Berlin: Polizei ist auf steigende Mieten eingestellt

Gestern wurden der neue Mietspiegel veröffentlicht. Große Geheimnisse wurde dabei nicht gelüftet: Die Mieten steigen. Und zwar in fast allen Bereichen. Im Durchschnitt sind es fast 8 Prozent, in den Altbauwohnungen über 17 Prozent. Von den insgesamt 105 ausgewiesenen Mietspiegelfeldern gibt es lediglich zwei (unter 40 qm , einfache Lage der Baualtergruppen 1950-55 und 1956-64), in denen keine Mietsteigerungen festgestellt wurden. Vor allem in den Innenstadtquartieren wird es für Haushalte mit geringen Einkommen als immer weniger bezahlbare Wohnungen geben.

Was tun, wenn der Markt in seiner Versorgungsfunktion versagt? Das jedenfalls fragten sich Aktivist/innen von verschiedenen Initiativen und demonstrierten nicht nur vor der GSW, sondern unterstützen anschließend auch noch eine Hausbesetzung in der Schlesischen Straße 25 in Berlin Kreuzberg.

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=Z9w3MVw59XE]

Weiterlesen

Filmreportage: Wohnungsnot in Europa

Das Arte-Jugendmagazin Yourope hat Gestern eine Sendung zur Wohnsituation von jungen Leuten in verschiedenen europäischen Städten ausgestrahlt: „Wie wohnen junge Europäer?

40 Prozent der Jugendlichen in Europe wohnen demnach noch mit Mitte Dreißig bei den Eltern. Der Grund sind weniger die Bequemlichkeiten im Hotel Mama, sondern die drastisch steigenden Wohnkosten in allen Ballungsräumen. Ein Wort durfte in der Anmoderation natürlich nicht fehlen:

„Schuld ist die Gentrifizierung. Klingt wie eine tödliche Krankheit, meint aber die Verdrängung…“

Mit kurzen Reportagen zu den Fetten-Mieten-Partys in Hamburg und einer Hausbesetzung von Jeudi Noir in Paris kommt auch der Widerstand gegen die Wohnungsnot in den europäischen Metropolen nicht zu kurz. Ob die Ankündigung „In Hamburg trinkt man sich die Mieten schön“ den Ansatz der Proteste wirklich trifft, sei mal dahingestellt. Im Beitrag jedenfalls dürfen Aktivisten ihre Wohnungen zeigen und ausführlich erklären, warum 4 Euro/qm ein angemessener Preis für eine Mietwohnung wären. Aber seht am besten selbst:

Berlin: Aufwertungsdruck durch Eigentümerwechsel

In den akademischen und auch politischen Debatten zur Gentrification taucht regelmäßig die Frage nach den möglichst eindeutigen und zuverlässigen Indikatoren für solche Entwicklungen auf. Wegen der Vervielfältigung der Aufwertungsmuster und der Schnelllebigkeit von Lebensstil-Trends eignen sich veränderte Konsummuster und ihre Infrastrukturen nur noch eingeschränkt als Gentrification-Indiz. Weder der Sushi-Index (New York der 1980er Jahre) noch die Häufigkeit der Latte-Macchiato-Bars (Berlin der 1990er Jahre) dürften uns heute sinnvolle Hinweise auf eine beginnende Gentrification geben.

Wenn wir den Prozess der Aufwertung jedoch nicht als Ausdruck eines besonderen Mittelklasse-Lebensstils verstehen wollen, sondern in erster Linie als einen immobilienwirtschaftlichen Inwertsetzungsprozess, können häufige Eigentümerwechsel und steigende Bodenpreise als Vorboten der Gentrification betrachtet werden.

Die Berliner Zeitung berichtet unter dem Titel Anleger investieren in „Betongold“ über den jüngst herausgegebene (vorläufige) Bericht des Gutachterausschusses in Berlin, der für das Jahr 2010 Immobilienverkäufe in der Höhe von 8,5 Mrd. Euro festgestellt hat (2008: 7,2 Mrd. Euro / 2009: 6,5 Mrd. Euro):

Mietshäuser in der Innenstadt sind bei den Investoren besonders beliebt. In Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln wurden 2010 am meisten Mietshäuser verkauft.

Für die Bezirke Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg weisen die Daten des Gutachterausschusses mit jeweils etwa 200 verkauften Mietshäusern die höchsten Aktivitäten aus. Insgesamt wechselten Wohnhäuser im Gesamtwert von 2.9 Mrd. Euro den Besitzer – eine Steigerung um 53 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damit liegt der Handel mit Bestandsimmobilien mittlerweile über den Verkaufsumsätzen von Eigentumswohnungen und Eigenheimen (2,4 Mrd. Euro) und dem Verkauf von unbebauten Grundstücken (0,6 Mrd. Euro).

