Hamburg: Creative City jenseits von Florida?

Die Besetzung des Gängeviertels durch Künstler/innen und das von verschiedenen Kulturschaffenden initiierte Manifest „Not in our Name – Marke Hamburg“ hat für einige stadtpolitische Aufregung gesorgt und auch der Diskussion um das Konzept einer ‚creative class‘ und einer ‚creativ city‘  des kanadischen Stadtplaner Richard Florida neuen Schwung gebracht. Im Manifest der Hamburger Künstler/innen wandten diese sich gegen die Vereinnahmung ihrer Aktivitäten durch eine unternehmerische Stadtpolitik.

Hintergrund der Kritik sind die Thesen Floridas, der unter dem Stichwort der ‚creative city‘ Stadtkultur und Alternativszenen in ‚weiche Standortfaktoren‘ des Städtewettbewerbs verwandelt, um den Zuzug von Unternehmen und Leistungsträger/innen der Wissensökonomie zu fördern.

Volker Kirchberg – Professor für für Kulturvermittlung und Kulturorganisation an der Leuphana-Universität Lüneburg – wurde von der taz zum Thema befragt: „Kreativität kann man nicht planen„. Darin setzt er sich kritisch mit den Thesen Richard Floridas auseinander und plädiert – unter Berufung auf Charles Landry für ein anderes Verständnis von kreativer Stadtentwicklung. Statt der Funktionalität für eine unternehmerische Strategie sollte Kreativität als Kriterium für den Innovationsgehalt von Stadtpolitik verstanden werden.

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Berlin: SPD-Bausumpf immer tiefer

Nach den erst kürzlich bekannt gewordenen Verbindungen des SPD-Bauausschussvertreters Ralf Hillenberg zu den überteuerten Modernisierungsplänen in den Plattenbauten in Berlin-Buch der landeseigenen HOWOGE gibt es nun offenbar Indizien für weitere Verstrickungen des SPD-Abgeordneten und seiner Ingenieursfirma ISB bei der Vergabe öffentlicher Mittel.

Uwe Rada berichtet in der tazHowogate wird Hillengate“ und fordert „Ein Rücktritt wäre das Mindeste„. Recht hat er!

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Berlin: Neue Eigentumswohnungen in Tempelhof

Im letzten Sommer, nach der Schließung des Flughafenbetriebes, befürchteten Stadtteilinitiativen und Bewohner/innen eine Aufwertung der umliegenden Wohnviertel. Hier gab es unter dem Titel „Landeanflug der Aufwertung“ eine ausführliche Einschätzung zu den Entwicklungsperspektiven rund um das Flughafengelände.

Bereits ein gutes Jahr nach den letzten Flugzeugstarts berichtet die Berliner Zeitung über die ersten sichtbaren Aufwertungseffekte: „Ein Kiez hebt ab„. Im Gebiet westlich des Flugfeldes (zwischen Dudenstraße, Tempelhofer Damm, General-Pape-Straße und S-Bahn-Ring) wurden allein im Jahr 2009 von der Wohnbauten- und Beiteiligungsgesellschaft WoBeGe 70 Wohnungen verkauft. Nach Aussagen von Ullrich Haaker (WoBeGe) stehe das Quartier vor allem bei Kreativen und Bildungsbürgern hoch im Kurs.

„Architekten, Juristen, Professoren oder Ingenieure interessieren sich verstärkt für das Quartier“, stellt Ullrich Haaker von der Wohnbauten- und Beteiligungsgesellschaft WoBeGe fest. Der Vertriebsleiter ist mit der Teilprivatisierung Neu-Tempelhofs beauftragt. 50 Prozent der Wohnungen seien bereits verkauft. „Allein 2009 waren 70 Wohnungen ratzfatz weg“.

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Berlin: Stadtteilmobilisierungen gegen Verdrängung (Veranstaltungsdankündigung)

Heute Abend bin ich zu einer Veranstaltung von Karl-Kunger-Kiezinitiative in Alt-Treptow eingeladen:

Stadtteilmobilisierungen gegen Verdrängung und Gentrification in Prenzlauer Berg (199oer Jahre), 12. Febuar, 19 Uhr, Loesje e.V., Karl-Kunger-Straße 55

