Kaum in Berlin zurück gibt es auf ichmachpolitik.at einen Mitschnitt von meiner Veranstaltung “ So haben wir das nicht gemeint – Gentrification, Protest und Subkultur„.
Insgesamt 84 min. Vortrag mit Folien sind hier anzusehen:
Kaum in Berlin zurück gibt es auf ichmachpolitik.at einen Mitschnitt von meiner Veranstaltung “ So haben wir das nicht gemeint – Gentrification, Protest und Subkultur„.
Insgesamt 84 min. Vortrag mit Folien sind hier anzusehen:
Die in Wien erscheinende Zeitschrift MALMOE beschäftigt sich in ihrer Ausgabe 51 auf einer Doppelseite mit dem Spannungsverhältnis von „Kunst & Gentrifizierung. Kreative Trüffelschweine im Aufwertungsprozess“.
Bernhard Wernitznig beschreibt unter der Überschrift „Gürtelnightwalks vs. Donaukanaltreiben“ die Aufwertzungsbestrebungen der so genannten kreativen Klasse in Wien. In den Fördergebieten des Gürtelbereiches setze die Stadtverwaltung explizit auf „Rahmenbedingungen für alternative kulturelle und soziale Nutzungen“ um eine Aufwertung der Quartiere anzuregen. In den zentral gelegenen Teilen der Leopoldstadt hingegen braucht es keine Alternativkultur um eine Gentrification in Gang zu setzen: hier übernimmt der kommerzielle Kulturbetrieb (Prater-Eventmeil, Entertainment-Schlauch Donaukanal, Sängerknaben im Augarten) die Schmiermittelfunktion und beschleunigt die Herausbildung eines Immoblilien-Tourismus-Kulturindustrie-Komplex.
Franziska Frielinghaus hinterfragt die Rolle von Kunst in in städtischen sozialen Kämpfen: „Organisiert Urban Kämpfen!“. Am Hamburger Beispiel von ‚Park Fiction‘ diskutiert sie die widersprüchlichen Effekte von künstlerischen Interventionen (Luxuswohnbebauung verhindert vs. kulturelle Attraktivierung von St. Pauli vorangetrieben). Sie schlägt vor „Kunst- und Kulturindustrie als Teil des Unternehmens Stadt zu erkennen“ und wünscht sich eine „Kunst, die im Sinnen sozialer Kämpfe ‚weh tut'“. Dissidente Kreativität – so Franziska Frielinghaus – solle sich stärker in die Organisierung kollektiven Engagements in heterogenen Nachbarschaften einbringen.
Klaus Ronneberger wurde auch interviewt („Aktive Minenhunde“) und findet die Beschreibung von Künstler/innen als Minenhunde der Aufwertung zu simpel: „Die meisten ‚Kulturschaffenden‘ sind prekäre Selbständige, die auf preiswerten Wohn- und Arbeitsraum angewiesen sind. Der städtische Raum ist ihr Produktionsort. Die räumliche Existenz eines Künstler/innenmilieus löst nicht automatisch einen Gentrifizierungsprozess aus. Das hängt davon ab, wie der lokale Bodenmarkt reguliert ist, welche Bebauungs- und Nutzungsvorschriften existieren oder wie die jeweilige Stadtregierung in den Wohnungsmarkt eingreift.“
Auch ich durfte mich im Rahmen des kleinen Schwerpunkts zum Verhältnis von Kunst und Gentrification einbringen („Floridarisierung des Widerstandes“)… Weiterlesen
Im Wiener Journal gibt es einen spannenden Beitrag über den kleinen Boom von Trendquartieren in der österreichischen Hauptstadt: Griss um die Trendviertel. „Griss“ bedeutet dabei so viel wie Andrang:
Der Traum von jungen Wienern in urbanen Bildern: Frühstücken vor der Haustür am Naschmarkt, gegen Sonnenuntergang Abendessen auf der eigenen Dachterrasse mit Blick über Wien. Keine Frage, in Wien gibt es mit Naschmarkt, Karmelitermarkt, Yppenplatz und Spittelberg gefragte Stadtviertel.
