Berlin: Deutungsgerangel um Prenzlauer Berg

Mein kleiner polemischer Artikel („Prenzlauer Berg als hyperlokale Enklave„) zum Versuch eine Lokalzeitung in Prenzlauer Berg zu etablieren hat ein erstaunliches Echo hervorgerufen. Hier gab es 10 Kommentare zum gleichen Posting beim Freitag sogar 27 Kommentare. Torsten Wahl hat in der Berliner Zeitung das Thema aufgegriffen („Mit Milchschaum vorm Mund„) und die Webseite evangelisch.de freut sich über meine schöne neuen Wortschöpfung vom „Hyper-Enklavismus“. Doch nicht allen hat mein Artikel gefallen. Peer Schader hat bei den Medienpiraten eine bissige Antwort formuliert: „Wie Berlin den Prenzlauer Berg zu hassen lernte“. Auch per twitter wurde das Thema aufgegriffen und kommentiert.

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Berlin: Prenzlauer Berg als hyperlokale Enklave

Was, sie kennen das Wort Hyperlokalismus noch nicht? Dann könnten Sie einen der wirklich wegweisenden Netzwerk- und Medientrends des kommenden Jahres verpassen:

Nennen Sie es, wie Sie wollen. Hyperlokal, sublokal, local based oder wie auch immer. Einer der Trends für 2011 wird (…) das Thema “Lokales” sein. Also das, was in meiner direkten Umgebung geschieht, abgebildet, zu finden, zu bewerten – über das Internet. Das bedeutet dann: Hyperlokal.

Auch 10 Journalist/innen und Medienschaffende aus Prenzlauer Berg wollten den Trend auf keinen Fall verpassen und sind Anfang Dezember mit dem Projekt „Prenzlauer Berg Nachrichten“ (PBN) Online gegangen – natürlich auch irgendwie hyperlokal:

Prenzlauer Berg Nachrichten sind eine kleine, aber innovative hyperlokale Online-Lokalzeitung für den Prenzlauer Berg

Das Online-Medium selbst hat bisher einen begrenzten Informationswert für alle, die sich tatsächlich mit der Bezirkspolitik beschäftigen wollen, bietet aber einen prima Untersuchungsgegenstand für ethnologische Studien zu den diskursiven Raumaneignungsstrategien von Hinzugezogenen in Prenzlauer Berg. Die Themenauswahl und der Grundton der Berichterstattung wirken wie ein Spiegel der neu entstandenen Bildungsbürger-Enklaven. Von den bisher 17 Beiträgen in der Rubrik Politik beschäftigen mehr als die Hälfte mit den Themen der Schule und der Gehwege in der Kastanienallee.

Die Macher/innen des Projektes sind den eigenen Angaben nach mit jeder Menge Berufserfahrung ausgestattet – trotzdem darf der Gründer der Prenzlauer Berg Nachrichten gegenüber SpiegelOnline ein irgendwie merkwürdiges Gründungsmotiv vorstellen:

„Die Berliner Blätter ziehen sich aus der Lokalberichterstattung immer mehr zurück“, sagt Philipp Schwörbel. Er lebt seit 2003 in Prenzlauer Berg, hat für Gesine Schwan gearbeitet, als die Bundespräsidentin werden wollte. „Ich wusste nicht, wer der Bürgermeister von meinem Bezirk ist und was der überhaupt macht“, sagt Schwörbel – in der Berliner Presse fand er keine Antwort.

Ich habe von Lokal-Journalismus nicht wirklich viel Ahnung, finde es aber merkwürdig, dass sich ausgerechnet die Leute dazu berufen fühlen, eine hyperlokale Stadtteilzeitung zu machen, die nicht einmal wissen, wer gerade Bürgermeister im Bezirk ist.

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