Mein kleiner polemischer Artikel („Prenzlauer Berg als hyperlokale Enklave„) zum Versuch eine Lokalzeitung in Prenzlauer Berg zu etablieren hat ein erstaunliches Echo hervorgerufen. Hier gab es 10 Kommentare zum gleichen Posting beim Freitag sogar 27 Kommentare. Torsten Wahl hat in der Berliner Zeitung das Thema aufgegriffen („Mit Milchschaum vorm Mund„) und die Webseite evangelisch.de freut sich über meine schöne neuen Wortschöpfung vom „Hyper-Enklavismus“. Doch nicht allen hat mein Artikel gefallen. Peer Schader hat bei den Medienpiraten eine bissige Antwort formuliert: „Wie Berlin den Prenzlauer Berg zu hassen lernte“. Auch per twitter wurde das Thema aufgegriffen und kommentiert.
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Berlin: Besinnliche Erinnerungen
Die Festtage zum Jahreswechsel boten ja in den vergangen Jahren in Prenzlauer Berg reichlich Anlass zum Spott über das weihnachtlichen Reiseverhalten der Zugezogenen. Mit Plakaten bedankten sich Ostberliner für die freien Parkplätze (Weihnachten 2005) und wünschten eine gute Heimfahrt (Weihnachten 2006).
Für alle, die nicht mehr in die Stadt ihrer Kindheitserinnerungen reisen können, hier ein paar besinnliche Bilder aus den 1980er Jahren…
Alle Fotos wurden rund um den Helmholtzplatz aufgenommen – Musik und Text sind von Reinhard Lakomy, der einigen durch seine Kinderlinder bekannt sein könnte.
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Berlin: Post-Gentrification-Protest in Prenzlauer Berg
Gentrification wird in den stadtpolitischen Auseinandersetzungen immer mal wieder als ‚Kampfbegriff“ beschrieben. Kein Wunder, geht es doch auch um einen von verschiedenen Interessen und Gruppen umkämpften Raum. Insbesondere die drohende Verdrängung von Bewohner/innen mit geringeren ökonomischen Ressourcen löst regelmäßig Mobilisierungen der Betroffenen aus. Die breitangelegten Wir-Bleiben-Alle-Mieterproteste Anfang der 1990er Jahre in Prenzlauer Berg dürften als Prototyp solcher Anti-Verdrängungs-Mobilisierungen gelten.
Doch mit der Aufwertung der Quartiere und dem Austausch der Bewohnerschaft verschieben sich nicht nur die Anforderungen der Bewohner/innen an ihre Nachbarschaften, sondern die Konfliktstrukturen städtischer Proteste. Stadtteilbezogene Proteste – ihre Themen, ihre Artikulationsformen und nicht zuletzt die Zusammensetzung der Aktiven – können dabei als Indikator für die Veränderungsprozesse selbst gelten.
In den aktuellen Protesten gegen die bezirklichen Umbaupläne der Gehwege in de Kastanienallee wird dies exemplarisch deutlich. Das Bezirkamt argumentiert mit den erneuerungsbedürftigen Gehwegplatten und einer mehr als unbefriedigenden Verkehrssituation insbesondere für den Fahrradverkehr. Anwohner/innen und Gewerbetreibende sehen in den Umbauplänen vor allem eine Verkleinerung der Gehwegflächen, befürchten den Verlust der einzigartigen Atmosphäre der Straße und kritisieren die mangelnde Beteiligung an den Umbauplänen.
Mit dem Slogan der Kastanie21 versuchen die Aktiven sich zumindest rhetorisch in die Nähe der Bahnhofsproteste in Stuttgart zu stellen. Die taz greift diese Selbstdarstellung ironisch auf und berichtet über den Bürgersteigaufstand in der Castingallee. Auch die Berliner Abendschau berichtet in einem Beitrag über die Proteste in Prenzlauer Berg: Streit in der Kastanienallee.
