Eigentlich sind Meldungen über längst Bekanntes keine Zeitungsartikel wert, doch der Tagesspiegel in Berlin erinnert uns dankenswerter Weise in seiner aktuellen Ausgabe an eine unbeliebte Tatsache: Wohnen wird teurer. Zitiert wird diesmal eine Studie von Jones Lang LaSalle (JLL), die ein sogenanntes „Residential City Profile Berlin“ vorgelegt haben. Allein in den letzten sechs Monaten seien die Mieten in Berlin um 2,5 Prozent gestiegen. Doch interessant ist nicht nur der Fakt der Preissteigerungen, sondern deren raum-zeitliche Entwicklung. Die Geographie der Aufwertung in Berlin lässt sich für die vergangenen 18 Jahre als fast geschlossener Kreis über den Innenstadtbezirken darstellen…
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Erfolgsstory Kollwitzplatz?
Die kürzlich auch hier vorgestellte Sozialstudie 2008 für das Sanierungsgebiet Kollwitzplatz beschäftigt nun auch die lokalen Printmedien. Stefan Strauss stellt die Studie und die stadtpolitischen Reaktionen im Bezirk in der Berliner Zeitung vor und macht uns allen nochmal klar, dass die Sanierung mit öffentlichen Geldern finanziert wurde: 131 Millionen Euro für einen Kiez ohne Spießer. „Weitgehend als Erfolg“ bewertet Jochen Korfmacher vom Kreuzberger Büro für Stadtplanung, -forschung und -erneuerung (PFE) die Veränderungen der vergangenen 15 Jahre. Das sehen nicht alle so…
Kollwitzplatz: Luxuskiez statt Arbeiterviertel
Die Beiträge zum Luxuswohnen in Berlin überschlagen sich förmlich. Nach den Beiträgen in der Berliner Zeitung (hier im Blog) und in dem Berliner Tagesspiegel (siehe hier) wagt sich nun auch die überregional erscheinende FAZ ans Thema: Berlin: Luxus für den Kiez. Dem dort zitierte Immobilienentwickler Maik Uwe Hinkel jedoch gefällt das Gerede von Luxuswohnungen gar nicht:
Als Kaufpreis für die 165 Quadratmeter großen 4-Zimmer-Wohnungen verlangt sein Unternehmen 450.000 bis 490.000 Euro. „Es ärgert mich, wenn da von Luxuswohnen die Rede ist“, sagt Hinkel und spielt auch auf die Vorbehalte an, die Neubauvorhaben wie diesem aus der Nachbarschaft entgegenschlagen. „Luxus fängt bei mir bei 10.000 Euro an.“ (Gemeint sind Kaufpreise pro Quadratmeter)
Doch unabhängig von den verschiedenen Kategorien des Luxuswohnens, die neuen Wohnungsangebote in Prenzlauer Berg richten sich an Besserverdienende. Und das nicht nur im Neubausegment. Wie sich diese Entwicklung auswirkt, zeigt eine kürzlich fertig gestellte Sozialstudie für das Sanierungsgebiet Kollwitzplatz (PFE 2008). Dort findet sich unter anderem der Hinweis, dass es nur noch 4 Prozent Arbeiter am Kollwitzplatz gibt. Diese und andere interessante Zahlen über die Veränderung der Sozialstruktur in den vergangenen 15 Jahren gibt es dort zu lesen:
Urban Villages: Wohnen ohne Gesinde
Die Immobilienbeilage der Berliner Zeitung von diesem Wochenende (30/31.August) wartet mit einem der Modethemen des Berliner Wohnungsmarktes auf. Unter dem Titel „Dorfleben für Großstädter“ werden sogenannte ‚Urban Villages‘ als neues Produkt des Berliner Immobilienmarktes angepriesen. Sie würden das „Beste aus Großstadt – und Landleben vereinen“ schreibt Autor Till Schröder. Im Unterschied zu den Townhouses, richten sich die ‚Urban Villages‘ jedoch nicht an die Superreichen…
Mehr zum Thema gibts in der taz, bei der Deutschen Welle und im Prenzlauer Berg Blog und auch hier im gentrificationblog.
Berlins Mitte immer teurer
Bisher wurden Verdrängungs- und Aufwertungsdynamiken in Berlin oftmals mit den Modernisierungsarbeiten in den Sanierungsgebieten verbunden. Die aktuelle Zahlen des Berliner Wohnungsmartktberichtes zeigen, dass auch nach der Hochphase der Stadterneuerung die Mieten weiter steigen. So weisen die Sanierungsgebiete in Mitte und Prenzlauer Berg inzwischen durchschnittliche Angebotsmieten von 8 bis 9 Euro/qm (nettokalt) auf – das sind fast schon Münchener Mietpreise. In einer Kurzmeldung im Tagesspiegel wird dieser Trend wie folgt zusammengefasst „MIttelschicht wird Berlins Mitte zu teuer„.
Verdrängung der Verdrängung…
… von der stadtpolitischen Agenda.
