Auf einer Veranstaltung des AK Linke Metropolenpolitik wurde über die Zukunft der Ostberliner Sanierungsgebiete diskutiert. Trotz eines krankheitsbedingt sehr kleinen Podiums wurde es ein gelungener Abend, denn die etwa 50 Interessierten waren durchaus diskussionsfreudig und eine ganze Reihe Ideen für eine soziale Wohnungspolitik in Berlin wurden zusammengetragen. Langfristig gehe es um Strategien einer Rekommunalisierung, der Erarbeitung eines neuen Förderprogramms und eine Reform des Mietrechts, so der Tenor der Debatte. Der Grundsatz, das letzten Endes nur eine Dekommodifizierung (also die Durchsetzung marktferner Wohnungsversorgungssysteme) einen wirksamen Schutz vor Verdrängung bietet, wurde auch für die konkreten auf die Sanierungsgebiete bezogenen Forderungen verfolgt. Im Veranstaltungsbericht sind eine Reihe konkreter Vorschläge zusammengefasst: Weiterlesen
Archiv für den Monat: Februar 2009
Programmhinweis: Stadt im Radio
Stadtentwicklung und soziale Wohnungspolitik sind nicht nur Themen der Print- und Internetmedien sondern werden auch im Radio aufgegriffen. Im Deutschlandfunk (livestream) sind in den kommenden Wochen zwei spannende Sendungen angekündigt:
25.02. | 10.10 Uhr | Journal am Vormittag (Länderzeit): Auslaufmodell Sozialer Wohnungsbau – Wird preiswerter Wohnraum immer mehr zur Mangelware? [Bericht]
03.03. | 19.15 Uhr | Das Feature: Brunnenviertel/Marthashof – Der „soziale Äquator” als neue Grenze (von Anselm Weidner)
Baugruppen als freundliches Gesicht der Aufwertung?
Baugruppen liegen in Berlin voll im Trend. Auf der Webseite Wohnportal-Berlin sind fast 70 Projekte von Baugruppen verzeichnet. Baugruppen sind meist Zusammenschlüsse von mehren privaten Bauherren, die sich zur gemeinsamen Realisierung von Wohneigentum organisieren. Warum die Senatorin für Stadtentwicklung Ingeborg Junge-Reyer die Baugruppen für einen „sozialen Anker für die Innenstadtquartiere“ hält, bleibt ihr Geheimnis. Die meisten der vom Senat mit einem Baulückenmanagement geförderten Baugruppen tragen dort zu den Aufwertungsprozessen bei. Denn trotz vergleichsweise günstigen Baupreisen (ca. 2.200 Euro/qm) gilt: der Zugang zu den Baugruppen hat das entsprechende Eigenkapital zur Voraussetzung.
Am Beispiel von zwei Baugruppenprojekten im Karl Kunger Kiez in Treptow beschreibt ein Artikel in der aktuellen Ausgabe des MieterEcho („Aufwertung in Alt-Treptow“) die Aufwertungswirkung der Neubauprojekte: Weiterlesen
Berliner Immobilien-Verwertungs-Koalition
Ein kleines Ratespielchen: Lesen Sie die folgenden zwei Zitate und ordnen Sie die Autor/innen richtig zu. Welches Zitat würden Sie der sozialdemokratischen Senatorin für Stadtentwicklung Ingeborg Junge-Reyer und welches Zitat würden sie dem Vertreter des Bundes der Berliner Haus- und Grundbesitzervereine „Haus & Grund“ Dieter Blümmel zuordnen:
Zitat 1: „Warum sollten wir irgendwelche bunten Mischungen schützen? Es gibt eine gesamte Stadt, in der gibt es 1,4 Millionen Wohnungen. Davon stehen 100.000 leer und da soll sich jeder seine Wohnung suchen, in die er am liebsten hin ziehen will. Es hat niemand ein Anrecht darauf, an einer ganz bestimmten Stelle für sein ganzes Leben zu einer niedrigen Miete wohnen bleiben zu dürfen.“
Zitat 2: „Gute Lagen und entsprechende Ausstattung einer Wohnung haben ihren Preis. Keiner kann und niemand muss Wohnungssuchenden garantieren, eine sanierte Stuckaltbauwohnung in 1a-Wilmersdorf- oder Prenzlauer- Berg – Lage für unter 5 €/qm Kaltmiete zu finden. Aber der entspannte Berliner Wohnungsmarkt (…) sorgt dafür dass jeder eine bezahlbare Wohnung finden kann. Es gibt einen langfristigen, d.h. mehr als 6 Monate andauernden, hohen Leerstand von 108.000 Wohnungen, kurzfristig sind sogar ständig 150.000 Mietwohnungen auf dem Markt.“
Das Zitat 1 geht auf Dieter Blümmel (rbb-Sendung Klartext: „Hohe Mieten – Wird der Mittelstand aus der City vertrieben?“ vom 11.02.2009) zurück und Zitat 2 stammt von der Stadtentwicklungssenatorin – der Unterschied ist kaum zu bemerken. Diese eigentümliche argumentative Einheit kann als Ausdruck einer Berliner Immobilien-Verwertungs-Koalition gedeutet werden, denn auch in der politischen Praxis zeigt sich, dass die Berliner Politik spätestens seit der Jahrtausendwende die Stadtentwicklung weitgehend privaten Investoren überlässt. Berlin ist damit jedoch keine Ausnahme sondern steht nur exemplarisch für den Trend einer neoliberalen Stadtpolitik, wie er sich seit über 20 Jahren weltweit in vielen Metropolen durchgesetzt hat.
