Berlin: Mietproteste und Landfriedensbruch

In den Tickermeldungen vom Wochenende findet sich eine kurze und kryptische Notiz zu einem Polizeieinsatz gegen eine Protestaktion gegen Mieterhöhungen und Zwangsräumungen, die am vergangenen Freitag stattgefunden haben soll:

Bei einer Protestaktion linker Demonstranten gegen Mieterhöhungen und Zwangsräumungen war die Lage am Freitagabend in Prenzlauer Berg eskaliert. An der Aktion nahmen rund 150 Menschen teil. Ein ziviles Polizeifahrzeug wurde angegriffen und dessen Scheiben beschädigt. Die Beamten überprüften 21 Demonstranten. Zudem wurden Strafermittlungsverfahren wegen schweren Landfriedensbruchs eingeleitet sowie ein Haftbefehl wegen gefährlicher Körperverletzung vollstreckt.

Auch der Tagesspiegel hat die Meldung aufgegriffen und in ein quotenorientiertes Format gebracht: Eskalation bei Linkendemo.

Leider gibt es über die Inhalte und den Verlauf der Demonstration nicht wirklich viel zu erfahren. Falls eine/r mehr darüber berichten kann als der Tagesspiegel – mich würde es interessieren.

Berlin: SPD will Gentrification in Wählerstimmen ummünzen

Heute war in der Berliner Zeitung ein Interiew mit dem früheren Juso-Vorsitzenden Björn Böhning zu lesen, der sich am Wochenende für einen der aussichtsreichen Listenplätze für die kommende Bundestagswahl nominieren lassen will: „Ein bisschen Zittern„. Neben den üblichen politischen Plattitüden solcher Wahlwerbeinterviews gab es jedoch ein paar überraschende Sätze zu Böhnings Wahlkreis Kreuzberg-Friedrichshain.

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Berlin: Nicht in meinem Vorgarten

Seit einigen Monaten ist rund um den Kollwitzplatz in Berlin Prenzlauer Berg ein skuriler Streit zu beobachten: Krisengebiet Kollwitzplatz. Nein, nicht dass es um die knapp 80 Prozent Altbewohner/innen ginge, die seit Beginn der Sanierung ausgezogen sind und auch um die neuen Luxuswohnprojekte geht es diesmal nicht. Anlass der Aufregung ist die Verlegung des inzwischen auch touristisch beliebten Kollwitzplatzmarktes von der Wörtherstraßenseite des Platzes in die Knaackstraße. Weiterlesen

Berlin Mitte: Aufgeräumt, Herausgeputzt und Sozial Bereinigt

update: Titel des Blogeintrages wurde nachräglich geändert

Ach was waren wir schockiert, als durch die PFE-Studie am Kollwitzplatz bekannt wurde, dass nur knapp 20 Prozent der aktuellen Bewohner/innen bereits vor der Sanierung am Kollwitzplatz oder den umliegenden Sanierungsgebieten gewohnt haben. Vor allem dann, wenn politische Schlussfolgerungen aus dem Scheitern der sozialen Sanierungsziele (Erhalt der sozialen Zusammensetzung der Bevölkerung) gefordert wurden, ist auf die angebliche Sonderrolle des Kollwitzplatzgebietes verwiesen worden. Noch sei gar nicht abzusehen, ob in den anderen Sanierungsgebieten überhaupt ähnlich dramatische Entwicklungen stattgefunden haben…

Nun liegt eine neue Studie vor: für die Rosenthaler Vorstadt im Bezirk Mitte. Die Ergebnisse sind in einer Ausstellung zu besichtigen und die taz berichtete im Beitrag „Aufgeräumte Mitte“ ausführlich, dass es einen neuen Spitzenreiter in Sachen Verdrängung gibt. Die Rosenthaler Vorstadt platziert sich mit 86 Prozent Zugezogenen unter der derzeitigen Bewohnerschaft deutlich vor dem Kollwitzplatz ein. Glückwunsch! Oder was wäre eine angemessenen Reaktion? Weiterlesen

Berlin: Ex-Baustadtrat mag keine Luxuswohnungen

Heute gibt es ein sehr schönes Interview mit Matthias Klipp in der taz zu lesen: „Ich wundere mich, dass keiner Farbbeutel wirft. Darin beschreibt der ehemalige Stadtteilaktivist, Baustadtrat, der seit Ende der 1990er Jahren bei verschiedenen Sanierungsgesellschaften, Bauträgern und Immobilenentwicklern arbeitete, seine Sicht auf die Veränderungen in Prenzlauer Berg. Nie ein Mann der kleine Töne gewesen, lässt uns Matthias Klipp erfahren was, er von den Luxuswohnprojekten hält und dass er sich mit den Marken teurer Autos auskennt. Weiterlesen