Die Beschreibung der Wiener Pionierzonen städtischer Aufwertung klingt wie solche Entwicklungen in hunderten internationalen Studien beschrieben werden:
Diese Pioniere setzen Kulturinitiativen, gründen Lokale oder übernehmen Geschäfte. Nach einiger Zeit werde dieser Stadtteil dann entdeckt, „wodurch die Immobilienpreise steigen und die ‚Pioniere‘ letztlich verdrängt werden“.
Gerade habe ich auf dem „Deutschen Geographentag“ (die nennen sich tatsächlich noch so!) in Wien einen Vortrag zu Luxuswohnanlagen in Berlin gehalten. Ein Wiener Kollege hat in der darauf folgenden Diskussion auf die mangelnde Verallgemeinerungsfähigkeit meiner Thesen verwiesen: Zumindest in Wien würde es gar nicht genügend Baulücken für Projekte wie den Marthashof oder die Prenzlauer Gärten geben – so sein Argument.
Das mag stimmen, eine andere Erklärung habe ich in verschiedenen österreichischen Zeitungen gefunden. Private Anleger und auch institutionelle Investoren finden den Berliner Immobilienmarkt viel attraktiver als Wien.
In Wien bleibt trotz kultureller Aufwertung die für Gentrificationprozesse typische Verdrängung aus. So jedenfalls verschiedenen Einschätzungen aus der Hauptstadt Österreichs. Im Stadtmagazin Falter wurden insbesondere der Soziale Wohnbau als Begründung angeführt (siehe Eintrag hier im gentrificationblog).
Stadtplaner und Verkehrsexperten hingegen glauben den Grund für die ausbleibenden Aufwertungen der Innenstadt in der anhaltenden Suburbanisierung gefunden zu haben. Schon vor etwa einem Jahr stellte Die Presse die Frage: „Weg mit dem Speck, zurück in die Stadt?“ Leicht rückläufige Wanderungsverluste an das Umland seien keine Trendumkehrung, so der Tenor des Artikels:
Es gibt allerdings auch Experten, die den Trend zur Re-Urbanisierung nicht erkennen wollen. Einer von ihnen ist der Raumplaner Heinz Fassmann, der die vermeintliche Trendumkehr in Frage stellt. „Es stimmt, dass im Westen und Süden der Stadt der Höhepunkt erreicht ist, allerdings wird sich die Suburbanisierung in den nächsten Jahren umso mehr auf den Norden und Osten konzentrieren.“ Und die jüngsten Enwicklungen in der Statistik? „Dabei handelt es sich möglicherweise um eine statistische Delle.“ Fassmanns Fazit: Abschwächung der Suburbanisierung – ja, Trendumkehr – nein.
Was dies mit den Gentrification in der Wiener Innenstadt zu tun haben soll, ist in einer aktuellen Ausgabe der Presse nachzulesen: Harmlose Bobos, amerikanische Speckgürtel.
Das Wiener Stadtmagazin Falter lüftet in der aktuellen Ausgabe ein Geheimnis: Überall führt die Aufwertung von Stadtvierteln zur Verdrängung der Armen. Außer in Wien. Was macht man hier anders? In dem Beitrag von Joseph Gepp und Matthias Writze werden zunächst Aufwertungsprozesse in verschiedenen Wiener Nachbarschaften beschrieben: Neue schicke Lokale rund um den Karmelitermarkt, steigende Mieten im Stuwerviertel – aber Gentrification sei dass alles keinesfalls.
Gemein ist allen Vierteln (…) ihre Wertsteigerung und die Tatsache, dass die alteingesessene Bevölkerung trotzdem nicht verdrängt wurde.
Auch in Wien führe die Aufwertung zu höheren Mieten, und erschwere den Zuzug von ärmeren Schichten und Migranten. Eine Verdrängung jener, die bereits da sind, fände bisher nicht statt.
„Die Mentalität in Wien ist anders als beispielsweise in Amerika, man will langfristig in einer Wohnung bleiben. Die Mietpreisdynamik ist ganz anders als in New York“, sagt TU-Dozent Rudolf Giffinger. „In Wien gibt es Gentrifizierung im eigentlichen Sinne nicht.“
Die verdrängungsfreie Aufwertung ist jedoch weniger auf eine geheimnisvolle Mentalität zurückzuführen, sondern auf eine sozial ausgerichtete Wohnungspolitik.