Berlin: Die Renditestreber von Moabit

Mieterprotest in der Calvinstraße (Bild: MoabitOnline)

Die Verdrängung der Mieter/innen aus ihren Wohnungen beschränkt sich längst nicht mehr auf die vermeintlichen Trendbezirke – auch in Moabit gewinnt die Aufwertungsspirale an Schwung. In der Melanchton/Calvinstraße hat die Terrial GmbH zum Jahreswechsel weitere Kündigungen ausgesprochen. Mit Luxusneubauten und Wohnungsmodenierungen versuchen die Eigentümer mehr Geld aus ihren Grundstücken Häusern zu schlagen. Die bisherigen Bewohner/innen stören dabei und werden mit verschiedenen Mitteln zum Auszug bewegt: Neben jahrelangem Baulärm und Baubelastungen sind drastische Modernisierungsumlagen (von fast 5 Euro/qm) und Kündigungen wegen angeblichen Mietzahlungsverzugs (wegen vom Eigentümer nicht anerkannter Mietminderungen) die Verdrängungsinstrumente der Wahl.

Vor Ablauf der Kündigungsfrist am 31.12.2011 haben die Mieter/innen noch einmal die Öffentlichkeit gesucht und kurz vor Weihnachten gemeinsam mit dem Berliner MieterVerein zu einem Pressegespräch geladen. Ausführliche Berichte gibt es bei MoabitOnline („Calvinstraße 21 – die letzten Mohikaner?„), im Neuen Deutschland („Zu Weihnachten die Kündigung„) und bei der Berliner Abendschau („Mieterprotest in Tiergarten„).

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Berlin: Spekulation mit Hausprojekt (K86)

Die Kastanienallee 86 soll für 1,3 Mio. Euro verkauft werden (Bild: pimp)

Die unsanierte Fassade mit den Transparenten und Polit-Installationen („Kapitalismus normiert – zerstört – tötet“) wirkt in der pastellfarbenen Umgebung von Prenzlauer Berg schon jetzt wie eine letzte Reminiszenz des Aufbruchs der Hausbesetzungen Anfang der 1990er Jahre. Kurz nach der Wende besetzt, bietet die Kastanienallee 86 bis heute für etwa 40 Bewohner/innen einen Freiraum und ein Dach über den Kopf. Wohngemeinschaften, Veranstaltungsräume und das stadtbekannte Tuntenhaus würde es ohne die durch die Hausbesetzung erlangten Mietkonditionen nicht geben.

Doch der Kapitalismus – hier in Gestakt des Immobilienmarktes – macht auch um ein politisches Hausprojekt keinen Bogen. Die bisherigen Eigentümer sind mit ihren Sanierungsplänen gescheitert und wollen das Haus nun wieder verkaufen.

Über die Allgemeine Immobilien-Börse (Sitz: Hubertusalle 45, 14193 Berlin-Grunewald) wird das Haus in der Kastanienallee für 1,3 Mio. Euro zum Kauf angeboten. Das entspricht einem Quadratmeterpreis von fast 950 Euro/qm – für ein weitgehend unsaniertes Haus ein stolzer Preis.

Die momentanen Jahreseinnahmen (Netto-Kalt-Mieten) werden mit 51.800 Euro angegeben – das entspricht einer durchschnittlichen monatlichen Kaltmietbelastung von 3,11 Euro/qm.  In Aussicht gestellt werden den potentiellen Käufer/innen Jahreseinnahmen von 170.000 Euro. Das würde einer monatlichen Kaltmiete von über 8 Euro/qm entsprechen. Schlecht für die jetzigen Bewohner/innen – gut für die künftigen Eigentümer/innen: Die Soll-Rendite wird mit 13,1 Prozent angegeben. Ein rundum lohnendes Angebot, dem eigentlich nur noch die jetzigen Bewohner/innen im Wege stehen.  Weiterlesen