Berlin: Prenzlauer Berg als hyperlokale Enklave
Was, sie kennen das Wort Hyperlokalismus noch nicht? Dann könnten Sie einen der wirklich wegweisenden Netzwerk- und Medientrends des kommenden Jahres verpassen:
Nennen Sie es, wie Sie wollen. Hyperlokal, sublokal, local based oder wie auch immer. Einer der Trends für 2011 wird (…) das Thema “Lokales” sein. Also das, was in meiner direkten Umgebung geschieht, abgebildet, zu finden, zu bewerten – über das Internet. Das bedeutet dann: Hyperlokal.
Auch 10 Journalist/innen und Medienschaffende aus Prenzlauer Berg wollten den Trend auf keinen Fall verpassen und sind Anfang Dezember mit dem Projekt „Prenzlauer Berg Nachrichten“ (PBN) Online gegangen – natürlich auch irgendwie hyperlokal:
Prenzlauer Berg Nachrichten sind eine kleine, aber innovative hyperlokale Online-Lokalzeitung für den Prenzlauer Berg
Das Online-Medium selbst hat bisher einen begrenzten Informationswert für alle, die sich tatsächlich mit der Bezirkspolitik beschäftigen wollen, bietet aber einen prima Untersuchungsgegenstand für ethnologische Studien zu den diskursiven Raumaneignungsstrategien von Hinzugezogenen in Prenzlauer Berg. Die Themenauswahl und der Grundton der Berichterstattung wirken wie ein Spiegel der neu entstandenen Bildungsbürger-Enklaven. Von den bisher 17 Beiträgen in der Rubrik Politik beschäftigen mehr als die Hälfte mit den Themen der Schule und der Gehwege in der Kastanienallee.
Die Macher/innen des Projektes sind den eigenen Angaben nach mit jeder Menge Berufserfahrung ausgestattet – trotzdem darf der Gründer der Prenzlauer Berg Nachrichten gegenüber SpiegelOnline ein irgendwie merkwürdiges Gründungsmotiv vorstellen:
„Die Berliner Blätter ziehen sich aus der Lokalberichterstattung immer mehr zurück“, sagt Philipp Schwörbel. Er lebt seit 2003 in Prenzlauer Berg, hat für Gesine Schwan gearbeitet, als die Bundespräsidentin werden wollte. „Ich wusste nicht, wer der Bürgermeister von meinem Bezirk ist und was der überhaupt macht“, sagt Schwörbel – in der Berliner Presse fand er keine Antwort.
Ich habe von Lokal-Journalismus nicht wirklich viel Ahnung, finde es aber merkwürdig, dass sich ausgerechnet die Leute dazu berufen fühlen, eine hyperlokale Stadtteilzeitung zu machen, die nicht einmal wissen, wer gerade Bürgermeister im Bezirk ist.
Berlin: Spekulation mit Hausprojekt (K86)
Die unsanierte Fassade mit den Transparenten und Polit-Installationen („Kapitalismus normiert – zerstört – tötet“) wirkt in der pastellfarbenen Umgebung von Prenzlauer Berg schon jetzt wie eine letzte Reminiszenz des Aufbruchs der Hausbesetzungen Anfang der 1990er Jahre. Kurz nach der Wende besetzt, bietet die Kastanienallee 86 bis heute für etwa 40 Bewohner/innen einen Freiraum und ein Dach über den Kopf. Wohngemeinschaften, Veranstaltungsräume und das stadtbekannte Tuntenhaus würde es ohne die durch die Hausbesetzung erlangten Mietkonditionen nicht geben.
Doch der Kapitalismus – hier in Gestakt des Immobilienmarktes – macht auch um ein politisches Hausprojekt keinen Bogen. Die bisherigen Eigentümer sind mit ihren Sanierungsplänen gescheitert und wollen das Haus nun wieder verkaufen.