Nach dem Mauerfall vollzog sich im Prenzlauer Berg eine rapide Wandlung der Kieze. Bis zu 80% der Bevölkerung wurde innerhalb weniger Jahre ausgewechselt. Eine zahlungskräftige Mittelschicht bezog den aufgehübschten und angesagten Stadtteil mit seinen (Luxus-)sanierten Wohnungen. Ein starker Protest artikulierte sich damals gegen diese Entwicklung. Er konnte sich nicht durchsetzen.
Woran scheiterte der Protest? Artikulierte sich der Protest auch als Widerstand? Ist die Entwicklung damals vergleichbar mit den Angriffen auf ärmere Schichten heute? Oder unterscheidet sich die Zeit komplett? Und
vor allem: was ist daraus zu lernen, wenn wir heute die Kieze gegen die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, Luxussanierungen und
den Bau von Luxuseigentumswohnungen von sogenannten Baugruppen verteidigen müssen? Und wenn die ärmere Bevölkerung den neoliberalen rot-roten Senat als politischen Gegner hat, der ihre Verdrängung vorantreibt?
Wo können wir heute mit den Erfahrungen vom Prenzlauer Berg ansetzten, um ein “Prenzlauer Berg” in u.a. Alt-Treptow, Neukölln, Kreuzberg etc. zu verhindern?

Wir würden uns freuen euch zu treffen!

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Hamburg: Anti-Gentrification jetzt völlig abgehoben

Hamburgs städtische Proteste werden immer ungewöhnlicher. Das Immobilien-Symposium Hamburg 2010 gab den willkommenen Anlass für eine bisher unbekannte Protestform: der Psychokinese gegen Gentrification.  Unter dem Motto „Das Empire hebt ab“ versuchten ein paar Dutzend Aktivist/innen mit lustigen orangenen Umhängen und lauter Musik ihre psychokenetische Energie  auf das Gebäude des Immobilien-Meetings wirken zu lassen.

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=THj5phjgzIw]

Was albern aussah, hatte eine erhebliche Wirkung: fast alle Hamburger Zeitungen berichteten von den Protesten gegen das  Symposium der selbsternannten „Macher, Denker und Entscheider“. Auf den Seiten von Es regenet Kaviar – Aktionsnetzwerk gegen Gentrification gibt es einen ausführlichen Pressespiegel. Die schönsten Zitate können auch hier direkt gelesen werden.

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Berlin: Stadtpolitik für die Mittelklasse

Anfang des Jahres habe ich hier die ersten Beiträge einer Artikelserie in der Berliner taz vorgestellt, die sich in lesenswerter und informativer Weise mit vielen aktuellen stadtpolitischen Themen beschäftigt: „Berlin: Die (Re)Thematisierung der Wohnungspolitik„.

Die neuen Beiträge der Serie beschäftigen sich mit Fragen der Mietentwicklung und der sozialen Spaltung in arme und reiche Stadtviertel ebenso wie mit dem Quartiersmanagement und Luxuswohnprojekten. Herausgekommen ist also eine buntes Kaleidoskop der Berliner Stadtentwicklung.

Hier wieder eine kurze Zusammenfassung der Beiträge:

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Berlin: „Brennende Autos“ und „Terror gegen Nachbarn“

‚Brennende Autos‘ haben sich in der lokalpolitischen Auseinandersetzung Berlins zum Mantra der pauschalen Kritik an Anti-Gentrification-Protesten entwickelt. Die nicht einmal von der Polizei verfolgte Kurzformel „Gentrification = Reiche = mehr teure Fahrzeuge = Protest gegen Aufwertung = Intoleranz = brennende Autos“ geistert seit Monaten in verschiedenen Variationen durch den Berliner Blätterwald. Die Berliner Justiz reagierte mit einem – in anderen Bereichen unbekannten – Ermittlungseifer und verhängte mehrfach monatelange Untersuchungshaft gegen Männer und Frauen, die sich vor allem dadurch verdächtig gemacht hatten, sich in ’szentypischer Kleidung‘ (Schwarze Klamotten, Kapuzenjacke) in der ‚Nähe der Tatorte‘ (Friedrichshain) aufgehalten zu haben (alle Inhaftierten mussten mittlerweile freigelassen werden). Im Vorfeld der Räumung eines besetzten Hauses in der Brunnenstraße 183 in Berlin-Mitte wurde via Bild sogar zur „Räumung der linken Terrornester“ aufgerufen.