Wo viel verkauft wird, steigen auch die Mieten. Eine Wohnungslagen-Karte der Financial Times Deutschland zeigt, dass es kaum noch preiswerte Wohnungen in der Berliner Innenstadt gibt. Größere Nachbarschaften mit ‚einfacher Wohnlage‘ innerhalb des S-Bahn-Ringes (schwarze Linie) beschränken sich auf Moabit, Teile von Wedding und Teilen von Neukölln.

Weiterlesen

Berlin: Berlusconi lässt die Mieten steigen

Die korrupte und manipulative Politik des italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi hat Berichten von Spiegel Online zu Folge eine regelrechte Auswanderungswelle ausgelöst. Viele – so der Beitrag „Berlino gegen Berlusconi“ – der regierungsfeindlichen Italiener/innen zeiht es nach Berlin. Knapp 15.000 seien es offiziell – realistische Schätzungen sprechen von 50.000. Beliebteste Wohngebiete seien Friedrichshain, Kreuzberg und Mitte:

In Berlino, wie die Italiener die Stadt nennen, hat sich eine Art Exil-Opposition gegen die Regierung Berlusconi gebildet. Es sind Schauspieler und Schriftsteller, Restaurantbesitzer und Ladenverkäufer, die nicht nur italienisch essen und reden, sondern wollen, dass sich endlich etwas ändert. (…)

„Viele junge Leute fliehen vor Berlusconi nach Berlin“, sagt die Künstlerin Giovanna Salabè. Es kommen neue Studenten und auch Touristen, die länger bleiben.

So verständlich die Abneigung gegen Berlusconi ist, so aufwertungsaffin liest sich die Aufzählung der italienischen Regierungsfeinde: Schauspieler, Schriftsteller, Studierende, Tourist/innen, die länger bleiben wollen – das klingt wie eine typische Beschreibung von Gentrification-Pionieren.

Eine erst jüngst veröffentlichte Wohnungsmarktstudie verwies als Beleg für den immobilienbwirtschaftlichen Aufschwung in Neukölln ausgerechnet auf eine Italienerin:

Bezahlt werden die hohen Mieten vor allem von Neuberlinern, die in der Stadt eine Beschäftigung finden. Viele seien aus anderen Ballungsgebieten hohe Mieten gewohnt, so der IVD. Ein Beispiel: Eine Italienerin schrecke auch nicht vor 8,50 Euro Miete pro Quadratmeter in der Leinestraße von Neukölln zurück. Dies zeige, dass die Kreuzberger Mischung aus Off-Kultur und Multikulti zu einer Art Immobilien-Mehrwert auch in Teilen von Neukölln geführt habe.

Weiterlesen

Berlin: „Hartz IV geht raus aus Neukölln“

Gerade war es wieder in der Zeitung zu lesen: Nord-Neukölln ist auf dem Weg der Aufwertung. Die Gegend um den Reuetplatz ist längst als Kreuzkölln zur Vorzugslage von Immobilienmaklern erhoben worden und im Schillerkiez befürchtet die taz sogar Verhältnisse wie in Prenzlauer Berg: Willkommen in „Prenzlkölln“:

Altbauwohnungen in dem Neuköllner Viertel sind inzwischen begehrt. Vermieter nutzen die Nachfrage aus: Sie erhöhen die Mieten kräftig – und werben mit platten Schlagworten.

Die Aufwertung des Viertels wird sehr anschaulich aus der Perspektive von Immobilienmakler/innen beschrieben. Während eine Maklerin, die namentlich nicht genannt werden sollte sich über die vielen Studierenden und Künstler/innen freut, die immer höhere Preise akzeptieren, berichtet Immoblienmakler Cemal Düz von 800 Suchaufträgen von Hartz-IV-Empänger/innen, für die er keine Wohnungen mehr im Kiez findet.

Weiterlesen

Crashkurs: Wohnungsökonomie

Gestern war ich zu einer Veranstaltung der Diakonie Hamburg „Hamburg wächst – alle dabei?“ eingeladen und durfte als Veranstaltungsinput einen kleinen Rundumschlag zur Ökonomie und Politik der Wohnungsversorgung vortragen.

