NIMBY in Kreuzberg: Junkies, Yuppies, Polizei

Berlin Kreuzberg, zuletzt wegen steigender Mieten und exklusiver Bauprojekte in die Schlagzeilen geraten, ist aktuell Schauplatz eines typischen Protestdilemmas. Nachbarschaftsinitiativen, die sich eigentlich gegen die Folgen einer verfehlten Drogenpolitik organisieren, fordern die Ausgrenzung der Drogenszene und eine Verschärfung der Polizeiarbeit.

So verständlich der Wunsch auch ist, keine gebrauchten Spritzen in den Hausfluren zu finden und seinen Kindern den Anblick von Drogenabhängigen zu ersparen – so asozial sind die Mobilisierungen zur Verdrängung des Problems aus der eigenen Nachbarschaft. NIMBY (Not in My Backyard)-Bewegungen sind oft typisch für Mittelklassenachbarschaften, die in schlichter Regelmäßigkeit nach Ausschluss und Kontrolle rufen. Das es vor allem Gewerbetreibende und Wohnungseigentümer sind, die keine offen Drogenszene im Kiez wollen, ist dabei kein Wunder. Denn sie haben nicht nur ein alltägliches, sondern eben auch ein direktes finanzielles an einer Verdrängung der Drogenszene.

Berichte zu dem Konflikt in Kreuzberg gibt es in etlichen Berliner Tageszeitungen, mit durchaus unterschiedlichen Perspektiven auf den Konflikt: Weiterlesen

Auslaufmodell Sozialer Wohnungsbau?

Im Deutschlandfunk gab es heute im Morgenmagazin Länderzeit eine Diskussionsrunde zum Thema: Auslaufmodell Sozialer Wohnungsbau: Wird preiswerter Wohnraum immer mehr zur Mangelware?

Gesprächsteilnehmer: Horst Schneider, Oberbürgermeister der Stadt Offenbach; Dr. Rudolf Ridinger, Verband der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft; Dr. Andrej Holm, Stadtsoziologe, Universität Frankfurt am Main; Joachim Barloschky, Amt für Soziale Dienste Bremen

Für alle, die die Diskussion verpasst haben, gibt es hier einen Mitschnitt der etwa einstündige Sendung. Die Rollen der Diskussionsteilnehmer waren relativ klar vorbestimmt und wurden weitgehend ausgefüllt: Weiterlesen

Berlin: Mieten bleiben Thema

Die Diskussionen um die Mietentwicklungen in der Stadt begleiten die lokalpolitische Berichterstattung Berlins seit Monaten. Seit dieser Woche gibt es einen Newsletter steigenden mieten stoppen“. Im der ersten Ausgabe heisst es:

Hinter steigenden Mieten steht das Interesse des Immobilienkapitals an hohen Profiten, die Politik schafft die Rahmenbedingungen, die diese hohen Profite ermöglichen. Und so wie die aktuell massiv steigenden Mieten gesellschaftliche Wurzeln haben, wird breiter und vielfältiger Widerstand die Umkehr dieser Entwicklung durchsetzen: Billige und gute Wohnungen für Alle statt hohe Profite für die Immobilien-Besitzer_innen!

Aboniert werden kann Newsletter, der ein- bis zweimal monatlich erscheinen soll mit einer Mail an bfa-mietenstop@riseup.net.

Doch längst sind es nicht nur Protestinitiativen, Sozialverbände und Mieterorganisationen, die eine Wende der Berliner Wohnungspolitik fordern. Und auch der Ton der Debatte verschärft sich: Weiterlesen

Berlin: Steigende Mieten trotz Finanzkrise

Ein Beitrag in der aktuellen Ausgabe des Berliner Tagesspiegel berichtet über die widersprüchlichen Auswirkungen der Finanzkrise auf den Berliner Wohnungsmarkt. Im Artikel „Mieten steigen trotz leerer Wohnungen“ wird von einer ‚Marktstarre‘ des Immobilienmarktes gesprochen – die Mieten steigen dennoch:

Die Finanzkrise hat den Berliner Immobilienmarkt fest im Griff: Von „Marktstarre“ spricht der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen, weil die Zahl der verkauften Immobilien sank und sich der Umsatz im vergangenen Jahr halbierte. Wegen der geringen Nachfrage fallen auch die Preise – um bis zu 50 Prozent. Für die Mieter in der Stadt gibt es deshalb aber keine Entwarnung. (…) Weiterlesen

Holt Sarrazin das World Press Photo nach Berlin?

Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) hat sich kurz vor seinem Wechsel zur Bundesbank nach Frankfurt/Main noch einmal bei den Mieter/innen im Sozialen Wohnungsbau unbeliebt gemacht. Seine verweigerte Zustimmung zur Finanzierung der Kappungsgrenzen im Sozialen Wohnungsbau bedeutet eine Mietsteigerung in über 50.000 geförderten Wohnungen. Damit werden die sozialen Kosten einer unsozialen Förderlogik mal wieder auf die Mieter/innen abgewälzt. Zu massenhaften Wohnungsräumungen ist es in den Sozialwohnungsbauten noch nicht gekommen – aber wenn die harte Hand Sarrazins nun die Finanzkrise managen soll, ist nicht auszuschließen…

Word Press Photo 2008

Word Press Photo 2008

Das Thema der Zwangsräumungen wurde bei der Wahl des Word Press Photos 2008 aufgegriffen. Die Jury entschied sich für ein Foto des amerikanischen Fotographen Anthony Suau. Das Bild zeigt einen County Sheriff, der mit einer Waffe in der Hand eine Hausräumung in Cleveland (Ohio) in Folge einer Zwangsvollstreckung absichert. In den USA hat die Krise auf den Immobilienmärkten nicht nur ihren Ausgangspunkt genommen, sondern fordert dort auch seine Opfer. Insbesondere ärmeren Haushalten, die sich von den Banken mit zweitklassigen Krediten zum Hauserwerb überreden ließen, droht eine Welle von Zwangsversteigerungen und Wohnungsräumungen. In der Neuen Züricher Zeitung gibt es dazu einen informativen Artikel: Amerikanische Latinos zahlen die Zeche der Immobilienkrise.

Bild: Word Press Photo (copyright information)

Berlin: Vorschläge gegen Verdrängung

Auf einer Veranstaltung des AK Linke Metropolenpolitik wurde über die Zukunft der Ostberliner Sanierungsgebiete diskutiert. Trotz eines krankheitsbedingt sehr kleinen Podiums wurde es ein gelungener Abend, denn die etwa 50 Interessierten waren durchaus diskussionsfreudig und eine ganze Reihe Ideen für eine soziale Wohnungspolitik in Berlin wurden zusammengetragen. Langfristig gehe es um Strategien einer Rekommunalisierung, der Erarbeitung eines neuen Förderprogramms und eine Reform des Mietrechts, so der Tenor der Debatte. Der Grundsatz, das letzten Endes nur eine Dekommodifizierung (also die Durchsetzung marktferner Wohnungsversorgungssysteme) einen wirksamen Schutz vor Verdrängung bietet, wurde auch für die konkreten auf die Sanierungsgebiete bezogenen Forderungen verfolgt. Im Veranstaltungsbericht sind eine Reihe konkreter Vorschläge zusammengefasst: Weiterlesen

Programmhinweis: Stadt im Radio

Stadtentwicklung und soziale Wohnungspolitik sind nicht nur Themen der Print- und Internetmedien sondern werden auch im Radio aufgegriffen. Im Deutschlandfunk (livestream) sind in den kommenden Wochen zwei spannende Sendungen angekündigt:

25.02. | 10.10 Uhr | Journal am Vormittag (Länderzeit): Auslaufmodell Sozialer Wohnungsbau – Wird preiswerter Wohnraum immer mehr zur Mangelware? [Bericht]

03.03. | 19.15 Uhr | Das Feature: Brunnenviertel/Marthashof – Der „soziale Äquator” als neue Grenze (von Anselm Weidner)

Baugruppen als freundliches Gesicht der Aufwertung?