Stuttgart: Hochpreiswohnen am Tiefbahnhof

potentielle Bebauungsflächen Stuttgart 21 (Bild: stuttgart.de)

Die Stuttgarter Schlichtungsrunden zwischen den S21-Befürworter/innen und den Gegner/innen scheinen zwar wenig zu einer Schlichtung des Konfliktes beizutragen, bieten dafür aber den einen oder anderen Schlagabtausch der Argumente. Am Freitag kamen die künftigen Bebauungspläne zur Sprache. Die Schlagworte vom „hochwertigen Wohnen“ auf einem „europäischen Stadtgrundriss an der Parkkante“ lassen nicht Gutes vermuten und auch die in der Diskussion gehandelten Grundstückpreise (also noch ohne Bebauung) verweisen auf ein eher hochpreisiges Wohnungsmarktsegment.

Der immobilienwirtschaftliche Aufwertungsdruck ist dabei hausgemacht. Denn die Stadt erwarb die bebaubaren und nicht bebaubaren Grundstücke des Bahnhofsprojektes von der Deutschen Bahn im Jahre 2000 für einen Preis 474 Mio. Euro ohne sich die mindestens 20jährige Übergangszeit bis zur tatsächlichen Verfügbarkeit der Flächen verzinsen zu lassen.

Prof. Jürgen Baumüller, weltweit anerkannter Stadtklimatologe, stellte sein immobilienwirtschaftliches Basiswissen unter Beweis und rechnete die fiktiven Zins- und Zinseszinskosten für diese verdeckte Subvention der Deutschen Bahn aus. Auf mittlerweile 1,5 Mrd Euro seien die Kosten des Grundstückkaufs (berechnet auf der Basis verlorener Zinseinnahmen) angestiegen. Bezogen auf die voraussichtlich 50 ha zu bebauender Fläche wären das also 3.000 Euro/qm. Die lokalpolitische Unterstützung für den Tiefbahnhof wird wohl durch hochpreisige Wohnungen finanziert werden müssen… Heiner Geissler nutzte seine Moderationsfunktion, um zu fragen, ob die Abwicklung von Geschäften die absehbar keine Einnahmen und keinen Nutzen generieren überhaupt erlaubt seien. Geklärt werden konnten diese verwaltungs- und kommunalrechtlichen Fragen in der Schlichtungsrunde leider nicht.

Für alle, die ein wenig Zeit haben und sich von der schwäbischen Mundart der Beteiligten nicht abschrecken lassen, gibt es bei coloRadio aus Dresden einen wirklich informativen Ausschnitt der Freitagssitzung.

Den Versprecher des Tages leistet sich der für das Bauressort zuständige Bürgermeister Hahn, der allen Anwesenden versichern wollte, dass auch die Stadtregierung ein ehrliches  Interesse an

„einer maßlosen Bebauung der Parkkante“

habe. Die Geistesgegenwart des Bügermeister im Zusammenahng des knapp verpassten ‚maßvoll‚ eine Freud’schen  Fehleistung in Spiel zu bringen, spricht für ein erstaunliches Maß an Selbstironie oder eine gehörige Portion Dummheit.

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Geschäft mit dem Leerstand

Am kommenden Samstag (23. Oktober 2010, 13 Uhr Uni-Campus) ruft ein breiter Unterstützungskreis in Hamburg zur einer Demonstration „Leerstand zu Wohnraum!“ auf. Alle, die es wollen, können sich sogar auf facebook mit der Initiative befreunden. Im Aufruf heisst es:

Die Mieten in Hamburg steigen kontinuierlich. In den innerstädtischen Vierteln ist es kaum noch möglich, eine Wohnung unter 10 Euro/qm zu finden. Gleichzeitig stehen zahlreiche Gebäude leer, der Leerstand an Büroflächen beträgt momentan 1,17 Mio. Quadratmeter und trotzdem wird immer mehr Büroraum gebaut.

