Harlem: Gentrification im Schneckentempo

Auf den Seiten von City Limits aus New York gibt es einen spannenden Artikel, der die Krisenauswirkungen in Harlem beschreibt: „Quiet follows Harlem’s rezoning for development“. Demetria Irwin beschreibt in ihrem Artikel die weitgehende Einstellung der Bauarbeiten an verschiedenen Baurojekten in Harlem. Insbesondere entlang der 125th Street haben zudem etliche Geschäfte aufgegeben, so dass der Aufwertungsboom der vergangenen Jahre auch im Straßenbild sichtbare Rückschläge verzeichnen muss.

The major factor, of course, was the collapse of the financial markets that came months after the rezoning approval, deflating New York City’s real estate bubble. Harlem was not spared. According to the Greater Harlem Chamber of Commerce, approximately one-third of businesses in Harlem closed in the last year, between July 1, 2008 and June 30, 2009.

Dass es nicht nur Krisenverlierer geben muss, geht aus den Aussagen der lokalen Mieterorganisationen hervor, denn der Zusammenbruch der Immobilienwirtschaft nimmt den Verdrängungsdruck aus dem Quartier:

„For so many low-income and even moderate-income Harlem residents, this is good news in that there is the expectation that it will ease some of the displacement pressures,“ said Harlem Tenants Council director Nettie Hester Bailey. „The economic meltdown and the collapse of the real estate industry have stopped the overdevelopment of Harlem in its tracks.“

Stadterneuerung als Gentrification

Das Verhältnis zwischen Stadterneuerungsmaßnahmen und Gentrification wird hierzulande heftig diskutiert. Die meisten Stadterneuerungsprogramme der vergangenen Jahre geben vor, sich an partizipativen und behutsamen Strategien zu orientieren. Gentrificationbefunde werden daher oft als überzogene Kritik an der Stadterneuerungspolitik gewertet. Gentrification erscheint in diesen Debatten teilweise als das Gegenteil von Stadterneuerung. Dabei sind die strukturellen Überschneidungen kaum zu übersehen und viele Gentrificationprozesse wurden von Stadterneuerungsmaßnahmen angestoßen.

Auch international gibt es vergleichbare Auseinandersetzungen. Umso erfreulicher, dass der Chicagoer Soziologe Derek S. Hyra seine Arbeit „The New Urban Renewal: The Economic Transformation of Harlem and Bronzeville“ veröffentlicht hat. Am Beispiel der beiden wohl berühmtesten früheren Schwarzenghettos beschreibt Hyra die Aufwertungseffekte der Stadterneuerungspolitik. Dabei verweist der Autor darauf, dass die Verdrängungsprozesse keineswegs nur auf Marktentwicklungen zurückzuführen sind, sondern wesentlich durch die Festlegung von Sonderzonen und Sanierungsgebieten ausgelöst wiurden. Ein Artikel bei The Sun gibt einen guten Einstieg in die Thesen des Buches: „The Way We Gentrify Now: Derek Hyra’s ‚New Urban Renewal„.

Harlem: Aufwertung durch Uni-Campus

Auch die Welt-Online greift die Veränderungen in Harlem in einem Artikel auf: „Die aktuelle Front heißt 125. Straße“ . Die Beschreibungen im Text von Hannes Stein bestätigen die Aufwertungshypothese:

„Block um Block erobern Familien des Mittelstandes den einstigen New Yorker Problembezirk Harlem. Die Alteingesessenen wehren sich“

Als ein Motor der Veränderungen wird der Ausbau der Columbia University (CUNY) beschrieben:

„Die 125. Straße gilt als neue Grenze: Alles, was oberhalb liegt, ist angeblich noch Arme-Leute-Zone, alles unterhalb wird schon von den jungen Leuten geprägt, die an der nahebei gelegenen Columbia University studieren. In Wahrheit wimmelt es aber auch oberhalb dieser imaginären Grenze von Baustellen und Häuserfassaden, die von Gerüsten zugedeckt sind. Im Prenzlauer Berg in Berlin sind Straßenzüge zu besichtigen, die kaputter wirken als alles, was Black Harlem dem Auge des erstaunten Gastes zu bieten hat. In der Mitte von Harlem erhebt sich ein Märchenschloss, das so aussieht, als sei es just so spitzgiebelig, wie es dasteht, original vom Disneykonzern entworfen worden. Es handelt sich um den Campus von CUNY, der City University of New York.“

Mehr zum Thema gab es kürzlich auch hier im Gentrificationblog zu lesen: Harlem bald reich und weiss?

Harlem bald reich und weiss?

Die Aufwertungstendenzen im ehemals als Schwarzenghetto stigmatisierten Harlem in New York werden seit einem guten Jahrzehnt beobachtet und strafen all jene Lügen, die davon ausgingen, dass in wirklich heruntergewirtschafteten Vierteln keine Gentrification stattfinden könne (siehe auch hier).

In einem Artikel im INTHEFRAY Magazine werden die aktuellen Entwicklungen in Harlem beschrieben: Will Harlem lose its soul? In dem Beitrag kommt ein Bewohner mit folgender für Harlem überraschenden Prognose zu Wort:

“You know that in 25 years, Harlem’s going to be mostly white,” another customer, a light-skinned African American man, declares. “Seventy-five percent white and just 25 percent black.”

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