Der Hype um den überraschenden Wahlerfolg der Piratenpartei wird vielfach vom Image des jungendlichen und unverbrauchten Politikstils der Generation Internet getragen. Doch ein Blick zurück in die Berliner Geschichte zeigt: Piraten hin oder her – Protestparteien hatten in Zeiten der Wohnungskrise immer gute Chancen. Anfang der 1980er Jahre gerieten die bisherigen Konzepte der Stadt- und Wohnungspolitik endgültig aus den Fugen und 150 besetzte Häuser markierten einen Wendepunkt. Auf der Woge der Unzufriedenheit und des Protestes zog 1981 die Alternative Liste (AL) – der Berliner Vorgänger der heutigen Grünen – erstmals ins Abgeordnetenhaus ein.
Auch 30 Jahre später erscheinen Wohnungskrise und Protestwahl als zwei Seiten der selben Medaille. Die wahlkreisbezogene Stimmenverteilung der Piratenpartei ist nahezu deckungsgleich mit den aktuellen Mietsteigerungsdynamiken in Berlin: je höher die Mietsteigerungen, desto mehr Stimmen für die Piratenpartei. In 22 der insgesamt 78 Wahlkreise erzielte die Piratenpartei mehr als 10 Prozent der abgegebenen Stimmen – 19 davon liegen in den von Gentrification-Prozessen erfassten Altbauquartieren von Friedrichshain-Kreuzberg, Nordneukölln, Prenzlauer Berg, südliches Lichtenberg und Alt-Treptow.
Zugegeben, solche Zahlenspielereien haben nur einen begrenzten Erklärungswert – ein Blick zurück in die Geschichte kann sich dennoch lohnen:
- Die taz erinnert heute in einem Beitrag an den Tod von Klaus-Jürgen Rattay, der nach der Räumung eine besetzen Hauses in der Bülowstraße auf der Flucht vor der Polizei von einem BVG-Bus überfahren wurde: „Häuserkampf – damals und heute: Der Kampf geht leiser„.
- Im Rahmen der „Woche der Widerspenstigen“ zum 30. Jubiläum der Westberliner Hausbesetzungsbewegung 1980/81 habe ich zusammen mit Wolf Wetzel darüber diskutiert, was aktuelle städtische Protestbewegungen aus dieser Geschichte lernen können „Häuserkampf und Gentrification„. Eine Audio-Mitschnitt von reboot.fm gibt es auch.
- Auch die Berliner Zeitung interessierte sich für Thema und hat mich nach den Parallelen zwischen den aktuellen Mieterprotesten und der Hausbesetzerbewegung vor 30 Jahren befragt: „Die selben Ursachen„.