Madrid: Geld und Polizei für die Aufwertung

Für alle, die bisher glaubten, die Frage nach dem „Wer macht eigentlich die Aufwertung?“ sei ein verschwörungstheoretisches Ablenkmanöver von den ‚eigentlichen‘ Ursachen, den belehrt ein Beispiel in Madrid eines Besseren. Ein Radiobeitrag berichtete kürzlich über eine bisher in Europa beispielslose Aufwertungsallianz von privaten Geschäftsleuten und der Stadtverwaltung.
Julia Macher beschreibt in ihrem Beitrag „Boutiquen statt Bordells“ den Aufwertungsprozess im Barrio Maravillas, einem von Sexarbeierinnen geprägten Viertel in Madrid. In Anlehnung an den New Yorker Modedistrikt TriBeCa oder Londons SoHo haben der Sanierungsunternehmer Eduardo Moreno und ein paar befreundete Geschäftsleute einen Großteil der Gewerberäume aufgekauft um das Viertel künftig unter dem Namen TriBall (Dreieck um die Straße Ballesta) als hippes Modequartier zu vermarkten. Die Prostituierten und die von ihnen genutzten Bordelle stehen dieser Aufwertungsstrategie entgegen und wurden mehrheitlich verdrängt: innerhalb weniger Jahre veringerte sich die Zahl der Bordelle und Sex-Shops: „Zwei Sexshops und einen Nachtklub gibt es noch, vor einem Jahr waren es mehr als ein Dutzend.“ Im Radiofeature beschreibt Eduardo Moreno das Vorgehen bei der Besetzung des Viertels als „drei Schritte zu Erfolg„: Weiterlesen

Kreuzberger Protesttraditionen

Was ist bloß mit den Kreuzbergern los? Ob Mediaspree, Bethanien-Besetzung oder Privatschul-Ansiedlung – ohne Protest geht’s nicht.“ Werner van Bebber versucht im Tagesspiegel die Kreuzberger Protestkultur zu verstehen. Neben dem Versuch einer Psychoanalyse des Stadtteils (“ Kreuzberg will Kreuzberg bleiben. Kreuzberg sperrt sich gegen eine Runderneuerung…“) verweist der Artikel „Immer gleich auf den Barrikaden“ aber auch auf ein paar stadtpolitische Begründungen. Mit den Beobachtungen von Ulrich Peltzer (Teil der Lösung) werden einige aktuelle Veränderungen anschaulich beschrieben:

Politik ist immer, und weil sich Kreuzberg wieder verändert, ist Politik gegen diese Veränderung so wichtig wie 1973 Politik gegen Spekulanten. „Soziale Entmischung“ sagen die einen, „Gentrifizierung“ sagen die anderen. Für beides stehen „Mediaspree“, der Verkauf vieler alter Häuser überall in Kreuzberg, die steigenden Mieten. Das alles sprengt die Kreuzberger Strukturen. Es fühlt sich schlecht an. Für Ulrich Peltzer, den Autor von „Teil der Lösung“, einem Roman über das neue Berlin, zeigt sich die Entmischung in einem seiner Lieblingscafés, dem „Bateau Ivre“ am Heinrichplatz. Im Sommer, sagt er, hätten wir hier nicht so sitzen können. Wegen der dänischen Touristen. Wegen der spanischen und italienischen Bürgerkinder. Deren Eltern kaufen oder mieten Wohnungen in Kreuzberg, weil es hip ist. Wie die Dänen, Schweden, Norweger zahlen sie Preise, bei denen die Normal-Kreuzberger nicht mitkommen.

Städtische Proteste in der Zeitung

Der ak – analyse & kritik, die Zeitung für linke Debatte und Praxis ist in seiner aktuellen Ausgabe ( Nr. 534) mit dem Titel „Besetze deine Stadt“ erschienen. Im Schwerpunkt gibt es mehrere Beiträge zu aktuellen Debatten um Stadtentwicklungsprozesse und die in vielen Städten erstarkenden Bewegungen gegen Mietsteigerungen und Umstrukturierungsmaßnahmen. Der Beitrag „Kämpfen im Herzen der Stadt“ gibt einen guten Überblick über die aktuellen Aufwertungstendenzen in Hamburg Wilhelmsburg und die sehr verschiedenen Protestansätze dagegen. Eine kenntnisreiche Analyse der Wilhelmsburger Stadtteilszene sieht mehr Schatten als Licht und formuliert konkrete Anforderungen an erfolgreiche Stadtteilmobilisierungen:

