Berlin: Auf dem Weg in die Zitadellenökonomie

Wir schreiben das Jahr 2010 und der Oktober rückt immer näher. Und mit ihm die unweigerlichen Erinnerungssendungen, Jubelveranstaltungen und Sachbuchvorstellungen zum 20. Jahrestag der sogenannten Wiedervereinigung. Den Reigen der Bilanzen hat ausgerechnet der telegraph (ostdeutsche zeitschrift) eröffnet. In knapp zwanzig Beiträgen wird eine linke Rückschau auf zwei Dekaden vereinigtes Deutschland präsentiert. In der taz (Grundhaltung bewahrt) und dem Neuen Deutschland (Linke ostdeutsche Opposition) gab es zwei wohlwollende Rezensionen von Peter Nowak. Das Thema Stadtentwicklung und Verdrängung durfte dabei nicht fehlen:

In der aktuellen Ausgabe ist der Mix aus Theorie und Praxis gelungen. Dort zieht der Stadtsoziologe Andrej Holm eine ernüchternde Bilanz von 20 Jahre Stadtsanierung in Prenzlauer Berg: „All die Aufwertungsprognosen der Vergangenheit haben sich erfüllt – aber ,recht haben‘ ist keine Kategorie des politischen Erfolges. Leider.“ (taz)

Der Stadtsoziologe Andrej Holm beschreibt die Entwicklung des Prenzlauer Berg vom kulturanarchistischen Utopia der frühen Wendejahre zur Hochburg der Bionade-Bourgeoisie aus Sicht der Bewohner mit geringem Einkommen. Nicht alle starben aus Gram über ihre aus ökonomischen Zwängen verlassenen Wohnungen, wie der Fotograf Peter Woelck. Aber an den Stadtrand wurden viele verdrängt. »All die Aufwertungsprognosen der Vergangenheit haben sich erfüllt – aber Recht haben ist keine Kategorie des politischen Erfolges. Leider«, so Holms bitteres Resümee. (Neues Deutschland)

Meine Rückschau auf zwanzig Jahre Stadterneuerung in Berlin Prenzlauer Berg gibt es auch hier zu lesen.

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Berlin: Abrissgenehmigung als Kündigungsinstrument

Vor ein ein paar Wochen gab es hier einen Beitrag zum Abriss der Kastanienallee 42 mit einem ausführlichen Interview mit einer Mieterin. Zur Erinnerung: Mit einer Wirtschaftlichkeitsberechnung hatte der Eigentümer einen Abriss des Hauses begründet und konnte auf dieser Grundlage die Mietverträge kündigen. Anders als bei Modernisierungsankündigungen gilt ein Abriss aus Wirtschaftlichkeitsgründen als regulärer Kündigungsanlass und bedarf keiner Zustimmung durch die Mieter/innen. Mit solchen Abrissgenehmigungen verschiebt sich das durch Mietrecht halbwegs ausbalancierte Kräfteverhältnis zwischen Mieter/innen und Eigentümer/innen also deutlich zugunsten der Eigentümer/innen und gibt ihnen eine extralegales Kündigungsinstrument in die Hand.

In der taz von heute wurde die Geschichte aufgegriffen. Unter der Überschrift Ein Haus muss weichen lässt Manuela Heim neben der Mieterin auch die Hausverwaltung und die Leiterin des zuständigen Stadtplanungsamtes zu Wort kommen.

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