Im Schatten der ‚brennenden Autos‘ – über 200 Brandstiftungen soll es im vergangenen Jahr gegeben haben – hat es inzwischen auch der „Terror gegen Baustellen“ in die Schlagzeilen geschafft. Polizeilichen Statistiken zu Folge soll es 2009  etwa 70 politisch motivierte Anschläge auf Baustellen und Baufahrzeuge gegeben haben. Auch hier scheinen die Schuldigen schnell gefunden: „Terror gegen Nachbarn: Neubaupropjekte im Visier von Linksextremen (video)“ (rbb-Klartext).:

Wer wünscht sich das nicht: Bezahlbares Wohneigentum in der Innenstadt? Immer mehr Familien machen diesen Traum wahr und schließen sich zu so genannten Baugruppen zusammen. (…) Für Linksautonome alles nur Yuppies. (…) Vor allem Baugruppen sind im Visier der Kritiker neben kommerziellen Investoren.

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Valencia: Opern-Guerilla stört reibungslosen Markthandel

Ein hübsches Beispiel für die proaktive Transformation städtischer Räume kursiert gerade durch verschiedene Mailinglisten. Auf youtube gibt es ein Video in dem Opernsänger/innen die große Markthalle von Valencia für einige Minuten aus der sterilen Verkaufsatmosphäre reißen und in einen lebendigen Ort verwandeln. Von der Aktionsform irgendwo zwischen Flashmob und Kommunikationsguerilla angesiedelt, zeigen die Sänger/innen, dass große Hallen nicht nur für den Verkauf von Waren genutzt werden können. Ob wir es angesichts der gesungenen Arien schon mit einer Rückverwandlung kommerzieller Flächen in einen öffentlichen Raum zu tun haben, würde ich bezweifeln. Doch die Taktik der Aneignung von Raum und seiner zumindest kurzzeitige Transformation in einen Ort der Kollektivität der Gemeinsamkeit finde ich sehr anregend… Aber seht selbst:

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=Ds8ryWd5aFw]

Leider habe ich fast keine Informationen über den Entstehungskontext des Videos und die möglichen Intentionen der Opernsänger/innen. Über mehr und ausführlichere Hintergrundberichte würde ich mich sehr freuen.

Berlin: Jobrotation in der Immobilien-Verwertungs-Koalition

Schon an anderer Stelle hier auf dem Blog hatte ich unter dem Begriff der Immobilien-Verwertungs-Koalition auf die gemeinsamen Aufwertungsinteressen von Teilen der politischen Klasse und der Immobilienwirtschaft hingewiesen. Dass solche Koalitionen nicht nur von gemeinsam getragenen Zielen, Überzeugungen und Wertschätzungen getragen werden, sondern auch von personellen Verquickungen, zeigen zwei aktuelle Beispiel in Berlin.

Während sich die SPD offiziell gerade versucht als Mieterpartei zu profilieren, bewiesen die bisherige Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Manuela Damianakis und der Abgeordnete Ralf Hillenberg wie eng die sozialdemokratische Wohnungspolitik personell mit der Berliner Immobilienwirtschaft verbunden ist. In der taz ist sogar wieder das hässliche Wort vom Berliner Bausumpf zu lesen…

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Paris: Paläste für Alle?

In der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung gibt es einen Artikel zu eine   HausPalastbesetzung der wohnungspolitischen Aktionsgruppe ‚Jeudi Noir“ (Schwarzer Donnerstag) in Paris: Vive la chance (von Stefan Ulrich, Süddeutsche Zeitung, 27. Januar 2010, Seite 3). Seit drei Monaten hält eine Gruppe von 32 jungen Leuten ein seit über 40 Jahren leer stehendes Palais am Place des Vosges in der Pariser Innenstadt besetzt.

Heute gehört der Platz wieder zu den teuersten Adressen im ohnehin nicht billigen Paris. 20 000 Euro soll der Quadratmeter kosten. Dubouchet könnte sich glücklich preisen in seinem Palais Nummer 1 b, in dessen Dachgeschoss er sein Atelier eingerichtet hat. Die Sache hat nur einen Haken: Dubouchet ist nicht Schlossbesitzer – sondern Schlossbesetzer.

Auch in den Stuttgarter Nachrichten gab es eine Bericht über die Besetzung des 400 Jahre alten Gebäudes: Studenten besetzen Luxus-Palais. Der dort beschriebene Besuch der 87-jährigen Besitzerin Béatrice Cottin kurz vor Weinachten brachten den Besetzer/innen jedoch kein Glück. Entmündigt und unter Vormundschaft gestellt, nuzte die Sympathie der alten Dame wenig. Nach einem vom Vormund erwirkten Gerichtsbeschluss droht nun die Zwangsräumung.

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