: Glamour für die Potse“ wird die beginnende Verwandlung der bisher als Schmuddelecke rezipierten Gegend um die Potsdamer Straße in Schöneberg zur „Neuen Mitte“ herbeigeschrieben. Anlass sind eine handvoll Neueröffnungen von Galerien: Weiterlesen

Berlin: Zweifelhafter Weltruf

Jetzt ist es amtlich: Berlin hat doch einen internationalen Ruf. Dies jedenfalls schreibt Nils Michaelis in der taz nach eine Punkkonzert mit Jello Biafra: Punk-Präsident mit Haltung:

Das sollte Klaus Wowereit aufhorchen lassen. „Das erste Wort, das mir in den Sinn kommt, wenn ich an Berlin denke, ist Gentrifizierung.“ Der Mann, der diese Worte am Freitagabend im SO 36 sprach, ist ein Experte für klare Ansagen: Punkidol Jello Biafra war nach langer Zeit wieder in Kreuzberg zu Gast, diesmal mit seiner neuen Band The Guantanamo School of Medicine.

Die Äußerungen des Sängers und Politaktivisten dürften bei den Veranstaltern auf offene Ohren gestoßen sein, sehen sie sich doch gravierenden Verschiebungen in dem Kiez ausgesetzt, den Biafra Anfang der 80er-Jahre mit den legendären Dead Kennedys kennen gelernt hatte. Wenigstens hatte das Benefiz-Konzert der Toten Hosen zwei Tage zuvor die Kasse für die von Anwohnern geforderte Lärmschutzwand aufgebessert.

Berlin: Weltstadt der Bruchbuden?

Der Streit um die Berliner Leerstandszahlen geht in eine neue Runde. Bereits zur Veröffentlichung des aktuellen Mietspiegels hatten Mieterorganisationen die von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hochgehaltenen 100.000 leerstehenden Wohnungen bezweifelt. Jetzt legte der Berliner Mieterverein die Ergebnisse einer eigenen Befragung vor und schätzt die Anzahl der nichtvermietbaren Wohnungen auf 50.000. Auch wenn die Studie nicht repräsentativ ist, wird an unzähligen Beispielen die Vielfalt von Leerstandsgründen benannt. Der Tenor der Untersuchung: Nur etwa die Hälfte der Leerstandswohnungen steht leer, weil sich keine Mieter/innen finden. Häufige Ursachen für den Leerstand sind Unbewohnbarkeit durch Mängel am baulichen Zustand, zu hohe Mieten aber auch die Spekulation auf eine erfolgreiche Umwandlung in Eigentumswohnungen.

Hintergrund des Leerstandszahlenstreites ist die Bewertung der Berliner Wohnungsmarktsituation. Abhängig vom Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage kann festgestellt werden, ob es einen örtlichen Wohnungsmangel gibt. Wichtig ist dies vor allem für den Geltungsbereich des §5 des Wirtschaftsstrafgesetzes zur Begrenzung der Neuvermietungsmieten (siehe ausführlicher hier im Blog: Mieterhöhung durch Leerstand)

Artikel dazu gab es in fast allen Berliner Tageszeitungen:

Berliner Zeitung: Mieterverein fordert Preisbindung

Bemerkenswert neben den Berichten jedoch ist vor allem ein Kommentar von Martin Klesmann in  der Berliner Zeitung: Einstürzende Altbauten. Der Beitrag liest sich ein wenig wie eine schlecht imitierte Presseerklärung aus dem Hause Junge-Reyer: Wir haben keine Wohnungsnot und überhaupt sein Forderungen nach Mietobergrenzen einfach nicht „metropolentauglich“… Weiterlesen

Aufruf: Die Krise findet Stadt

Das bundesweite Bündnis „Wir zahlen nicht für eure Krise“ kündigt für den 17. September einen dezentralen Aktionstag an. Bisher sind in 15 Städten Protestaktivitäten geplant. In Berlin wird es neben anderen sozialpolitischen Interventionen auch eine Kundgebung vor der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung geben:

Do., 17. September, 13 Uhr
Senatsverwaltung | Fehrbelliner Platz
Stadtpolitische Aktion: “Die Krise findet Stadt – Wir übernehmen den Laden”

Im Aufruf werden unter anderem die Abdankung der Stadtentwicklungssenatorin und ein Rettungspaket für eine soziale und selbstverwaltete Stadtentwicklung gefordert.

