Der Immobilienverband (IVD) Berlin Brandenburg, eine Lobbyorganisation von Immobilienmakler, Immobilienverwalter, Finanzdienstleister, Bewertungs-Sachverständige und Bauträgern hat nur zwei Wochen nach der Veröffentlichung des Berliner Mietspiegels (siehe auch Beitrag hier im Gentrificationblog) einen eigenen Mitspiegel herausgegeben: IVD-Marktmietspiegel für Berlin. Fazit des IVD-Berichtes in etwa: die Mieten können fast überall gesteigert werden, außer in Prenzlauer Berg, dort ist der Zenit erreicht…
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Oberhausen droht Prenzlauer-Berg-Effekt
Auf dem Webportal der WAZ ist ein Veranstaltungsbericht einer Podiumsdiskussion „Die City zwischen Tradition und Moderne“ zu lesen. Inhaltlich ging es offenbar hauptsächlich um die Entwicklungsperspektiven von Alt-Oberhausen und die Frage, ob nicht die gezielte Ansiedlung von Künstler/innen die gewünschten Effekte hervorbringen würden. Mal wieder mussten die Aufwertungsgebiete Ostberlin als Referenzpunkt für die Diskussioen herhalten: Alt-Oberhausen ist nicht Prenzlauer Berg
Ulrike Rose (Landesinitiative StadtBauKultur NRW) etwa verpasste hochfahrenden Plänen von einem Quartier, dem junge Künstler durch bloße Anwesenheit ein neues Gesicht verliehen, erdigen Ballast: „Also ehrlich: Alt-Oberhausen ist nicht Prenzlauer Berg in Berlin.”
Letztendlich diskutierte die versammelte Meute von Stadtplaner/innen, Investoren und Kulturschaffenden dann aber doch den ganzen Abend über die Chancen der Ansiedlung einer Kreativbranche. Das Fazit des Artikels kann daher eher als Drohung verstanden werden, sich doch auf den Weg nach Prenzlauer Berg zu begeben…
Nach zwei Stunden ging man auseinander – nicht ohne neue Ideen.
p.s. Für alle, die nicht ohne weiteres verstehen, warum Prenzlauer Berg als Drohung verstanden werden könnte: prenzelbasher
Berlin: Mietproteste und Landfriedensbruch
In den Tickermeldungen vom Wochenende findet sich eine kurze und kryptische Notiz zu einem Polizeieinsatz gegen eine Protestaktion gegen Mieterhöhungen und Zwangsräumungen, die am vergangenen Freitag stattgefunden haben soll:
Bei einer Protestaktion linker Demonstranten gegen Mieterhöhungen und Zwangsräumungen war die Lage am Freitagabend in Prenzlauer Berg eskaliert. An der Aktion nahmen rund 150 Menschen teil. Ein ziviles Polizeifahrzeug wurde angegriffen und dessen Scheiben beschädigt. Die Beamten überprüften 21 Demonstranten. Zudem wurden Strafermittlungsverfahren wegen schweren Landfriedensbruchs eingeleitet sowie ein Haftbefehl wegen gefährlicher Körperverletzung vollstreckt.
Auch der Tagesspiegel hat die Meldung aufgegriffen und in ein quotenorientiertes Format gebracht: Eskalation bei Linkendemo.
Leider gibt es über die Inhalte und den Verlauf der Demonstration nicht wirklich viel zu erfahren. Falls eine/r mehr darüber berichten kann als der Tagesspiegel – mich würde es interessieren.