Der Fragekatalog der Veranstalter hätten sicher für ein komplettes Seminarprogramm gereicht:

  • Nach welchen ökonomischen Regeln funktionieren Wohnungsmärkte in unserer Gesellschaft?
  • Wie unterscheiden sich Wohnungsmärkten von anderen Märkten?
  • Welche Akteure spielen auf den Wohnungsmärkten welche Rolle? (Grundbesitz, Investoren, Eigentümer, Wohnungsbaugesellschaften, Staat, Städte, Mieter)
  • Welche Gruppen von Wohnungssuchenden werden aufgrund der Funktionsweise der Wohnungsmärkte systematisch benachteiligt
  • Welche politischen Handlungsmöglichkeiten gibt es (insbesondere Handlungsspielräume für Kommunen), um diese Benachteiligungen abzufedern? (Rolle von Bund, Land, Stadt, Interessensverbände, Soziale Bewegungen)
  • Lässt sich die Wohnungsversorgung anders als über den Markt lösen?

Letztendlich sind es 25 kompakte Minuten geworden. Für alle, die sich einen Überblick über die Themenbereiche verschaffen wollen, gibt es hier mein Vortragsmanuskript.

Weiterlesen

Artikel: Ökonomie der Wohnungsprivatisierung

Die Zeitschrift „Z – Zeitschrift marxistische Erneuerung“ beschäftigt sich in ihrer aktuellen Ausgabe mit dem Thema Stadt und Krise (Z – Nr. 83, 21. Jahrgang). Neun Beiträge – die fast ausnahmslos von einer Herrenrunde beigesteuert werden – geben eine guten Überblick zu Themen der Stadtökonomie und Stadtpolitik  in der aktuellen Krisendynamik.

  • Bernd Belina: Krise und gebaute Umwelt. Zum Begriff des „sekundären Kapitalkreislaufs“ und zur Zirkulation des fixen Kapitals, S. 8-19
  • Hans-Dieter von Frieling: Verwendbar, überflüssig, ausgegrenzt, kontrolliert – Segregation in der neoliberalen Stadt, S. 20-34
  • Henrik Lebuhn: Das Neue Steuerungsmodell und die (Markt-)Logik städtischer Verwaltungen, S. 35-45
  • Andrej Holm: Privare heißt rauben – Zur Ökonomie von Wohnungsprivatisierungen, S. 46-59
  • Thomas Ristow: Bibliothekswesen im Restrukturierungsprozess. Schöne neue Bibliothekswelt oder Bibliothekssterben?, S. 60-72
  • Axel Troost/Sandra Schuster: Kommunalfinanzen – Zeit für Alternativen, S. 73-83
  • Kai Eicker-Wolf: Die Lage der Kommunalfinanzen – das Beispiel Hessen; S. 84-96
  • Sebastian Schipper: „Es ist nicht der Markt der versagt hat, sondern es ist der Staat“ Zur Kontinuität neoliberaler Hegemonie auf lokaler Ebene am Beispiel der Stadt Frankfurt am Main, S. 97-111
  • Werner Rügemer: Kommunen: Kein Geld, keine Demokratie, keine Alternativen?, S. 112-125

Für alle, nicht gleich das ganze Heft erwerben wollen, gibt es meinen Beitrag auch hier zu lesen:

Weiterlesen

Berlin: Gentrification als Standortfaktor

Neil Smith bezeichnete Gentrification als „dirty word“ (Schimpfwort), weil „die Sprache der Gentrification uns die Wahrheit über die mit der ‚Regeneration‘ der Stadt verbundenen Klassenverschiebungen benennt, ist es zu einem dirty word für Immobilienentwickler, Politiker und Finanzakteure geworden” (Neil Smith 2002)

Jetzt beziehen sich ausgerechnet Immobilienmakler positiv auf den Gentrificationbegriff. Auf dem Immobilienportal wokaberlin.de wird „kostbaren Wohnraum“ in Friedrichshain offensiv mit der Gentrificationtendenz geworben:

Das angebotene Projekt befindet sich in einer der beliebtesten Wohngegenden, dem östlichen Friedrichshain. Hier herrscht ein kontinuierlicher Aufschwung. In den letzten Jahren hat die sogenannte „Gentrification“ Einzug gehalten. Das bedeutet die Veredelung des Wohnumfeldes durch die Veränderung der Bevölkerung und die Restaurierungstätigkeit – und führt steigende Immobilienpreise mit sich. Der Stadtteil verzeichnet eine rege Zuwanderung vor allem von  Neu-Berlinern. (Fehler im Original)

Weiterlesen

Berlin: Neubau immer teurer

Eigentlich ein alter Hut: Neugebaute Wohnungen rangieren oft im oberen Preissegment der städtischen Wohnungsmärkte. Für Berlin wird dieser Trend durch eine aktuelle Studie der BulwienGesa AG bestätigt. Eine Studie „Der Markt für Projektentwicklungen in den deutschen A-Städten 2010“ gibt neben den Immobilienmarktentwicklungen in Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München, Stuttgart auch Auskunft über die aktuellen Trends in Berlin. Die Berliner Zeitung fasste die Ergebnisse zusammen: Wo die Mieten am schnellsten steigen.