Berlin: Wohnungspolitik zum 1. Mai

Auch wenn die Vorberichterstattung zur herbeigeschriebenen Randale am 1. Mai immer wieder versuchte, einen Zusammenhang zu den sich zaghaft entwickelnden Protesten gegen Stadtumstrukturierung und steigende Mieten herzustellen: der 1. Mai in Berlin war kein wohnungspolitischer Kampftag. Jedenfalls nicht in erster Linie. Doch ein paar Spuren haben die stadtpolitischen Auseinandersetzungen der letzten Monate hinterlassen.

Auf indymedia gibt es einen Hinweis auf eine hübsche Aktion in Kreuzberg. Berlin: Radikaler Wandel der Wohnungspolitik. An mehren umstrittenen Bauprojekten wurden Plakete mit den Bildern der Stadtentwicklungssenatorin (Junge-Reyer, SPD) und des Wirtschaftssenator (Wolf, Die Linke) und Schriftzügen „Wir machen ernst mit der sozialen Stadt“ und „Jetzt wird Berlin richtig rot“ angebracht, die eine Enteignung der Grundstücke bekanntgaben. Im Text heisst es:

Wie aus sicherer Quelle bekannt wurde, hat der rot-rote Senat in Berlin pünktlich zum Kampftag der Arbeiterklasse einen radikalen Wandel in seiner bisherigen neoliberalen Wohnungspolitik vollzogen. So wurden in Kreuzberg und angrenzenden Bezirken mehrere Neubauvorhaben gekennzeichnet, die deren Enteignung und Vergabe an Hartz-IV Bezieher_innen ankündigt.

Schön in diesem Zusammenhang auch: die Stadtentwicklungssenatorin (die findet, dass es für jeden Geldbeutel eine würdige Wohnung gibt) auf der May-Day-Parade:

May-Day, Berlin 2009

May-Day, Berlin 2009 (Danke Yan!)

Berlin: 1. Mai, Gentrification und Panikmache

Seit ein paar Tagen überschlagen sich die Berliner Tageszeitungen mit Vorberichten zum 1. Mai und schreiben die Randale herbei. Insbesondere der Tagesspiegel tut sich dabei mit wilden Spekulationen und vorgeblichen Insiderberichten hervor: Polizei steht schwierigster 1. Mai seit Jahren bevor, Autonome in Berlin: Militante Managerschule.

Aber auch die anderen Zeitungen stehen dem in nur wenig nach. Berliner Morgenpost: Randal-Gefahr, BZ: Randale-Angst… Auch im Politmagazin Kontraste gibt es einen Hntergrundbeitrag zum Thema: Brandanschläge in Berlin – auf Spurensuche in der linken Hauptstadtszene (Video)
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Berlin Kreuzberg: Verdrängungsangst und Protestoptimismus

In der taz von heute gibt es einen längeren Beitrag zu den Aufwertungsentwicklungen in Berlin Kreuzberg. Gentrifikation in Kreuzberg. Die Furcht vor der Verdrängung. Christoph Villinger beschreibt an am Beispiel eines Mietshauses in der Katzbachstraße  die Folgen von Modernisierungmaßnahmen und die Effekte der steigenden Neuvermietungsmieten. Nicht nur der von der taz befragte Mieter Norbert Arndt macht sich Sorgen um die künftige Entwicklung des Stadtteils:

Immer mehr Kreuzberger stellen sich wie Norbert Arndt die Frage: was tun? Anders als in den Schickimicki-Kiezen in Mitte und Prenzlauer Berg steht den Mietern in der Katzbachstraße nicht einmal eine Milieuschutzverordnung zur Seite. Doch auch wenn man in einem Milieuschutzgebiet wie rund um die Wrangelstraße im östlichen Kreuzberg lebt, ist es schwierig, sich juristisch gegen ungewollte Modernisierungen zu wehren.

Doch da, wo juristisch nichts mehr geht, bleibt immer noch der Protest. Sigmar Gude, Stadtplaner von Topos und seit Jahren mit den Entwicklungen in Kreuzberg befasst, gibt sich optimistisch:

Immerhin ist Stadtsoziologe Sigmar Gude davon überzeugt, dass den Kreuzbergern ein ähnliches Schicksal wie den ehemaligen Anwohnern des Kollwitzplatzes erspart bleibt. „In Kreuzberg“, nennt er den Grund für seinen Optimismus, „gibt es viel zu viel Widerstände gegen eine Aufwertung“.