Über die Allgemeine Immobilien-Börse (Sitz: Hubertusalle 45, 14193 Berlin-Grunewald) wird das Haus in der Kastanienallee für 1,3 Mio. Euro zum Kauf angeboten. Das entspricht einem Quadratmeterpreis von fast 950 Euro/qm – für ein weitgehend unsaniertes Haus ein stolzer Preis.
Die momentanen Jahreseinnahmen (Netto-Kalt-Mieten) werden mit 51.800 Euro angegeben – das entspricht einer durchschnittlichen monatlichen Kaltmietbelastung von 3,11 Euro/qm. In Aussicht gestellt werden den potentiellen Käufer/innen Jahreseinnahmen von 170.000 Euro. Das würde einer monatlichen Kaltmiete von über 8 Euro/qm entsprechen. Schlecht für die jetzigen Bewohner/innen – gut für die künftigen Eigentümer/innen: Die Soll-Rendite wird mit 13,1 Prozent angegeben. Ein rundum lohnendes Angebot, dem eigentlich nur noch die jetzigen Bewohner/innen im Wege stehen. Weiterlesen
Berlin: Rückblick auf die Stadterneuerung
Ich bin gerade zufällig auf ein fast vier Jahre altes Interview zur Stadterneuerung in Berlin Prenzlauer Berg gestoßen: „Das Ende der Behutsamkeit„. Anlass war die Herausgabe meines Buches „Restrukturierung des Raumes“ in dem ich versucht hatte, die Machtverhältnisse in der Stadterneuerungspolitik der 1990er Jahre zu analysieren. Im Mittelpunkt des Gesprächs standen insbesondere Einschätzungen und Prognosen zu den sozialen Effekten der Sanierung. Aus heutiger Perspektive erschreckend, wie deutlich die düsteren Prognosen von damals heute Realität geworden sind.
Das Interview wurde in der Sanierungszeitschrift VorOrt abgedruckt, die seit 1992 von der Mieterberatungsgesellschaft Prenzlauer Berg herausgegeben wird und mittlerweile eine unendlich informative Chronik der Stadterneuerung darstellt. Die Ausgaben seit September 2005 sind auch online abrufbar.
Berlin: Eigentümer-Paradies in der Mieterstadt
Gerade heute habe ich wieder in einer wissenschaftlichen Arbeit lesen müssen, dass der Gentrification-Befund in Prenzlauer Berg gar nicht wirklich gesichert sei, weil Verdrängung nicht als einfache Ableitung von steigenden Mieten und Bevölkerungsaustausch beschrieben werden könne. So wichtig kulturelle und wahrnehmungsbezogene Aspekte für das Verständnis von stadträumlichen Veränderungen auch sein mögen – im Kern kann Gentrification durchaus als Verdrängung im Gefolge immobilienwirtschaftlicher Inwertsetzung beschrieben werden.
Als ein relativ eindeutiger Indikator für solche Formen der ökonomischen Verdrängung erscheint mir die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, denn nur die wenigsten der früheren Bewohner/innen können sich den Erwerb einer Eigentumswohung leisten.
In einem aktuellen Beitrag zum Marthashof-Projekt in Prenzlauer Berg kommt mit Andreas Purrer unter anderem ein Immobilienberater bei Engel & Völkers zu Wort und berichtet, das der Markt für Eigentumswohnungen in den letzten Jahren ‚explodiert‘ sei:
Konnte man noch vor etwa zehn Jahren für 1000 bis 1500 Euro pro Quadratmeter eine Wohnung erwerben, müsse der Käufer gegenwärtig mit Preisen von mindestens 2500, in guten Lagen wie etwa am Kollwitzplatz oder am Wasserturm sogar mit bis zu 5000 Euro pro Quadratmeter rechnen, sagt der Experte. Die hohe Nachfrage nach Wohneigentum im Prenzlauer Berg spiegelt sich auch in den Zahlen wider. „Bereits 30 Prozent der Wohnungen sind Eigentumsapartments“, sagt Andreas Purrer. Tendenz stark steigend.
