Berlin: Luxuswohnprojekte verunsichern die Nachbarschaft

Eine gefälschte Einladung zu einem Champagner-Empfang im Luxuswohnprojekt Choriner Höfe hat eine Welle der Empörung in Prenzlauer Berg ausgelöst: gutgläubige Anwohner/innen sind über die sozialdarwinistischen Inhalte des Textes schockiert, und die Immobilienfirma distanziert sich scharf von der Fälschung und überlegt rechtliche Schritte einzuleiten.

In Tageszeitungen (Tagesspiegel: „Scherzmittel„) und auf Webseiten (Prenzlauer Berg Nachrichten: „Gefälschte Flyer machen Stimmung gegen die Choriner Höfe„) wird die Aktion erstaunlich gelassen aufgegriffen. Von der Form der Kommunikations-Guerilla wird sich nicht wirklich distanziert, statt dessen zitieren beide Artikel genüsslich aus dem gefälschten Schreiben und bestätigen den Fälschern:

Logo und Tonfall sind gut getroffen.

Das stimmt. Bedeutsamer scheint mir jedoch, dass auch die Inhalte des Schreibens eine Glaubwürdigkeit auf den ersten Blick ausstrahlen. Die Prenzlauer Berg Nachrichten zitieren einen Anwohner:

„Der Flyer ist ziemlich gut gemacht, und auch die übliche PR-Sprache sehr gut getroffen“, meint er. „Das klang plausibel.“ Andere Anwohner, mit denen er gesprochen habe, hätten das ähnlich gesehen. „Irgendwann rief dann aber die Agentur der Investoren bei mir an und klärte mich über die Fälschung auf – im Nachhinein frage ich mich natürlich, warum ich das nicht gleich bemerkt habe.“

Eine Fälschung ist eben nur so gut, wie es ihr gelingt die Vorstellungen und Erwartungen der Adressaten zu bedienen. Das dies im vorliegenden Fall mit einer überzogenen Form der sozialen Arroganz gelungen ist, zeigt wohin die Reise in Prenzlauer Berg geht.

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Berlin: Neubau immer teurer

Eigentlich ein alter Hut: Neugebaute Wohnungen rangieren oft im oberen Preissegment der städtischen Wohnungsmärkte. Für Berlin wird dieser Trend durch eine aktuelle Studie der BulwienGesa AG bestätigt. Eine Studie „Der Markt für Projektentwicklungen in den deutschen A-Städten 2010“ gibt neben den Immobilienmarktentwicklungen in Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München, Stuttgart auch Auskunft über die aktuellen Trends in Berlin. Die Berliner Zeitung fasste die Ergebnisse zusammen: Wo die Mieten am schnellsten steigen.

Im Stadtteil Prenzlauer Berg sind die Mietpreise für Neubau-Wohnimmobilien zwischen 2003 und 2009 um 43 Prozent gestiegen – so stark wie nirgendwo sonst in Berlin. (…) Auch die Preise für neue Eigentumswohnungen sind in einigen zentral gelegenen Stadtteilen deutlich in die Höhe geschnellt. Mit Abstand an der Spitze: Kreuzberg mit 30 und Schöneberg mit 28 Prozent Kostenanstieg.

Passend dazu auch ein Bericht im Tagesspiegel zu aktuellen Bauprojekten im Hochpreissegment: Der Krise zum Trotz: Teuer geht immer.

Vor allem in den östlichen Innenstadtbezirken, aber auch in ausgesuchten Lagen von Charlottenburg-Wilmersdorf, Steglitz- Zehlendorf, Schöneberg und Kreuzberg „ergeben sich für Projektentwickler enorme Vermarktungspotenziale“, sagt André Adami vom Marktforschungsinstitut BulwienGesa. Adami untersuchte im Auftrag von Diamona & Harnisch den Markt der gehobenen Neubauwohnungen und stellte fest, dass derzeit allein im Alt-Bezirk Mitte knapp 800 Eigentumswohnungen im Preissegment von über 3000 Euro pro Quadratmeter in Bau und weitere 1000 in Planung sind.

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Berlin: Kastanienallee 42 – Abriss und Verdrängung

In der Kastanienallee an der Grenze von Mitte und Prenzlauer Berg werden Altbauten abgerissen. Vor über zwanzig Jahren verhinderten Anwohnerproteste in der Oderberger Straße die Abrisspläne der SED – heute reicht die Wirtschaftlichkeitsberechnung eines Hauseigentümers, um eine Abrissgenehmigung zu bekommen.