Neben den etablierten Vereinen, Initiativen und Einzelpersonen hat der vergleichsweise relativ junge Arbeitskreis Umstrukturierungen in den vergangenen Monaten auf sich aufmerksam gemacht. (Vgl. http://wilhelmsburg.blog.de) Der AK beschäftigt sich einerseits mit dem Stadtteilentwicklungskonzept im Rahmen der IBA und igs und dessen Folgen. Andererseits bot er in mehreren Veranstaltungen zu Gentrifizierung sowie anderen stadtteilrelevanten Themen Raum für öffentliche Diskussionen über Probleme und mögliche politische Interventionen. Auffällig ist, dass diese Gruppierungen noch nicht in der Lage sind, die Mehrheit der EinwohnerInnen mit Migrationshintergrund und geringeren Einkommen zu erreichen und einzubinden. Andere Initiativen, die sich z.B. gegen die hohe Lärmbelästigung oder etwa die Schließung von Kleingärten aussprechen, sind bislang noch recht klein. Auch gelingt es bislang niemandem, über die jeweiligen Milieus hinaus Gehör und Anklang zu finden oder präsent zu sein. Die Planungen des Hamburger Senats hingegen erfordern eine breite Reaktion. Es ist sicher, dass linke Interventionen in Hamburg-Wilhelmsburg nur jenseits der falschen Alternativen von autonomer Subkultur á la Sternschanze und bürgerlicher Mitwirkung wirklich Erfolg haben können.

Der Beitrag „Neoliberale Stadtpolitik. Ein Überblick im globalen Kontext “ ist leider nicht online verfügbar und muss in der Papierausgabe nachgelesen werden. Danneben gibt es noch einen Artikel zur Situation in Berlin: „Berlin in Bewegung. Umkämpfter Stadtumbau in der Hauptstadt„: Weiterlesen

Berlin: Demo und Debatten

ak_linke_metropoelnpolitikAm Samstag, den 29.11.2008 fand nicht nur die Mietenstop-Demonstration in Kreuzberg statt, sondern auch eine sogenannte Metropolenkonferenz, des AK Linke Metropolenpolitik in Zusammenarbeit mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung und dem Bildungsverein „Helle Panke„. In einem der Workshops standen Fragen der Wohnungspolitik im Zentrum. Das Neue Deutschland berichtete und auch Berliner Umschau zitierte in ihrem Artikel Berlin-Brandenburg: „Mietenstopp“ statt „Profitinteressen“ unter anderem Joachim Öllerich von der Berliner MieterGemeinschaft: Weiterlesen

Berlin: Proteste gegen Mietsteigerungen

Mehr als 1.000 Leute haben heute an der Demonstration «Hopp Hopp Hopp – Mietenstopp» in Berlin Kreuzberg und Neukölln teilgenommen. Aufgerufen hatte ein Bündnis verschiedener Gruppen und Initiativen (Aufruf). Den aktuellen Wirbel um die steigenden Mietpreise in Berlin hatten verschiedene Studien und eine wachsende Protestbewegung ausgelöst. Im Vorfeld der Demonstration gab es nicht nur Beiträge in vielen Berliner Tageszeitungen und Magazinen (taz, Berliner Zeitung, zitty), sondern auch einen aufgeregte Forderungswettbewerb verschiedener Bezirks- und Landespolitiker/innen (hier).

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Kreuzberger Mischung?

Das Berliner Programmmagazin Zitty hat in der aktuellen Ausgabe den „Kampf um Kreuzberg“ ausgerufen und auch gleich wieder für beendet erklärt. Auch wenn der Beitrag viele Informationen über die Mietentwicklungen bietet, den zentralen Konflikt sieht Autor Martin Hildebrandt in der Auseinandersetzung um eine Handvoll mehr oder minder hipper Läden in Kreuzberg: „Auf der einen Seite linke Revolutionäre, die alles verdammen, was mit Kapitalismus zu tun hat. (…) Auf der anderen Seite finanzstarke Investoren, die Kreuzberg entwickeln wollen, so nennen sie es. Und zwischen allen Stühlen sitzen die Zwischennutzer, die prekär Selbstständigen, die mit ihren kleinen Bars, Läden und Agenturen den Spagat wagen und an einen dritten Weg glauben.“ Und wenig verwunderlich will die ZItty möglichst alle Stühle bedienen und wärmt das etwas altbackene Bild der „Kreuzberger Mischung“ auf:

Was wird aus dem Kampf um Kreuzberg? Kreuzberg wird kein Christiania für Großstadthippies, aber auch kein Soho für Kunstmillionäre. Es wird weiterhin ein Ort für gegensätzliche Lebensentwürfe bleiben, egal welche Pläne und Träume Einzelne verwirklicht sehen wollen. Das liegt vor allem an seinen Bewohnern, die sich stärker mit ihrem Bezirk verbunden fühlen als alle anderen Berliner. Trotz des Wandels, im Kern ist Kreuzberg immer gleich geblieben. Solange es linke Utopisten gibt, die gegen das Kapital ankämpfen, und Unternehmen, die trotzdem noch in Kreuzberg investieren, braucht man sich keine Sorgen zu machen. Die Kreuzberger Mischung überlebt.