Stadtaktivist/innen und Initiativen sind eingeladen, sich mit kurzen Redebeiträgen in die Kundgebung einzubringen. Am 15.09. wird es noch ein letztes Vorbereitungstreffen geben, um die Beiträge abzustimmen (20 Uhr im Bethanien, Mariannenplatz 2)

via Mail von:
AG Stadt/ Bündnis „Wir zahlen nicht für Eure Krise“

Dokumentation des Aufrufs:

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Berlin: Prenzlauer Berg war weder einfach noch nett

„Es sei einfach nett hier, meint eine werdende Mutter. In Berlin-Prenzlauer Berg hätten eben alle denselben Lebensplan. Eine Pfarrerin hat immer mehr zu tun…“

„Deshalb nicht nur zur Erinnerung: Prenzlauer Berg war weder einfach noch nett, und schon gar nicht beides zusammen. Prenzlauer Berg war, als wir das Wort Existenzminimum noch nicht kannten, das Lebensmaximum.“

Als Filmankündigung für die ARD-Doku „Unter deutschen Dächern“ über den Wandel in Berlin Prenzlauer Berg geschrieben erschien heute im Feuilleton der jungen welt der schönste Beitrag  auf den ich seit langem zu Prenzlauer Berg gelesen habe. Robert Mießner nimmt uns in seinem Beitrag „Keiner war Elite“ mit auf eine kleine Zeitreise in die Nachwendezeit und macht deutlich, dass Künstlerszenen, Trinker und Austeiger ihre eigene Welt gestalteten, aber den späteren Aufwertungen nichts entgegenzusetzen hatten:

Und wenn wir den Stand oder die Lage der Dinge erörtern, stellen wir oft fest: Wir hätten eine der Verwaltungs- und nicht Geisteswissenschaften studieren, in strategischer Voraussicht Läden eröffnen und Häuser kaufen sollen. Bloß, daß uns keine Bank Kredit gegeben hätte. Selbst über den Dispo mußten wir verhandeln. Uns, die wir Lautstärke so sehr liebten, fehlte zu allem Unglück eine große Fresse.

Das Unverständnis gegenüber den neuen Verhältnissen und den Lebensstilen der neuen Bewohner/innen wird in dem Beitrag schön herausgearbeitet und zeigt, dass Phänomene der kulturellen Disonanz durch Quartiersveränderungen nicht nur bei älteren Langzeitbewohner/innen anzutreffen sind. Robert Mießner spricht für eine Anfang der 1990er Jahre zugezogenen subkulturelle Ostszene, die in doppelter Weise von ihren damaligen Alltagswelten entfremdet wurden: neben der aufwertungsbedingten Zerschlagung ihrer ökonomischen Existentgrundlagen erlebte diese Generation eine zumindest kulturelle Kolonialisierung durch die westdeutsche Zuzüge, die inzwischen die Deutungsmacht und Lifstyle-Hegemonie in den Quartieren übernommen haben.

Weil der Beitrag wirklich sehr schön ist, hier in voller Länge:

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Filmtip: Unter deutschen Dächern (ARD)

Heute,  spät am Abend, gibt es bei der ARD eine vielversprechende Dokumentation über den Wandel in Berlin Prenzlauer Berg zu sehen:

Mittwoch, 26. August 2009, 23.30 Uhr im Ersten: „Unter deutschen Dächern„. Die Dokumentation von Kristian Kähler verspricht einen kritischen Blick auf die Veränderungen. In der Ankündigung heisst es:

Wie kein anderes Viertel in Deutschland wurde der Prenzlauer Berg in den vergangenen 20 Jahren umgekrempelt. Aus dem ehemaligen Arbeiterviertel im Berliner Osten ist ein boomender Kiez geworden.  Nach der Wende wurde der Prenzlauer Berg zu Europas größtem Sanierungsgebiet: verfallene Altbauten wurden mit massiven Steuergeldern in wenigen Jahren in schick renovierte Fassaden verwandelt. Nirgendwo verlief der Aufbau Ost schneller und drastischer.

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