In kritischen sozialwissenschaftlichen Forschungsarbeiten der 1980er Jahre finden sich einige noch heute lesenswerte Erklärungsansätze: Weiterlesen
Kreuzberg bald wie Ostberlin?
Das Magazin Klartext des RBB hat gestern einen sehenswerten Beitrag zu den aktuellen Mietentwicklungen in Kreuzberg ausgestrahlt: „Hohe Mieten – Wird der Mittelstand aus der City vertrieben?“. Das ist zwar ein unglücklicher Titel, denn letztlich trifft die Verdrängung vor allem ökonomisch benachteiligte Haushalte – doch bemerkenswert ist der Grundtenor der Sendung: stiegende Mieten und Verdrängung drohen nun auch in den Nachbarschaften der Westberliner Innenstadtbezirke. Die Aunfwertungsprozesse in Mitte, Prenzlauer Berg und Friedrichshain werden dabei als Drohkulisse einer künftigen Kreuzberger Entwicklung gezeichnet. In der Anmoderation des Beitrags heisst es:
Wohnen im Herzen der Stadt. Das ist in Berlin durchaus bezahlbar. Noch. Denn die Mieten in der Innenstadt klettern seit geraumer Zeit steil nach oben. Viele können sich das nicht leisten und müssen gehen. In den östlichen Citybezirken ist diese Entwicklung besonders gravierend. Beispiel: Mitte, Prenzlauer Berg oder Friedrichshain. Da wurden komplette Bevölkerungsschichten einfach ausgetauscht. Immer häufiger erwischt es dabei auch Familien aus der Mittelschicht. Ein Trend, der nun auch die westliche Innenstadt erreicht hat.
Zur Erinnerung: noch vor wenigen Jahren galt es als stadtpolitischer Tabubruch im Zusammenhang mit der Stadterneuerung in Ostberlin von Gentrification zu sprechen. Auch die erst kürzlich erschienene Sozialstudie zur Aufhebung des Sanierungsgebietes Kollwitzplatz in Berlin Prenzlauer Berg spricht angesichts von gravierende Verdrängungsindizien in ihrem Zahlenmaterial lieber von einer „sozialen Konsolidierung“. Aus der Kreuzberger Perspektive jedoch erscheint der Prenzlauer Berg als eindeutige Aufwertungskulisse. Ein politischer Appell zum Abschluss des Beitrages warnt erneut vor Ostberliner Verhältnissen:
Wenn im Senat die Mehrheit aus SPD und Linken nicht die Initiative ergreift, wird auch in Kreuzberg das Wohnen zum Luxus werden – wie zuvor in Prenzlauer Berg, Mitte und Friedrichshain.
Hamburg: Hafenstraße gegen Ruhestörung
Ein auf den ersten Blick skuriler Konflikt bahnt sich in Hamburg an. Die ehemaligen Hausbesetzer/innen der Hafenstraße organisieren sich gemeinsam mit anderen Initiativen und Stadtteilaktivist/innen aus St.Pauli zur Zeit gegen die Senatspläne, drei neue Beach-Clubs zwischen dem schon vorhandenen Klub Strand Pauli und dem Fischmarkt auf der Vordeichlinie anzusiedeln (das ist genau gegenüber von den ehemals besetzten Häusern). Ein Argument gegen die die Ausbreitung der Vergnügungsindustrie: „Die ganztägige Musik-Beschallung bis nach Mitternacht sei nicht genehmigungsfähig und unzumutbar„.