Hamburg ist damit kein Einzelfall. Trotz wachsender Leerstandszahlen in Bürogebäuden sind in vielen Städten immer noch Neubauprojekte gewerblicher Immobilien zu beobachten. Zum Teil sind die Neubauprojekte sicher von der Hoffnung getragen, den aktuellen Bedarfen einer modernen Büronutzung besser zu entsprechen und deshalb gegenüber bestehenden (älteren) Büroanbietern konkurrenzfähig zu sein. Der Umfang der Leerstände in den lokalen Büroimmobilienmärkten verringert sich dadurch natürlich nicht. Viele fragen sich: Wäre es nicht sinnvoll, statt des Leerstandes wenigstens eine kleine Einnahme aus einer preiswerteren Nutzung zu erzielen?

Doch das Geschäft mit den Immobilien fragt – wie alle anderen Kapitalverwertungsstrategien – nicht nach dem Sinn eine Unternehmung, sondern nach deren Zweck. Und der besteht in der Rendite. Mit fatalen Folgen für die Stadtentwicklung – denn einer unkomplizierten Umwidmung in beispielsweise preiswerte Wohnräume stehen eine Reihe von wirtschaftlichen Barrieren gegenüber. So absurd es klingen mag: im Vergleich zu einer preiswerten Vermietung lohnt sich der Leerstand.

Vier Gründe dafür seien hier aufgeführt…

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Berlin: Luxuswohnen trotz Krise weiter im Trend

Luxuswohnen in Berlin: mehr als goldenen Wasserhähne

Nicht wenige hatten sich ja angsichts der Finanzkrise Hoffnung gemacht, der beginnende Bauboom im Luxuswohnsegment würde in Berlin schnell in sich zusammenbrechen. Die Orco-Pleiten in den Fehrbelliner Höfen und am Kurfürstendamm (Haus Cumberland) – beide Bauprojekte wurden trotz begonnener Arbeiten eingestellt – schienen diese Kriseneffekte zu bestätigen. Doch die erfolgreichen Fertigstellungen der Luxuswohnprojekte Marthashof oder Palais KolleBelle in Berlin Prenzlauer Berg weisen in eine andere Richtung. Die von den Maklern herbeigeredeten krisenfesten Investitionen ins Betongeld, scheinen ganz erfolgreich gewesen zu sein.

Ein ausführlicher Bericht über die aktuelle Marktlage des Berliner Luxuswohnsegments ist in der Immobilienbeilage der Berliner Zeitung zu finden: Luxus nach Maß. Vincent Mulder vom niederländischen Projektentwickler Kondor Wessels gibt darin ausführlich Auskunft über seine Markteinschätzung und sagt den Berliner Luxuswohninvestitionen eine goldenen Zukunft voraus:

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Notting Hill: mehr als eine Filmkulisse

Notting Hill, bekannt geworden unter anderem durch den gleichnamigen Film mit Hugh Grant und Julia Roberts, ist eines der klassischen Beispiele für Gentrificationprozesse. Ein Artikel im Tagesspiegel erklärt, warum der Film dem Viertel den Rest gab: „Heute wird kaum noch über schöne Literatur geredet, nur noch über Immobilienpreise“:

An zwei der drei Ecken gegenüber der Kirche liegen Maklerbüros, da wird ein Zweizimmer-Souterrain-Apartment für 399 000 Pfund (483 000 Euro) angeboten, eine Vierzimmerwohnung mit Dachterrasse kostet 2,25 Millionen Pfund (2 839 224 Euro). An der dritten Ecke ist ein Schuhladen, in dem war Madonna auch schon shoppen. Westbourne Grove ist eine der angesagtesten Straßen der Stadt – selbst Oxfam, der wohltätige Second Hand-Laden, sieht hier aus wie eine Luxusboutique.

Die Entwicklung Notting Hills in den vergangenen Jahrzehnten klingt wie ein Lehrstück in Sachen Gentrification:

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