Kastanienallee 42: Noch diese Woche soll der Abriss beginnen

Am Sonntag waren wir von Bekannten zu einer kleinen Abschiedsfeier in den Hof der Kastanienallee 42 eingeladen. Ab morgen soll der Abriss beginnen. Statt Buddelkisten und Bänken unter Bäumen sieht der Hof schon aus wie eine Baustelle. Die Bäume wurden bereits vor ein paar Wochen gefällt, denn das Wurzelwerk steht dem Bau einer Tiefgarage im Wege.  Die letzten Mieter/innen sind im Laufe der letzten Woche ausgezogen. Diese Woche noch beginnt die Entkernung und im Juni wird das Gebäude abgerissen.

Das Haus ist alt und zwanzig Jahre nach der Wende noch immer auf dem Stand einer DDR-Reko-Maßnahme. Aber baufällig wirkt es nicht – bis vor ein paar Monaten waren die meisten Wohnungen bewohnt. Aber ob ein Haus bewohnbar ist oder nicht, spielt für die Erteilung einer Abrissgenehmigung offensichtlich nur eine untergeordnete Rolle. Die Zauberformel heißt „Wirtschaftlichkeitsberechnung“. In solchen Berechnung vergleichen Eigentümer die Kosten für die Sanierung mit denen für Abriss und Neubau. Übersteigen die Sanierungskosten die Finanzierung eines Neubaus, gilt die „angemessenen wirtschaftliche Verwertbarkeit des Hauses“ als gefährdet und eine Abrissgenehmigung muss erteilt werden. Mieter/innen der Kastanienallee 42 bezweifeln, dass solche Anträge im Bauamt Mitte überhaupt gründlich überprüft werden (siehe Interview, unten).

Solch eine Abrissgenehmigung hat für die Eigentümer/innen verschiedenen Vorteile: Anders als Modernisierungsankündigungen kann beim Abriss gekündigt werden, Abriss-Eigentümer müssen sich also nicht länger mit den Mieter/innen herumschlagen. Neubauprojekte können unkompliziert die aktuellen Standards auf dem Eigentumswohnungsmarkt bedienen und Tiefgaragen und Fahrstuhlanlagen anbieten. Im konkreten Fall der Kastanienallee bringt ein Neubau auch noch den Vorteil, dass mit einem Bau bis zur zulässigen Traufhöhe mindestens zwei zusätzliche Etagen gewonnen werden können.

Für die Bewohner/innen bedeuten Abrisspläne vor allem, dass sie ausziehen müssen. Obwohl die meisten gerne in der direkten Umgebung geblieben wären, sind fast alle fortgezogen. Ein paar haben in den Randlagen von Prenzlauer Berg eine Wohnung gefunden, andere sind erstmal zu Freunden gezogen oder gleich nach Neukölln.

Gentrification-Karawane: Umzugsrichtung Neukölln

Der Aufwertungskreisel in Mitte und Prenzlauer Berg brummt also weiter. Gleich gegenüber kündigt ein Bauschild neue Eigentumswohnungen auf dem Grundstück vor einer ehemaligen Kita an und ein paar Hausnummern weiter wird an einem bereits leergezogenen Haus für hochwertige Eigentumswohnungen geworben. Sollte sich herumsprechen, wie großzügig das Bauamt in Mitte mit Abrissgenehmigungen umgeht, wird das Haus in der Kastanienallee 42 nicht der letzte Kahlschlag bleiben.

UPDATE: Die Kita befindet sich im hinteren Teil der Grundstücks und wird bleiben können. Eigentumswohnungen werden trotzdem gebaut.

Kastanienalle (gegenüber): Eben noch Kita, bald Neubauprojekt

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Wilhelmsburg: Baugruppen als Aufwertungspioniere

Die IBA in Wilhelmsburg setzt bei der Aufwertung der Elbinsel auf die Förderung neuer Wohnformen. Nach den im Sommer begonnenen Sanierungsarbeiten der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft SAGA im Reiherstiegviertel werden nun auch die ersten Neubaupläne im Rahmen der IBA konkret. Für Sommer 2009 ist der Baubeginn für die ersten Wohnungen des „Open House“ Projektes am Ernst-August-Kanal angekündigt. IBA-Geschäftsführer Uli Hellweg freut sich über das „ersten Bauprojekt der IBA überhaupt“. Ein Artikel im Hamburger AbendblattNah am Wasser und an der City“ bennent Baugruppen und Genossenschaften als erste Investoren. In späteren Baustufen will auch die Stadterneuerungsgesellschaft STEG eigene Projekte entwickeln. Neben Mietwohnungen, deren Preise zwischen 5,00 und 6,40 Euro/qm (nettokalt) liegen sollen, werden auch Eigentumswohnungen (für 1.850 Euro pro Quadratmeter bei Selbstausbau) errichtet. Diese Preise liegen unter den vergleichbaren Werten anderer Hamburger Stadtteile, aber deutlich über den bisherigen Wohnungsmieten in Wilhelmsburg. Die Aufwertung beginnt mit kleinen Schritten… Weiterlesen