Gestern war ich zum „1. Stuttgarter Wohnprojektetag“ geladen und konnte mit erleben, wie mehr als 200 Teilnehmer/innen sich über alternative Wohnformen informierten. Die Landeshauptstadt ist durch einen extrem angespannten Wohnungsmarkt gekennzeichnet und die Eigentumsideologie scheint regional tiefer verankert zu sein, als anderenorts. Mehrere Stuttgarterinnen erklärten mir unabhängig von einander, dass die größte Schwierigkeit für Wohnprojekte darin bestehe, die Vorurteile gegen das Mietwohnen zu brechen. Und um Wohnprojekte mit hohen Mietwohnungsanteilen ging es auch in den meisten vorgestellten Projekten. Aus meiner Berliner Perspektive war es nicht einfach zu verstehen, dass auch Genossenschaften mit Mietpreisen von 9 Euro/qm als günstige Projekte gelten – aber diese Situation zeigt vor allem, wohin die Reise geht, wenn Städte ausschließlich auf Investorenprojekte und Eigentumswohnungen setzen.
Bisher haben die Wohnprojekte einen schweren Stand in der Stadt, doch in den letzten Monaten scheint einiges in Bewegung zu kommen. Ausgewählte städtische Grundstücke sollen explizit an Wohngruppenprojekte vergeben werden (auch wenn die konkreten Bedingungen vermuten lassen, dass es keine preiswerten Wohnungen sein werden, die dort entstehen). Auch der Veranstaltungsort (Rathaus) und das Grußwort eines Bürgermeisters zeigen, dass die Wohnprojekteszene der Stadt politisch nicht länger ignoriert wird. Erfrischend fand ich die Zusammensetzung des Publikums – statt des von mir erwarteten Alternativ-Milieus waren es mehrheitlich ältere Damen und Herren, die nach Möglichkeiten für ein gemeinschaftliches Wohnen im Alter suchen. (Ob alle Jüngeren, die sich der Enge der schwäbischen Eigenheimidylle entziehen wollen, schon nach Berlin abgewandert sind, konnte mir niemand bestätigen).
Gefallen hat mir insgesamt vor allem die klare Orientierung auf Projekte jenseits des klassischen Wohneigentums. Endlich mal eine Wohnprojektediskussion bei der es nicht um Baugruppen ging. Verschiedenen Genossenschaften und das Mietshäusersyndikat konnten ihre Modelle und Projekte zur Diskussion stellen. Ob von dem Treffen tatsächlich Impulse für eine andere Wohnungspolitik in Stuttgart ausgehen, wird aber wohl erst die Zukunft zeigen.
Mein Beitrag: „Zukünftiges Wohnen in der Stadt – Herausforderungen und Perspektiven“ gibt es hier als Text (pdf) und als Folienpräsentation (pdf).
Für alle, die es gleich hier lesen wollen: