Berlin: Häuserkampf und Stadterneuerung

1990, Straßenfest in der Mainzer Straße (wenige Monate vor der Räumung) (Bild: Umbruch-Bildarchiv)

1990, Straßenfest in der Mainzer Straße (wenige Monate vor der Räumung) (Foto: Umbruch-Bildarchiv)

In der aktuellen Ausgabe der Blätter für deutsche und internationale Politik gibt es einen kleinen Artikel, den ich zusammen mit Armin Kuhn geschrieben habe: Häuserkampf und Stadterneuerung. Ausgehend von den runden Jubiläen der letzten großen Hausbesetzungswellen in Berlin (30 Jahre West-Berliner Hausbesetzungen / 20 Jahre Hausbesetzungen in Ostberlin)  haben wir versucht die Verbindungslinien zischen den Besetzungsbewegungen und der Stadterneuerungspolitik nachzuzeichnen. Waren die Westberliner Hausbesetzer/innen Auslöser und teilweise Partner/innen einer neuen Stadterneuerungspolitik, waren die meisten Hausbesetzungen in Ostberlin nach der Wende von einer stadtpolitischen Ignoranz geprägt…

Der Artikel bei den Blättern für deutsche und internationale Politik ist für eine Woche freigeschaltet und kann als PDF heruntergeladen werden.

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Berlin: Neukölln in den Kollwitzplatz verwandeln? (Radiofeature)

Der Norden Neuköllns verändert sich rasant. Die Mieten steigen, Kneipen und Cafés eröffnen. Zahlungskräftigeres Publikum zieht her. Damit einher geht auch eine beginnende Verdrängung der bisherigen Bevölkerung. Gentrification, so nennt sich das stadtpolitische Phänomen, das ähnlich und zum Teil weiter fortgeschritten auch in anderen Berliner Bezirken wie Prenzlauer Berg, Friedrichshain und Kreuzberg beobachte werden kann. Maßnahmen des Berliner Senats wie die Quartiersmanagements und die Ausrufung von Sanierungsgebieten schieben diesen Prozess an und begleiten ihn.

Um auf diese Situation aufmerksam zu machen hat sich die Avanti-Sozial-AG Ende letzten Sommers in Neukölln umgeschaut und ein Radiofeature produziert, das über die aktuelle Situation aufklären und die wichtigen Akteure benennen will. Es wurden u.a. Interviews mit dem Quartiersmanagement Reuterkiez und dem Vorsitzenden von Haus und Grund Neukölln geführt. Wir wollen so noch einmal nachdrücklich auf die Entwicklung nicht nur in Nordneukölln, sondern in Gesamtberlin aufmerksam machen: denn überall innerhalb des S-Bahn-Rings steigen die Mieten.Radiofeature zum runterladen: Nordneukölln in den Kollwitzplatz verwandeln? (53 min.).

Begleitend zum Radiofeature gibt es ein kleines Booklet (pdf) mit vielen Informationen und einer stadtpolitischen Positionierung der AVANTI-GRuppe in Berlin.

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Berlin: 20 Jahre KÖPI – Herzlichen Glückwunsch!

Die Jahrestage häufen sich – vor 20 Jahren erlebte Ostberlin – damals noch Hauptstadt der DDR –  die letzte große Hausbesetzungsbewegung Berlins. Mehr als 130 leerstehende Häuser wurden vor allem in den Innenstadtbezirklen Mitte, Prenzlauer Berg und Friedrichshain besetzt. Nach der brutalen Räumung der Mainzer Straße im November 1990 durch westdeutsche Polizeieinheiten wurden an „RundenTischen“ für die meisten Häuser Nutzungsverträge ausgehandelt um die Besetzungen zu legalisieren. Doch Verträge boten nicht in allen Fällen einen dauerhaften Schutz vor Räumungsdrohungen. Aktuelle Beispiele wie die Räumung der Brunnenstraße 183 und die Kündigungen der Mietverträge in der Liebigstraße 14 verdeutlichen dies.

Auch die KÖPI in der Köpenicker Straße 137 hat bereits mehrfach das Interesse von Investitor/innen geweckt. Die breite – und auch internationale – Mobilisierungsfähigkeit  des Hausprojektes konnte bisher eine Räumung verhindern. Herzlichen Glückwunsch und auf die nächsten 20 Jahre!

Berlin: Immobilienmarktanalyse von unten in Moabit

"Initiative - Wem gehört Moabit?"Kaum ein Innenstadtviertel in Berlin, in dem nicht über drohenden, bereits begonnene oder abgeschlossene Aufwertungsprozesse und Mietsteigerungen diskutiert wird. Oft müssen sich Kritiker/innen der Gentrification den Vorwurf einer ’nur gefühlten Verdrängung‘ gefallen lassen – fehlen doch oft konkrete Zahlen und Fakten für die Immobilienmarktdynamiken in einzelnen Quartieren.

In Moabit-Ost hat sich nun eine „Initiative – Wem gehört Moabit“ gegründet, die über eine Webseite zur Erfassung der Eigentümerstruktur in der Nachbarschaft aufruft.

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Hamburg: Recht-auf-Stadt-Chronologie

Geschichte, die nicht niedergeschrieben wird, hat nicht stattgefunden. So ungefähr lässt sich die Motivation der Autor/innen einer sehr ausführlichen Dokumentation städtischer Protestaktionen in Hamburg zusammenfassen. Auf dem Internetportal indymedia wurden bereits Anfang des Monats die ersten zwei Teile einer Hamburger Protestchronologie veröffentlicht. Für alle, die sich kaum noch erinnern können, wann da eigentlich wann was stattgefunden hat, bietet der Text eine gute Fundgrube. Völlig frei von Bewertungen oder einer Darstellung von Positionierungen und Debatten innerhalb des Recht-auf-die-Stadt-Bündnisses werden in chronologischer Abfolge die Stationen des Stadtprotestes im vergangenen Jahr aufgelistet und im Nachrichtenstil beschrieben. In einer wahren Fleißarbeit wurden über 200 Zeitungsmeldungen und Artikel zu den verschiedenen Kampagnen und Aktionen verlinkt und ausgewertet.  Klingt trocken – ist es aber nicht. Allein die ungeheure Anzahl von Aktionen gibt einen Eindruck von der enormen Dynamik des Hamburger Protestes.

Nachzulesen gibt es die Protestchronologie hier:
Hamburg: „Recht auf Stadt“-Bewegung (Teil 1)
Hamburg: „Recht auf Stadt“-Bewegung (Teil 2)

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Berlin: Stadtteilmobilisierungen gegen Verdrängung (Veranstaltungsdankündigung)

Heute Abend bin ich zu einer Veranstaltung von Karl-Kunger-Kiezinitiative in Alt-Treptow eingeladen:

Stadtteilmobilisierungen gegen Verdrängung und Gentrification in Prenzlauer Berg (199oer Jahre), 12. Febuar, 19 Uhr, Loesje e.V., Karl-Kunger-Straße 55

Nach dem Mauerfall vollzog sich im Prenzlauer Berg eine rapide Wandlung der Kieze. Bis zu 80% der Bevölkerung wurde innerhalb weniger Jahre ausgewechselt. Eine zahlungskräftige Mittelschicht bezog den aufgehübschten und angesagten Stadtteil mit seinen (Luxus-)sanierten Wohnungen. Ein starker Protest artikulierte sich damals gegen diese Entwicklung. Er konnte sich nicht durchsetzen.
Woran scheiterte der Protest? Artikulierte sich der Protest auch als Widerstand? Ist die Entwicklung damals vergleichbar mit den Angriffen auf ärmere Schichten heute? Oder unterscheidet sich die Zeit komplett? Und
vor allem: was ist daraus zu lernen, wenn wir heute die Kieze gegen die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, Luxussanierungen und
den Bau von Luxuseigentumswohnungen von sogenannten Baugruppen verteidigen müssen? Und wenn die ärmere Bevölkerung den neoliberalen rot-roten Senat als politischen Gegner hat, der ihre Verdrängung vorantreibt?
Wo können wir heute mit den Erfahrungen vom Prenzlauer Berg ansetzten, um ein “Prenzlauer Berg” in u.a. Alt-Treptow, Neukölln, Kreuzberg etc. zu verhindern?

Wir würden uns freuen euch zu treffen!

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Hamburg: Anti-Gentrification jetzt völlig abgehoben

Hamburgs städtische Proteste werden immer ungewöhnlicher. Das Immobilien-Symposium Hamburg 2010 gab den willkommenen Anlass für eine bisher unbekannte Protestform: der Psychokinese gegen Gentrification.  Unter dem Motto „Das Empire hebt ab“ versuchten ein paar Dutzend Aktivist/innen mit lustigen orangenen Umhängen und lauter Musik ihre psychokenetische Energie  auf das Gebäude des Immobilien-Meetings wirken zu lassen.

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=THj5phjgzIw]

Was albern aussah, hatte eine erhebliche Wirkung: fast alle Hamburger Zeitungen berichteten von den Protesten gegen das  Symposium der selbsternannten „Macher, Denker und Entscheider“. Auf den Seiten von Es regenet Kaviar – Aktionsnetzwerk gegen Gentrification gibt es einen ausführlichen Pressespiegel. Die schönsten Zitate können auch hier direkt gelesen werden.

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Berlin: „Brennende Autos“ und „Terror gegen Nachbarn“

‚Brennende Autos‘ haben sich in der lokalpolitischen Auseinandersetzung Berlins zum Mantra der pauschalen Kritik an Anti-Gentrification-Protesten entwickelt. Die nicht einmal von der Polizei verfolgte Kurzformel „Gentrification = Reiche = mehr teure Fahrzeuge = Protest gegen Aufwertung = Intoleranz = brennende Autos“ geistert seit Monaten in verschiedenen Variationen durch den Berliner Blätterwald. Die Berliner Justiz reagierte mit einem – in anderen Bereichen unbekannten – Ermittlungseifer und verhängte mehrfach monatelange Untersuchungshaft gegen Männer und Frauen, die sich vor allem dadurch verdächtig gemacht hatten, sich in ’szentypischer Kleidung‘ (Schwarze Klamotten, Kapuzenjacke) in der ‚Nähe der Tatorte‘ (Friedrichshain) aufgehalten zu haben (alle Inhaftierten mussten mittlerweile freigelassen werden). Im Vorfeld der Räumung eines besetzten Hauses in der Brunnenstraße 183 in Berlin-Mitte wurde via Bild sogar zur „Räumung der linken Terrornester“ aufgerufen.

Im Schatten der ‚brennenden Autos‘ – über 200 Brandstiftungen soll es im vergangenen Jahr gegeben haben – hat es inzwischen auch der „Terror gegen Baustellen“ in die Schlagzeilen geschafft. Polizeilichen Statistiken zu Folge soll es 2009  etwa 70 politisch motivierte Anschläge auf Baustellen und Baufahrzeuge gegeben haben. Auch hier scheinen die Schuldigen schnell gefunden: „Terror gegen Nachbarn: Neubaupropjekte im Visier von Linksextremen (video)“ (rbb-Klartext).:

Wer wünscht sich das nicht: Bezahlbares Wohneigentum in der Innenstadt? Immer mehr Familien machen diesen Traum wahr und schließen sich zu so genannten Baugruppen zusammen. (…) Für Linksautonome alles nur Yuppies. (…) Vor allem Baugruppen sind im Visier der Kritiker neben kommerziellen Investoren.

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Valencia: Opern-Guerilla stört reibungslosen Markthandel

Ein hübsches Beispiel für die proaktive Transformation städtischer Räume kursiert gerade durch verschiedene Mailinglisten. Auf youtube gibt es ein Video in dem Opernsänger/innen die große Markthalle von Valencia für einige Minuten aus der sterilen Verkaufsatmosphäre reißen und in einen lebendigen Ort verwandeln. Von der Aktionsform irgendwo zwischen Flashmob und Kommunikationsguerilla angesiedelt, zeigen die Sänger/innen, dass große Hallen nicht nur für den Verkauf von Waren genutzt werden können. Ob wir es angesichts der gesungenen Arien schon mit einer Rückverwandlung kommerzieller Flächen in einen öffentlichen Raum zu tun haben, würde ich bezweifeln. Doch die Taktik der Aneignung von Raum und seiner zumindest kurzzeitige Transformation in einen Ort der Kollektivität der Gemeinsamkeit finde ich sehr anregend… Aber seht selbst:

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=Ds8ryWd5aFw]

Leider habe ich fast keine Informationen über den Entstehungskontext des Videos und die möglichen Intentionen der Opernsänger/innen. Über mehr und ausführlichere Hintergrundberichte würde ich mich sehr freuen.

Paris: Paläste für Alle?

In der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung gibt es einen Artikel zu eine   HausPalastbesetzung der wohnungspolitischen Aktionsgruppe ‚Jeudi Noir“ (Schwarzer Donnerstag) in Paris: Vive la chance (von Stefan Ulrich, Süddeutsche Zeitung, 27. Januar 2010, Seite 3). Seit drei Monaten hält eine Gruppe von 32 jungen Leuten ein seit über 40 Jahren leer stehendes Palais am Place des Vosges in der Pariser Innenstadt besetzt.

Heute gehört der Platz wieder zu den teuersten Adressen im ohnehin nicht billigen Paris. 20 000 Euro soll der Quadratmeter kosten. Dubouchet könnte sich glücklich preisen in seinem Palais Nummer 1 b, in dessen Dachgeschoss er sein Atelier eingerichtet hat. Die Sache hat nur einen Haken: Dubouchet ist nicht Schlossbesitzer – sondern Schlossbesetzer.

Auch in den Stuttgarter Nachrichten gab es eine Bericht über die Besetzung des 400 Jahre alten Gebäudes: Studenten besetzen Luxus-Palais. Der dort beschriebene Besuch der 87-jährigen Besitzerin Béatrice Cottin kurz vor Weinachten brachten den Besetzer/innen jedoch kein Glück. Entmündigt und unter Vormundschaft gestellt, nuzte die Sympathie der alten Dame wenig. Nach einem vom Vormund erwirkten Gerichtsbeschluss droht nun die Zwangsräumung.

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