Schön, dass es doch noch ein paar Leute gibt, die sich Sorgen machen und gegen die unverkennbaren Aufwertungstendenzen mobilisieren. Einen ausführlichen und lesenswerten Beitrag gibt es auf Indymedia zu lesen: Steigende Mieten und Widerstand. Weiterlesen

Barcelona: Widerstand gegen Aufwertung

Barceloneta (Oosoom, GNU Free Documentation License)

Barceloneta (Oosoom, GNU Free Documentation License)

Eingeladen vom Goethe-Institut konnten verschiedene stadtpolitische Initiativen aus Berlin nach Barcelona reisen und dort mit Aktivist/innen aus der katalanische Hauptstadt in einen Erfahrungsaustausch treten. Unter dem Motto „Urbaner Raum – Bürgerraum“ fanden vom 13. bis 17. Oktober verschiedene Workshops und Veranstaltungen statt. Mit dabei unter anderem die Initiative Media Spree versenken!, das MietshäuserSyndikat und der Multikulturelle Nachbarschaftsgarten Neukölln.

Aus Barcelona beteiligten sich verschiedene Hausprojekte (Magdalenes und Can Masdeu) und Nachbarschaftsinitiativen (plataforma d’afectats en defensa de la barceloneta) an den Veranstaltungen und stellte ihre Projekte und Initiativen vor. Auf der Webseite des Diari de Barcelone gibt es einen hübschen Bericht der „Deutschen Kulturnachrichten“ zu der Veranstaltungswoche.

Besonders spannend war der Besuch im Stadtviertel Berceloneta… Weiterlesen

Berlin: Neue Initiativen gegen Aufwertung und Verdrängung

Stadtentwicklungsthemen haben in den vergangenen Monaten einen festen Stellenwert in der Berliner Initiativenlandschaft eingenommen: MediaSpree, die Eröffnung der O2-Halle, steigende Mieten in Kreuzberg und Prenzlauer Berg… In vielen Bereichen regt sich der Protest:

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Wiederaneignung der Stadt

Unter dem Titel „Wiederaneignung der Stadt“ bieten Stadtteil- und Mieteraktivist/innen aus sechs europäischen Ländern beim Europäischen Sozialforum (ESF) am 18. September ein Seminar zu „Widerständen gegen Zwangsräumungen, Abrisse, Gentrifizierung, Privatisierung, Spekulation“ an.

Es wird dabei vor allem um den Austausch und die Vernetzung von Aktivitäten gehen. Wie Proteste gegen Mietsteigerungen aussehen können, zeigen Beispiele aus Paris und Zürich. Dort wurden mit Strategien der „Party-Guerilla“ Besichtigungstermine überteuerter Wohnungsangebote in Protesthappenings verwandelt. In Paris nannte sich die Gruppe „Jeudi-Noir“ (Schwarzer Donnerstag), weil immer Donnerstags die Anzeigen für Wohnungen erscheinen. Die Züricher Variante der neuen Protestkultur nennt sich „Fat-Rent-Party„. Was wir uns darunter vorstellen können, gibt es hier zu sehen.

Kurzentschlossenen können über Attac günstige Fährickets (17 Euro) nach Malmö buchen.

20 Jahre Tompkins Square Riots

Selbst die heftigsten Straßenschlachten landen irgendwann im Feuilleton. Unter dem Titel „Der verlorenen Kampf um die Lower Eastside“ erschien in der Berliner Zeitung von heute eine kleine, aber feine Besprechung von Q. Sakamakis Buch „Tompkins Square Park„. Das Buch erschien zum 20. Jahrestag des Tompkins Square Riots und kann als fotografischer Bericht der Auseinandersetzungen um die Lower East Side in New York verstanden werden. Auch die International Herald Tribune würdigte die Neuerscheinung mit einer Besprechung: A look back at Tompkins Square Park. Der Tompkins Square Park ist bis heute ein Symbol für die Antigentrificationproteste geblieben:

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