Doch der Initiative gegen die Strandbars geht es um mehr als die ordnungsgemäße Nachtruhe. Zum einen wird die Privatisierung der bisher frei zugänglichen Ufergrundstücken und der Ausbau der Videoüberwachung in diesem Bereich befürchtet, zum anderen sieht das Aktionsnetzwerk gegen Gentrification (Es regent Kaviar) in den Strandbars einen Testballon für die eventgastronomische Zurichtung des gesamten Stadtteils:
Was unter Markennamen wie Lago Bay, HCBC oder Hamburg del mar daher kommt, gilt in der Stadtentwicklungs-Szene als Mittel, um Räume EVENTGASTRONOMISCH für größere Immobilienprojekte interessant zu machen. Und tatsächlich entstehen an sämtlichen Beachclub-Standorten Hamburgs heute INVESTOREN-ARCHITEKTUREN – vor der Haifischbar an der Elbe, in den Docklands, in der Schanze, in der Hafencity.
Nach mehreren Treffen lädt die Initiative nun zu einer Stadtteilversammlung ein:
Stadtteilversammlung am 7.2., 16 Uhr, Aula der Ganztagsschule St. Pauli
Mehr zu den Hintergründen der aktuellen Entwicklungen in St. Pauli gibt es im aktuellen ak – analyse & kritik, die Zeitung für linke Debatte und Praxis und auf indymedia zu lesen. Linda Fischer und Steffen Jörg beschreiben wie St. Pauli auf Kosten der Geringverdienenden umstrukturiert wird. auf indymedia gibt es einen ausführlichen Bericht über die bisherigen Aktivitäten gegen die Privatisierung des Uferstreifens.
Berlin: Stabile Autoversicherungen in Aufwertungsgebieten
Die Berliner Lokalpresse hat ein neues Lieblingsthema: Brennende Autos. Egal ob Berliner Morgenpost, Tagesspiegel oder Berliner Zeitung, selbst das Neue Deutschland beteiligt sich am car counting. Schon über 20 Brandanschläge zählt der politische Staatsschutz allein in diesem Jahr. Ein Schreiben einer »Bewegung für militanten Widerstand (BMW)« wird zum Anlass genommen, die Zündelei in den Kontext von Protesten gegen die Aufwertung in den Berliner Innenstadtbezirken zu stellen. In etlichen Artikeln wird das gefährliche G-Wort benutzt und einzelne Journalist/innen wollten ausgerechnet von mir wissen, was ich davon halte. Fast will ich hoffen, dass die Videokameras des BKA noch nicht abgebaut sind, damit nicht wieder irgendeine Ermittlungsbehörde auf dumme Gedanken kommt…
Die Berliner Polizei agiert bisher ohne zählbare Erfolge, der Polizeipräsident stellt regelmäßig seine Hilflosigkeit zur Schau. Vor einem knappen Jahr warnte er „Porsche in Berlin-Kreuzberg parken ist gefährlich“ und auch auf der letzten Sitzung des Innenausschusses des Abgeordnetenhauses erklärte er den Abgeordneten den mangelnden Fahnungserfolg: „zehntausende Kilometer Straßen bieten eine Vielzahl von Angriffsobjekten„. Im Wirtschaftsmagazins CIO wird Innensenator Körting mit einem für Luxuswageneigner/innen wenig beruhigenden «Damit müssen wir auch leben» zitiert. Etwas Trost hingegen erfahren Besitzer/innen von Nobelkarossen aus der Welt:
Seitens der Autoversicherer droht Autofahrern in den häufig von Anschlägen heimgesuchten Kiezen zumindest finanziell keine zusätzliche Belastung. Die Schäden durch Vandalismus, gleich welcher Art, hätten keine Auswirkung auf die Preisgestaltung der Regionalklassen bei Kfz-Versicherungen, sagt Katrin Rüter de Escobar, Sprecherin beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. Die Policen seien in allen Großstädten und Ballungsräumen ohnehin etwas teurer, als in den umliegenden ländlichen Gebieten. Grund: Die größere Verkehrsdichte bringe ohnehin höhere Unfall- oder Diebstahlraten mit sich. Weiterlesen