Im Stadtteil Prenzlauer Berg sind die Mietpreise für Neubau-Wohnimmobilien zwischen 2003 und 2009 um 43 Prozent gestiegen – so stark wie nirgendwo sonst in Berlin. (…) Auch die Preise für neue Eigentumswohnungen sind in einigen zentral gelegenen Stadtteilen deutlich in die Höhe geschnellt. Mit Abstand an der Spitze: Kreuzberg mit 30 und Schöneberg mit 28 Prozent Kostenanstieg.

Passend dazu auch ein Bericht im Tagesspiegel zu aktuellen Bauprojekten im Hochpreissegment: Der Krise zum Trotz: Teuer geht immer.

Vor allem in den östlichen Innenstadtbezirken, aber auch in ausgesuchten Lagen von Charlottenburg-Wilmersdorf, Steglitz- Zehlendorf, Schöneberg und Kreuzberg „ergeben sich für Projektentwickler enorme Vermarktungspotenziale“, sagt André Adami vom Marktforschungsinstitut BulwienGesa. Adami untersuchte im Auftrag von Diamona & Harnisch den Markt der gehobenen Neubauwohnungen und stellte fest, dass derzeit allein im Alt-Bezirk Mitte knapp 800 Eigentumswohnungen im Preissegment von über 3000 Euro pro Quadratmeter in Bau und weitere 1000 in Planung sind.

Weiterlesen

Stuttgart: Wohnprojekte statt Eigentum

Gestern war ich zum „1. Stuttgarter Wohnprojektetag“ geladen und konnte mit erleben, wie mehr als 200 Teilnehmer/innen sich über alternative Wohnformen informierten. Die Landeshauptstadt ist durch einen extrem angespannten Wohnungsmarkt gekennzeichnet und die Eigentumsideologie scheint regional tiefer verankert zu sein, als anderenorts. Mehrere Stuttgarterinnen erklärten mir unabhängig von einander, dass die größte Schwierigkeit für Wohnprojekte darin bestehe, die Vorurteile gegen das Mietwohnen zu brechen. Und um Wohnprojekte mit hohen Mietwohnungsanteilen ging es auch in den meisten vorgestellten Projekten. Aus meiner Berliner Perspektive war es nicht einfach zu verstehen, dass auch Genossenschaften mit Mietpreisen von 9 Euro/qm als günstige Projekte gelten – aber diese Situation zeigt vor allem, wohin die Reise geht, wenn Städte ausschließlich auf Investorenprojekte und Eigentumswohnungen setzen.

Bisher haben die Wohnprojekte einen schweren Stand in der Stadt, doch in den  letzten Monaten scheint einiges in Bewegung zu kommen. Ausgewählte städtische Grundstücke sollen explizit an Wohngruppenprojekte vergeben werden (auch wenn die konkreten Bedingungen vermuten lassen, dass es keine preiswerten Wohnungen sein werden, die dort entstehen). Auch der Veranstaltungsort (Rathaus) und das Grußwort eines Bürgermeisters zeigen, dass die Wohnprojekteszene der Stadt politisch nicht länger ignoriert wird. Erfrischend fand ich die Zusammensetzung des Publikums – statt des von mir erwarteten Alternativ-Milieus waren es mehrheitlich ältere Damen und Herren, die  nach Möglichkeiten für ein gemeinschaftliches Wohnen im Alter suchen. (Ob alle Jüngeren, die sich der Enge der schwäbischen Eigenheimidylle entziehen wollen, schon nach Berlin abgewandert sind, konnte mir niemand bestätigen).

Gefallen hat mir insgesamt vor allem die klare Orientierung auf Projekte jenseits des klassischen Wohneigentums. Endlich mal eine Wohnprojektediskussion bei der es nicht um Baugruppen ging. Verschiedenen Genossenschaften und das Mietshäusersyndikat konnten ihre Modelle und Projekte zur Diskussion stellen. Ob von dem Treffen tatsächlich Impulse für eine andere Wohnungspolitik in Stuttgart ausgehen, wird aber wohl erst die Zukunft zeigen.

Mein Beitrag: „Zukünftiges Wohnen in der Stadt – Herausforderungen und Perspektiven“ gibt es hier als Text (pdf) und als Folienpräsentation (pdf).

Für alle, die es gleich hier lesen wollen:

Weiterlesen