Berlin: Nicht in meinem Vorgarten
Seit einigen Monaten ist rund um den Kollwitzplatz in Berlin Prenzlauer Berg ein skuriler Streit zu beobachten: Krisengebiet Kollwitzplatz. Nein, nicht dass es um die knapp 80 Prozent Altbewohner/innen ginge, die seit Beginn der Sanierung ausgezogen sind und auch um die neuen Luxuswohnprojekte geht es diesmal nicht. Anlass der Aufregung ist die Verlegung des inzwischen auch touristisch beliebten Kollwitzplatzmarktes von der Wörtherstraßenseite des Platzes in die Knaackstraße. Weiterlesen
Berlin: Ex-Baustadtrat mag keine Luxuswohnungen
Heute gibt es ein sehr schönes Interview mit Matthias Klipp in der taz zu lesen: „Ich wundere mich, dass keiner Farbbeutel wirft„. Darin beschreibt der ehemalige Stadtteilaktivist, Baustadtrat, der seit Ende der 1990er Jahren bei verschiedenen Sanierungsgesellschaften, Bauträgern und Immobilenentwicklern arbeitete, seine Sicht auf die Veränderungen in Prenzlauer Berg. Nie ein Mann der kleine Töne gewesen, lässt uns Matthias Klipp erfahren was, er von den Luxuswohnprojekten hält und dass er sich mit den Marken teurer Autos auskennt. Weiterlesen
Kollwitzplatz: Gehen, Bleiben, Vergehen
Im Tagesspiegel von morgen gibt es einen Veranstaltungsbericht zur Diskussion vom Montag („Kollwitzplatz: Aufwertung oder Gentrification?“): Kollwitzplatz: Prekäres Paradies. In dem Beitrag wird die dort geführte Debatte recht ausführlich beschrieben:
Am Kollwitzplatz ist nach langjähriger Sanierung ein Wohlfühlkiez entstanden – doch der hat seinen Preis. Jetzt wird darüber gestritten, ob hier „Verdrängung“ oder ein „moderater Wandel“ stattgefunden hat.
Anette Gröschner hat ihre Position in diesem Streit schon gefunden. Im Freitag-Blog ist ihr hübscher Beitrag „Das Vergehen der Bier-Boheme“ zu lesen. Darin heisst es:
Würde man nachforschen, wer von den Leuten auf dem Foto der Mieterdemonstration „WBA – Wir bleiben alle“ 1993 vor dem Roten Rathaus noch im Viertel wohnt, das Resultat wäre ernüchternd. So entzündet sich der Streit der Kritiker und Befürworter des Sanierungsprozesses daran, ob es in einer Großstadt ein Erfolg ist, wenn nach 15 Jahren Sanierungsgebiet noch 17,3 Prozent der Bewohner in derselben Wohnung wie 1993 leben. Die kulturelle Entwicklung von der Bier-Boheme zum Bionade-Biedermeier hat die Politik der behutsamen Stadterneuerung nicht aufgehalten, im Gegenteil. Das Sanierungsgebiet Kollwitzplatz ist ein Musterbeispiel für Gentrifizierung. Profitiert haben die gut verdienenden Neuzugezogenen, die hier in den vergangenen Jahren Familien gegründet haben. Wer in pastellfarbenen Wohnhäusern wohnen will, darf nicht grau aussehen.
Schade drum, es hätte so schön werden können… Doch in den aktuellen Rückzugsgefechtendebatten um das Ende der Stadterneuerung geht es kaum noch um die Forderungen der Vergangenheit, sondern vor allem um die Fragen des Gehens, Geblieben und Gegangenworden seins… Der Bericht im Tagesspiegel zeigt schön auf, wie die einzelnen Protagonist/innen der Debatte es immer wieder schaffen aneinandervorbei zu reden oder aus der Perspektive einer „subjektiven Emperie“ (Theo Winters) zu argumentieren. So ist es eigentlich ein Gebot der Logik auf die Beschreibung von indirekten Verdrängungsprozessen (die in den steigenden Preisen von neuvermieteten Wohnungen begründet liegen) nicht mit einer Darstellung der vielen freiwilligen individuellen Fortzüge zu kontern um damit zu ‚beweisen‘ dass es keine Verdrängung gegeben habe:
Laut PfE-Studie liegt die durchschnittliche Nettokaltmiete am Kollwitzplatz bei erträglichen 5,50 Euro pro Quadratmeter – auch dank langfristiger Mietpreisbindungen. 9 Euro müsse jedoch berappen, wer heute neu in den Kiez ziehen will. „Das ist zumindest indirekte Verdrängung“, so der derzeit in Frankfurt am Main forschende Holm. Geringverdiener fänden kaum noch bezahlbare Wohnungen.
Anders als sein Schüler Holm weigert sich Häußermann, von Gentrifizierung überhaupt noch zu sprechen – das sei ein „politischer Kampfbegriff“ geworden. Der soziale Wandel habe sich im Kiez relativ moderat vollzogen, „auch wenn das der allgemeinen Wahrnehmung widerspricht“, so Häußermann. Das Gros der Weggezogenen seien „Flüchtlinge“ – Menschen, die freiwillig gegangen sein. (…) Häußermann beschrieb derweil auch die andere Seite. „Die Vertriebenen gibt es auch“, so der Soziologe. „Leute wurden aus ihren Wohnungen gemobbt – oder einfach herausgekauft.“ Viele Einzelfälle, aber eben nicht die Regel.