Hinzu komme die Multikulti-Mischung im Kiez. Gude wörtlich: „Das Bionade-Biedermeier kann hier keine vollständig befreiten deutschstämmigen Zonen schaffen wie in Mitte oder in Prenzlauer Berg“. Das sei auch den Wohnungssuchenden bewusst, die mit einer der schick sanierten Wohnungen liebäugelten. Nach Kreuzberg, meint Gude, kommen vor allem Leute, die mit dieser Mischung leben könnten. „Als Besitzer eines hochwertigen Autos würde ich in der Wrangelstraße nicht ruhig schlafen können.“

Den Weg der individuellen Lösung der Wohnungsfrage gehen jedoch oft die aus dem Alternativmilieu emporsteigenden Baugruppen…

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Kollwitzplatz: Gehen, Bleiben, Vergehen

Im Tagesspiegel von morgen gibt es einen Veranstaltungsbericht zur Diskussion vom Montag („Kollwitzplatz: Aufwertung oder Gentrification?“):  Kollwitzplatz: Prekäres Paradies. In dem Beitrag wird die dort geführte  Debatte recht ausführlich beschrieben:

Am Kollwitzplatz ist nach langjähriger Sanierung ein Wohlfühlkiez entstanden – doch der hat seinen Preis. Jetzt wird darüber gestritten, ob hier „Verdrängung“ oder ein „moderater Wandel“ stattgefunden hat.

Anette Gröschner hat ihre Position in diesem Streit schon gefunden. Im Freitag-Blog ist ihr hübscher Beitrag „Das Vergehen der Bier-Boheme“ zu lesen. Darin heisst es:

Würde man nachforschen, wer von den Leuten auf dem Foto der Mieterdemonstration „WBA – Wir bleiben alle“ 1993 vor dem Roten Rathaus noch im Viertel wohnt, das Resultat wäre ernüchternd. So entzündet sich der Streit der Kritiker und Befürworter des Sanierungsprozesses daran, ob es in einer Großstadt ein Erfolg ist, wenn nach 15 Jahren Sanierungsgebiet noch 17,3 Prozent der Bewohner in derselben Wohnung wie 1993 leben. Die kulturelle Entwicklung von der Bier-Boheme zum Bionade-Biedermeier hat die Politik der behutsamen Stadterneuerung nicht aufgehalten, im Gegenteil. Das Sanierungsgebiet Kollwitzplatz ist ein Musterbeispiel für Gentrifizierung. Profitiert haben die gut verdienenden Neu­zugezogenen, die hier in den vergangenen Jahren Familien gegründet haben. Wer in pastellfarbenen Wohnhäusern wohnen will, darf nicht grau aussehen.

Schade drum, es hätte so schön werden können… Doch in den aktuellen Rückzugsgefechtendebatten um das Ende der Stadterneuerung geht es kaum noch um die Forderungen der Vergangenheit, sondern vor allem um die Fragen des Gehens, Geblieben und  Gegangenworden seins… Der Bericht im Tagesspiegel zeigt schön auf, wie die einzelnen Protagonist/innen der Debatte es immer wieder schaffen aneinandervorbei zu reden oder aus der Perspektive einer „subjektiven Emperie“ (Theo Winters) zu argumentieren.  So ist es eigentlich ein Gebot der Logik auf die Beschreibung von indirekten Verdrängungsprozessen (die in den steigenden Preisen von neuvermieteten Wohnungen begründet liegen) nicht mit einer Darstellung der vielen freiwilligen individuellen Fortzüge zu kontern um damit zu ‚beweisen‘ dass es keine Verdrängung gegeben habe:

Laut PfE-Studie liegt die durchschnittliche Nettokaltmiete am Kollwitzplatz bei erträglichen 5,50 Euro pro Quadratmeter – auch dank langfristiger Mietpreisbindungen. 9 Euro müsse jedoch berappen, wer heute neu in den Kiez ziehen will. „Das ist zumindest indirekte Verdrängung“, so der derzeit in Frankfurt am Main forschende Holm. Geringverdiener fänden kaum noch bezahlbare Wohnungen.

