Zürich: „Seefeldisierung“ als Wort des Jahres knapp gescheitert

Auch in der Schweiz wird seit 2003 ein Wort des Jahres gewählt. Eine Jury aus Literat/innen, Musiker/innen und Journalist/innen wählte auch dieses Jahr aus über 1.000 Vorschlägen das Wort des Jahres. Auf dem ersten Platz 2011 landete das Wort „Euro-Rabatt“ – doch schon kurz dahinter der hierzulande kaum bekannte Begriff der „Seefeldisierung„. Im Tagesanzeiger heißt es zur Begründung:

Das Gremium bestimmte zusätzlich zwei weitere wichtige Begriffe: Der eine ist «Seefeldisierung» als Schweizer Pendant zur englischen «Gentrification», dem Phänomen, dass ganze Stadtviertel durch Zuwanderung von reichen Bewohnern zu für bereits Ansässige unerschwinglichen Luxusquartieren mutieren.

Zürich Seefeld gilt seit längerem als Paradebeispiel der Gentrifcation und auch im Gentrificationblog wurde schon darüber berichtet: Zürich: Sind Hausverkäufer verantwortlich für die  Gentrification?

Weiterlesen

Zürich: Sind Hausverkäufer verantwortlich für die Gentrification?

Unter dem Titel „Jürg Acklin ist nicht Pestalozzi“ gibt es auf dem Blog von Ronnie Grob einen spannenden Diskussionsbeitrag zur Aufwertung im Züricher Quartier Seefeld. Ausgangpunkt ist eine engagierte Reportage des Schweizer Fernsehens zu den Investitionsstrategien in Seefeld: „Vertrieben von Zuhause – Yuppisierung eines Quartiers (27 min)“.

Der Filmbeitrag beschreibt die Veränderungen im Quartier am Beispiel der Verwertungsstrategien des Investors  Urs Ledermann, dermehr als dreißig Immobilien im Gebiet bewirtschaftet (NZZ, 2006). Erzählt wird eine immer wiederkehrende Geschichte der Sanierung, des Abrisses und der Neubebauung, bei der die früheren Mietparteien ausziehen müssen und neue, solventere Bewohner/innen erschreckend hohe Beträge für luxeriöse Wohnungen bezahlen. So weit, so schlecht, so typisch für Gentrificationprozesse.

Ronnie Grob macht zurecht auf einen Zusammenhang aufmerksam, der in den meisten Gentrificationstudien unterbelichtet bleibt. Er greift eine Interviewpassage mit Jürg Acklin – einem linksliberal eingestellten Schriftsteller und Psychoanalytiker – auf, in dem dieser beschreibt, warum er großen Bedenken zum Trotze das Haus aus jahrzehntelangem Familienbesitz an den umstrittenen Investor verkauft:

Weiterlesen

Berlin | Zürich: Gentrification light?

Gentrification ist ein „dirty word“ (Neil Smith). Auch aktuelle Beispiele zeigen, dass vor allem Stadtverwaltungen und die Immobilienwirtschaft in eine Rhetorik der Verharmlosung verfallen, wenn es darum geht, Verdrängungsprozesse zu beschreiben.

Beispiel Zürich: Die Neue Züricher Zeitung argumentiert im Artikel Übertriebene Angst vor «Yuppisierung» an der Langstrasse, dass die Verdrängung nicht so drastisch sei, wie wahrgenommen. Zwar habe es größere soziale Veränderungen gegeben, aber die könne nicht als Verdrängung beschrieben werden, schließlich seien die früheren Bewohner/innen aus anderen Gründen ausgezogen… (mehr)

Beispiel Berlin Prenzlauer Berg: Um den Erfolg der Berliner Stadterneuerungspolitik zu demonstrieren wählte die Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) ausgerechnet den Kollwitzplatz in Prenzlauere Berg aus. Nein, es ging ihr nicht um die magere soziale Bilanz von 15 Jahren Sanierung (mehr dazu hier im gentrificationblog) sondern um die Vorstellung des Campus der Grundschule am Kollwitzplatz als ‚gelungenes Beispiel für eine familiengerechte Stadterneuerung‘. Um solche Erfolge zu zelebrieren, wird das verpassten Sanierungsziel einer sozial verträglichen Modernisierung einfach ausgeblendet. Auch eine Variante, sich eine Realität zu schaffen. Im Neuen Deutschland ist die Jubelveranstaltung anschaulich beschrieben: Respekt vor Kindern am Kollwitzplatz.

Beispiel Berlin Neukölln: Eine kürzlich vorgestellte Studie zur boomenden Kreativwirtschaft hat gerade wieder Neukölln und sogar Teile von Wedding als künftige hot-spots der Aufwertung identifiziert. In der Berliner Morgenpost (Studie sagt Berlins Kreativwirtschaft starkes Wachstum voraus) heisst es:

Bereits durch diese erste Studie werde deutlich, welche Impulse von den Kreativen ausgingen und wie Kunst und Kultur Stadtteile, auch im sozialen Bereich, verändern könnten. Als Beispiel nannte sie „Szene-Quartiere“ wie Nord-Neukölln und Wedding.

Um nicht auf den Gedanken zu kommen, solche Impulse könnten irgendwas mit Aufwertung oder Verdrängung zu tun haben, gibt es den Plötz-Immoblienführer: In Neukölln muss man steigenden Miete nicht fürchten (Berliner Morgenpost). Na, dann wird ja alles gut…

Weiterlesen

Wiederaneignung der Stadt

Unter dem Titel „Wiederaneignung der Stadt“ bieten Stadtteil- und Mieteraktivist/innen aus sechs europäischen Ländern beim Europäischen Sozialforum (ESF) am 18. September ein Seminar zu „Widerständen gegen Zwangsräumungen, Abrisse, Gentrifizierung, Privatisierung, Spekulation“ an.

Es wird dabei vor allem um den Austausch und die Vernetzung von Aktivitäten gehen. Wie Proteste gegen Mietsteigerungen aussehen können, zeigen Beispiele aus Paris und Zürich. Dort wurden mit Strategien der „Party-Guerilla“ Besichtigungstermine überteuerter Wohnungsangebote in Protesthappenings verwandelt. In Paris nannte sich die Gruppe „Jeudi-Noir“ (Schwarzer Donnerstag), weil immer Donnerstags die Anzeigen für Wohnungen erscheinen. Die Züricher Variante der neuen Protestkultur nennt sich „Fat-Rent-Party„. Was wir uns darunter vorstellen können, gibt es hier zu sehen.

Kurzentschlossenen können über Attac günstige Fährickets (17 Euro) nach Malmö buchen.