Bauwelt 39/40, 2008Baugruppen liegen in Berlin voll im Trend. Auf der Webseite Wohnportal-Berlin sind fast 70 Projekte von Baugruppen verzeichnet. Baugruppen sind meist Zusammenschlüsse von mehren privaten Bauherren, die sich zur gemeinsamen Realisierung von Wohneigentum organisieren. Warum die Senatorin für Stadtentwicklung Ingeborg Junge-Reyer die Baugruppen für einen „sozialen Anker für die Innenstadtquartiere“ hält, bleibt ihr Geheimnis. Die meisten der vom Senat mit einem Baulückenmanagement geförderten Baugruppen tragen dort zu den Aufwertungsprozessen bei. Denn trotz vergleichsweise günstigen Baupreisen (ca. 2.200 Euro/qm) gilt: der Zugang zu den Baugruppen hat das entsprechende Eigenkapital zur Voraussetzung.

Am Beispiel von zwei Baugruppenprojekten im Karl Kunger Kiez in Treptow beschreibt ein Artikel in der aktuellen Ausgabe des MieterEcho („Aufwertung in Alt-Treptow“) die Aufwertungswirkung der Neubauprojekte: Weiterlesen

Berliner Immobilien-Verwertungs-Koalition

Ein kleines Ratespielchen: Lesen Sie die folgenden zwei Zitate und ordnen Sie die Autor/innen richtig zu. Welches Zitat würden Sie der sozialdemokratischen Senatorin für Stadtentwicklung Ingeborg Junge-Reyer und welches Zitat würden sie dem Vertreter des Bundes der Berliner Haus- und Grundbesitzervereine „Haus & Grund“ Dieter Blümmel zuordnen:

Zitat 1: „Warum sollten wir irgendwelche bunten Mischungen schützen? Es gibt eine gesamte Stadt, in der gibt es 1,4 Millionen Wohnungen. Davon stehen 100.000 leer und da soll sich jeder seine Wohnung suchen, in die er am liebsten hin ziehen will. Es hat niemand ein Anrecht darauf, an einer ganz bestimmten Stelle für sein ganzes Leben zu einer niedrigen Miete wohnen bleiben zu dürfen.“

Zitat 2: „Gute Lagen und entsprechende Ausstattung einer Wohnung haben ihren Preis. Keiner kann und niemand muss Wohnungssuchenden garantieren, eine sanierte Stuckaltbauwohnung in 1a-Wilmersdorf- oder Prenzlauer- Berg – Lage für unter 5 €/qm Kaltmiete zu finden. Aber der entspannte Berliner Wohnungsmarkt (…) sorgt dafür dass jeder eine bezahlbare Wohnung finden kann. Es gibt einen langfristigen, d.h. mehr als 6 Monate andauernden, hohen Leerstand von 108.000 Wohnungen, kurzfristig sind sogar ständig 150.000 Mietwohnungen auf dem Markt.“

Das Zitat 1 geht auf Dieter Blümmel (rbb-Sendung Klartext: „Hohe Mieten – Wird der Mittelstand aus der City vertrieben?“ vom 11.02.2009) zurück und Zitat 2 stammt von der Stadtentwicklungssenatorin – der Unterschied ist kaum zu bemerken. Diese eigentümliche argumentative Einheit kann als Ausdruck einer Berliner Immobilien-Verwertungs-Koalition gedeutet werden, denn auch in der politischen Praxis zeigt sich, dass die Berliner Politik spätestens seit der Jahrtausendwende die Stadtentwicklung weitgehend privaten Investoren überlässt. Berlin ist damit jedoch keine Ausnahme sondern steht nur exemplarisch für den Trend einer neoliberalen Stadtpolitik, wie er sich seit über 20 Jahren weltweit in vielen Metropolen durchgesetzt hat.

In kritischen sozialwissenschaftlichen Forschungsarbeiten der 1980er Jahre finden sich einige noch heute lesenswerte Erklärungsansätze: Weiterlesen