Der Grünen Bezirksverordnete Peter Brenn hat seine ganz eigenen Argumentation gefunden, um die ‚Mär von der Verdrängung‘ ein für allemal zurückzuweisen:
„Vor der Sanierung war das hier eine andere Welt. Ich habe im Winter Heizstrahler aufgestellt, damit das Klo nicht einfriert.“ Um besser wohnen zu können, habe er wie viele andere Prenzlauer Berg verlassen. Von „Verdrängung“ könne nicht die Rede sein.
Auch Theo Winters vom Sanierungsbeaufragten S.T.E.R.N. wehrte sich auch gegen eine allzu negative Beurteilung der vergangenen Jahre und widersprach der These Prenzlauer Berg entwickle sich zu einem zweiten Steglitz-Zehlendorf.
„Die Einkommen erscheinen zwar hoch, aber sie sind prekär.“ Noch sei offen, wie hart die Wirtschaftskrise die Selbständigen und Freiberufler am Kollwitzplatz treffen werde.
Na dann wohl an, vielleicht rettet ja die Finanzkrise den leicht angeschlagenen sozialen Ruf der Behutsamen Stadterneuerer.
Kollwitzplatz: Aufwertung oder Gentrification?
Unter den Fragestellung „Kollwitzplatz: Aufwertung oder Gentrification?“ fand am Monatg (27.04.09) eine weitere Veranstaltung im Rahmen der Ausstellung zur Aufhebung der Sanierungssatzung im ehemaligen Sanierungsgebiet Kollwitzplatz in Berlin Prenzlauer Berg statt.
Auf der Basis der abschließenden Sozialstudie von PFE (siehe hier im gentrificationblog) diskutierten verschiedene Expert/innen und Sanierungsbeteiligte über die Einschätzung des Wandels in den vergangenen 15 Jahren. Erwartungsgemäß waren die Positionen sehr unterschiedlich und reichten von der Einschätzung einer „sozialen Stabilisierung“ (Hannemann/ S.T.E.R.N.) und eines „moderaten Wandels“ (Prof. Häußermann) über das obligatorischen „halbvolle Glas“ (Winters/S.T.E.R.N.) und bishin zum Gentrificationbefund (ich selbst).
Das Zitat des Abends landete Wolf Schulgen (Abteilungsleiter bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung): Die ganze Sanierung sei ein voller Erfolg, denn ganz offensichtlich fühlen sich die Leute hier ja wohl. Der Kollwitzplatz sei durch die Stadterneuerung zu einem lebenswerten Kiez geworden und auch Probleme mit den steigenden Mieten sind nicht wirklich dramatisch. Schließlich gibt es in anderen Gebieten der Stadt ja preisgünstige Alternativen. Wen Herr Schulgen wohin schicken will, wenns in Prenzlauer Berg mal knapp wird mit der Mietzahlungsfähigkeit, hat er uns auch verraten: „… ist die Platte denn unzumutbar? Die war doch früher auch ganz beliebt bei denen.“
Einen ausführlichen Veranstaltungsbericht gibt es in den nächsten Tagen. Hier schon mal eine Zusammenfassung meines eigenen Statements. Einiges ist aus der Logik der Veranstaltung besser zu verstehen, anderes ist hoffentlich auch so verständlich.
Podiumsdiskussion: Ergebnisse von 15 Jahren Stadterneuerung – Gentrifcation oder Aufwertung? (Kollwitzplatz, 27.04.2009)
Statement zur Sozialstudie Kollwitzplatz 2008 (Andrej Holm)
Die Veränderungen im Sanierungsgebiet Kollwitzplatz weisen die klassischen Verlaufsformen und Merkmale einer Gentrification auf. Ich gehe auf diese in den Stadterneuerungsdiskussionen der vergangenen Jahre umstrittene Einschätzung ein, weil ich glaube, dass über eine solche Analyse Schlussfolgerungen für die Verantwortung der Sanierungspolitik und eine notwenige Nachsorge im Sanierungsgebiet getroffen werden können.