Anders als sein Schüler Holm weigert sich Häußermann, von Gentrifizierung überhaupt noch zu sprechen – das sei ein „politischer Kampfbegriff“ geworden. Der soziale Wandel habe sich im Kiez relativ moderat vollzogen, „auch wenn das der allgemeinen Wahrnehmung widerspricht“, so Häußermann. Das Gros der Weggezogenen seien „Flüchtlinge“ – Menschen, die freiwillig gegangen sein. (…) Häußermann beschrieb derweil auch die andere Seite. „Die Vertriebenen gibt es auch“, so der Soziologe. „Leute wurden aus ihren Wohnungen gemobbt – oder einfach herausgekauft.“ Viele Einzelfälle, aber eben nicht die Regel.

Der Grünen Bezirksverordnete Peter Brenn hat seine ganz eigenen Argumentation gefunden, um die ‚Mär von der Verdrängung‘ ein für allemal zurückzuweisen:

„Vor der Sanierung war das hier eine andere Welt. Ich habe im Winter Heizstrahler aufgestellt, damit das Klo nicht einfriert.“ Um besser wohnen zu können, habe er wie viele andere Prenzlauer Berg verlassen. Von „Verdrängung“ könne nicht die Rede sein.

Auch Theo Winters vom Sanierungsbeaufragten S.T.E.R.N. wehrte sich auch gegen eine allzu negative Beurteilung der vergangenen Jahre und widersprach der These Prenzlauer Berg entwickle sich zu einem zweiten Steglitz-Zehlendorf.

„Die Einkommen erscheinen zwar hoch, aber sie sind prekär.“ Noch sei offen, wie hart die Wirtschaftskrise die Selbständigen und Freiberufler am Kollwitzplatz treffen werde.

Na dann wohl an, vielleicht rettet ja die Finanzkrise den leicht angeschlagenen sozialen Ruf der Behutsamen Stadterneuerer.

Kollwitzplatz: Aufwertung oder Gentrification?

Unter den Fragestellung „Kollwitzplatz: Aufwertung oder Gentrification?“ fand am Monatg (27.04.09) eine weitere Veranstaltung im Rahmen der Ausstellung zur Aufhebung der Sanierungssatzung im ehemaligen Sanierungsgebiet Kollwitzplatz in Berlin Prenzlauer Berg statt.

Auf der Basis der abschließenden Sozialstudie von PFE (siehe hier im gentrificationblog) diskutierten verschiedene Expert/innen und Sanierungsbeteiligte über die Einschätzung des Wandels in den vergangenen 15 Jahren. Erwartungsgemäß waren die Positionen sehr unterschiedlich und reichten von der Einschätzung einer „sozialen Stabilisierung“ (Hannemann/ S.T.E.R.N.) und eines „moderaten Wandels“ (Prof. Häußermann) über das obligatorischen „halbvolle Glas“ (Winters/S.T.E.R.N.) und bishin zum Gentrificationbefund (ich selbst).

Das Zitat des Abends landete Wolf Schulgen (Abteilungsleiter bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung): Die ganze Sanierung sei ein voller Erfolg, denn ganz offensichtlich fühlen sich die Leute hier ja wohl. Der Kollwitzplatz sei durch die Stadterneuerung zu einem lebenswerten Kiez geworden und auch Probleme mit den steigenden Mieten sind nicht wirklich dramatisch. Schließlich gibt es in anderen Gebieten der Stadt ja preisgünstige Alternativen. Wen Herr Schulgen wohin schicken will, wenns in Prenzlauer Berg mal knapp wird mit der Mietzahlungsfähigkeit, hat er uns auch verraten: „… ist die Platte denn unzumutbar? Die war doch früher auch ganz beliebt bei denen.“

Einen ausführlichen Veranstaltungsbericht gibt es in den nächsten Tagen. Hier schon mal eine Zusammenfassung meines eigenen Statements. Einiges ist aus der Logik der Veranstaltung besser zu verstehen, anderes ist hoffentlich auch so verständlich.

Podiumsdiskussion: Ergebnisse von 15 Jahren Stadterneuerung – Gentrifcation oder Aufwertung? (Kollwitzplatz, 27.04.2009)

Statement zur Sozialstudie Kollwitzplatz 2008 (Andrej Holm)

Die Veränderungen im Sanierungsgebiet Kollwitzplatz weisen die klassischen Verlaufsformen und Merkmale einer Gentrification auf. Ich gehe auf diese in den Stadterneuerungsdiskussionen der vergangenen Jahre umstrittene Einschätzung ein, weil ich glaube, dass über eine solche Analyse Schlussfolgerungen für die Verantwortung der Sanierungspolitik und eine notwenige Nachsorge im Sanierungsgebiet getroffen werden können.
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