Zur Erinnerung: Berlin gilt als die Mieterstadt und hat im Durchschnitt nur knapp 14 Prozent Eigentumswohnungen (alle Eigenheimsiedlungen in den städtischen Randlagen mit einberechnet). Weiterlesen
Berlin: … wie es hier vor 20 Jahren ausgesehen hat
„Prenzlauer Berg, Prenzlauer Berg – das weiß doch heute keiner mehr wie das hier noch vor 20 Jahren ausgesehen hat“ (Reinald Grebe, Prenzlauer Berg)
Die aktuelle Ausgabe der GEO schweift nicht in ferne Länder sondern beschäftigt sich mit den hiesigen Veränderungen in den 20 Jahren seit dem Beitritt. Eine beeindruckende Fotoreportage zeigt am Beispiel der Hufelandstraße in Berlin Prenzlauer Berg, wie sehr sich Sanierung und Bevölkerungsaustausch ins Bild des Stadtteils eingegraben haben: Eine deutsche Straße im Wandel. Kurzzusammenfassung:
Ausgetauscht: Fassaden, Geschäfte, Anwohner. Geschichte, Heimat, Gedächtnis.
Der Fotograph Harf Zimmermann lebte in den 1980er Jahren selbst in der Straße und ist nach über zwanzig Jahren zurückgekehrt um Bilder von den Orten seiner damaligen Fotos aufzunehmen. Die Hufelandstraße galt im Gegensatz zu anderen Teilen Prenzlauer Bergs als eher bürgerliche Straße mit vielen kleinen privaten Geschäften. Kontinuitäten zur neuen Bürgerlichkeit im Bezirk sind dennoch kaum vorhanden.
Im Text von Andreas Wenderoth heißt es:
„Das war nicht Proleten-, sondern Vorderhaus-Prenzlauer Berg“, sagt Zimmermann. Er wollte mit seinen Bildern die Schönheit des Quartiers bewahren, weil er annahm, dass sie sich bald verflüchtigen würde.23 Jahre später sucht er nun nach den Menschen, die er damals fotografiert hat, weil er sie jetzt in derselben Umgebung noch einmal vor die Kamera stellen möchte. Er klopft an Türen, klingelt, fragt. Sucht nach Spuren des Alten, aber findet fast nur Neues. Ungläubig betrachtet er jenen Ort, der ihm entglitten ist, in den Jahren, da er ihn nicht mehr betrat. Es ist ja nicht so, dass hier Gebäude zerstört worden wären, im Gegenteil, mit viel Geld wurde herausgeputzt und verschönt, und dennoch scheint es, als hätte eine große Welle alles weggespült, was einmal die Substanz der Straße war.
Berlin: Aufwertung und Verdrängung in der Berliner Innenstadt
Das Berliner Straßen- und Obdachlosenmagazin strassenfeger beschäftigt sich im Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe mit „Schöner Wohnen“. Ich wurde angefragt, einen kleinen Überblick zu den Aufwertungstendenzen in Berlin zu geben. In Berlin wird der strassenfeger u.a. in U-und S-Bahn verkauft.
Für alle anderen gibt es den Beitrag auch hier zu lesen:
Berlin: Biofeuerwerk über Prenzlauer Berg
Es lebe das Klischee! Reinold Grebe hat es geschafft, den „Bionade-Biedermeier“ zu vertonen: Prenzlauer Berg, Prenzlauer Berg.
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Meine Lieblingszeilen:
Am Kollwitzplatz stehen die Volvos, vor der LPG die Saabs – Die Mieten hier sind bezahlbar, denn ich kann sie ja zahln.
Schwarz-Grün wird die Rebublik, hier ist sie es schon – Auf dem Nachttisch die Bibel und der Manufactum-Katalog
Prenzlauer Berg, Prenzlauer Berg – schau mal da oben: Biofeuerwerk