Es gilt als relativ unumstritten, dass letzten Endes stiegende Mietpreise den Kern der befürchteten Gentrifcationprozesse ausmachen und Mietpreisdämpfungen als Maß für die Sozialverträglichkeit von Stadterneuerungsmaßnahmen gelten können. Dabei ist die Rechnung relativ simple: gelingt es im Zuge von Erneuerungsarbeiten die Mietpreise zu kappen, können viele der bisherigen Bewohner/innen weiterhin in der Nachbarschaft bleiben – gelingt dies nicht, gelten die ökonomischen Gesetze des Wohnungsmarktes. Umso bedauerlicher, dass die aktuellen stadtpolitischen Diskussionen sich nur selten um die Frage der Mietregulierung drehen. Auch wenn die junge welt titelt: „Berlin braucht Mietobergrenzen„, die tatsächlichen Auseinandersetzungen beziehen sich überwiegend um Gestaltungsfragen des öffentlichen Raumes. Ein gutes Beispiel für diese Verschiebung der Beteiligungsthemen in Prenzlauer Berg bietet der bezirkliche Streit um die Neugestaltung der Gehwege in der Oderberger Straße.
Die positiven Seiten der Aufwertung
In den Diskussionen rund um das Thema Gentrification taucht immer wieder die Frage nach den positiven Effekten der Aufwertung auf. Auch in den Diskussionen hier im Blog gibt es entsprechende Bezugnahmen. Ich werde es leider nicht schaffen, auf alle Kommentare direkt zu antworten, freue mich aber über die anregenden Debatten zu den Beiträgen. Mit der Schnelligkeit des Mediums noch nicht ganz vertraut, werde ich aber nach und nach versuchen, einzelne Fragen und Argumente in späteren Blogbeiträgen aufzugreifen.
Doch zurück zur Frage nach den positiven Seiten: Aus einer oberflächlichen Perspektive können sicherlich die Wiederherstellung der historisch mehr oder minder wertvollen Bausubstanz und die Beseitigung städtebaulicher Defizite benannt werden. Doch wie fast alle Entwicklungen in der Stadt sind auch Aufwertungsmaßnahmen soziale Prozesse und sollten nach ihren sozialen Auswirkungen hinterfragt werden.
Aufwertungsängste
Die Welt-Online macht sich Sorgen. Um Berlin. Anlass ist dass Bürgerbegehren gegen die Investorenpläne von Media Spree und die dahinter stehende Furcht vor Gentrification. Unter dem Titel „Das ist die Berliner Angst“ polemisiert der Beitrag gegen die völlig unbegründeten Verdrängungsbefürchtungen. Besonders schlimm: die Intoleranz der Aufwertungsgegner/innen. Selbst kleine Cafes werden nicht verschont:
Es liegt einen Spaziergang entfernt von dem umkämpften Ufer und ist doch ein Ort, wo man alles darüber lernen kann. Denn dort – auf dem Boden neben einer ausgemusterten Espressomaschine – steht ein Eimer mit Fassadenfarbe. Die Besitzerin, eine junge Mutter, die sich Kind und Café mit dem Vater teilt, hat erst vor zwei Wochen wieder streichen müssen: „Yuppie scum“ hatte diesmal jemand auf die Wand geschmiert: „Yuppie-Abschaum“. Wer diese jungen Eltern in Latzhosen für Yuppies hält, der fürchtet sich erst Recht vor Hochhäusern.
Völlig überzogen sei der Vergleich mit Entwicklungen in den Metropolen der USA und wirklich verdrängt wird in Berlin ja auch niemand:
Kein Sternchen für die Verdrängung
Nun werden viele der Neuansiedler in Prenzlauer Berg auch noch bei der Morgenlektüre ihrer Lieblingszeitung mit dem Gentrificationvorwurf konfrontiert. Das musste einfach zu Reaktionen führen: Erst fühlt sich eine Journalistin durch den Anruf einer Mitarbeiterin des Sanierungsträgers verunsichert, dann regt sich in den Onlinekommentaren das Klassenbewusstsein der Leserschaft. Ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung zeigt, warum Gentrification noch immer ein umstrittener Begriff ist.
Doch beginnen wir von vorn: Charlotte Frank hat einen ansehnlichen Artikel zur „Vertreibung aus dem reichen Herz der Städte“ in der Süddeutschen Zeitung geschrieben und wenig verwunderlich Prenzlauer Berg als eines der Fallbeispiele ausgewählt. Prenzlauer Berg – so haben ihre Recherchen ergeben – ist inzwischen vor allem von jüngeren Bevölkerungsgruppen bewohnt und die Mieten liegen deutlich über den Berliner Durchschnittswerten. Diese Tatsachen allein verwundern noch nicht, dass solche Beobachtungen als Gentrification bezeichnet werden, schon.
Die Entdeckung der Gentrification
Wer weiss, was Gentrification ist? Jedenfalls in Berlin wurde sich lange Zeit um den Begriff herum gedrückt.
Seit Jahren verweigern sich die Verantwortlichen der Stadtentwicklung in Berlin für die Sanierungsgebiete in Ostberlin einen Gentrificationbefund anzuerkennen. Gentrification, ist das nicht die Verdrängung der ärmeren Bevölkerungsgruppen aus einem Stadtviertel? Richtig, und genau dies zu verhindern war ein Ziel der Sanierungssatzungen. Kein Wunder also, dass Senatsverwaltungen, Sanierungsbeauftragte und Mieterberatung die Veränderungen unisono als ‚ganz normalen Wandel‘ darzustellen suchten. Alles andere wäre ein Eingeständis des eigenen Scheiterns. Und ehe die Realität der Niederlage anerkannt wird, ist es doch viel bequemer, die Realität umzuschreiben.