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Berlin: Veranstaltungen zum Kollwitzplatz
Vor einem Monat wurde die Austellung „15 Jahre Stadterneuerung Kollwitzplatz 1993 – 2008“ eröffnet. Zum Auftakt gab es erste Diskussionen um die Einschätzung der Sanierungsergebnisse. In den nächsten Tagen werden weitere Veranstaltungen stattfinden.
Freitag, 24.04. | 18.00 Uhr | Kolle – wat haste dir verändert
Soziale Stadterneuerung und soziokultureller Wandel aus Sicht von alteingesessenen und neuen Bewohnern, Gewerbetreibenden und Aktiven des Quartiers.
Montag, 27.04. | 18.00 Uhr | Ergebnisse von 15 Jahren Stadterneuerung Kollwitzplatz, Stadtstruktur – Sozialstruktur, Stadtteil zwischen Aufwertung und Gentrifizierung – Fakten und Meinungen
Alle Veranstaltungen finden im Kultur- und Bildungszentrum Sebastian Haffner, Prenzlauer Allee 227/228 statt.
Berlin: Aufwertungsfamilien
In den Wochenendausgaben der Berliner Zeitung und des Tagespiegel gibt es mehrere Artikel zu aktuellen Konfliktlinien in Berlin Friedrichshain und Prenzlauer Berg.
Nana Heymann versucht sich im Beitrag „Die Stimmung zieht sich zu“ in der Interpretation von Nutzungskonflikten in Prenzlauer Berg als eine Art Nachbarschaftsstreitigkeit;
Nach der Wende wollten alle nach Prenzlauer Berg ziehen. Doch jetzt brechen unter den Bewohnern zunehmend Konflikte auf. Streit gibt es zwischen Alteingesessenen und Zugezogenen, Singles und Familien, Schwaben und Preußen, Reichen und Linken
Neu an der Beschreibung im Tagesspiegel sind Berichte über die Diskriminierung von jungen Familien in Prenzlauer Berg. Die Erfahrungen einer junge Mutter werden dafür als Beleg herangezogen:
Zum Beispiel, als sie sich vor kurzem mit einer Freundin in einem Café verabredet hatte, an dessen Tür nun ein Schild klebte, das die „lieben Eltern“ dazu aufforderte, ihren Kinderwagen doch bitte draußen zu lassen. Aber weil es regnete, ging das nicht, und deshalb musste sie das Kaffeetrinken vertagen. Oder neulich, als ihr beim Spazierengehen mit der Tochter ein Mann entgegen kam und ihr vorwarf, dass sie sich wohl extra für den Spielplatz aufgebrezelt habe
Stefan Strauss stellt in seinem Beitrag „Farbbeutel für den Traum von einer anderen Welt“ Proteste gegen die soziale Aufwertung, steigende Mieten und teuere Nobelgeschäfte ins Zentrum. Die Ursache des aktuellen Protestzyklus wird neben den fortschreitenden Aufwertungstendenzen in der Bedrohung von Wohnprojekten, Wagenburgen und anderen Freiräumen vermutet: Weiterlesen
Prenzlauer Berg: Mythos Baby-Boom
Seit Jahren hält sich in den Beschreibungen von Prenzlauer Berg hartnäckig das Gerücht der hohen Geburtenraten. Tatsächlich liegt die Zahl der neugeborenen Kinder dort höher als in anderen Bezirken der Stadt. Doch Grund ist nicht eine höhere Geburtenrate, sondern der ungewöhlich hohe Anteil von Haushalten im Alter zwischen 25 und 45 Jahren. Da es kaum deutschsprachige Artikel gibt, die dies beschreiben, hier ein älterer Beitrag aus der New York Times: „Falling German Birthrate Dispels Baby Miracle Myth“
The baby miracle of Prenzlauer Berg seems indisputable in the rush of children on bicycles, playing basketball, or digging in a sandbox. This enclave with many artists and professionals, would be an appealing spot to find the hope of a nation, apparently more so than the immigrant-heavy Neukölln neighborhood that Mr. Klingholz says has the highest birthrate in the city. Many children live in Prenzlauer Berg, even though the birthrate is below the average for the city, the country and the continent. But the number is really explained by the rush of young people who moved into the neighborhood over the past two decades and stayed put.