Berlin: Gefahren der Aufwertung (Interview)

Das Quartiersmanagement (QM) Körnerpark beschäftigt sich mit den Aufwertungsgefahren in Nord-Neukölln. In der aktuellen Ausgabe der Körnerpost (pdf) gibt es ein kurzes Interview mit mir. Neben verschiedenen Einschätzungen zur aktuellen Entwicklung in Nord-Neukölln waren auch die Beschränktheiten des Quartiersmanagements selbst Thema des Gespräches. Zwischen Beiträgen zur „Baumscheiben-Begrünung“ und einem Aufruf zum Frühjahrsputz („Sauberer Kiez – Mach mit!“) wirken kritsche Wortmeldungen zur Stadtentwicklung und Quartierspolitik etwas verloren… Aber im Unterschied zu den umstrittenen Projekten des QM Schillerpropmenade (Task Force Okerstraße) verzichtet das Handlungskonzept des QM Körnerpark selbst beim Ziel „Steigerung des Sicherheitsempfinden“ auf repressive Instrumente. Schade ist allenfalls, dass die als ‚Stärke des Quartiers‘ festgestellte Wohnungsversorgung mit „guten und preiswerten Altbauwohungen“ in den Zielkoordinaten des Quartiersmanagements nicht mehr auftaucht. Die Sicherung preiswerter Wohnungen wäre mit großer Sicherheit ein sinnvoller Beitrag zur angestrebten Verbesserung der Lebensqualität im Quartier.

Im Interview für die Körnerpost hab ich das auch so ähnlich formuliert:

Sie halten die Aufwertung eines Stadtteils für eine ambivalente Angelegenheit, weil neben der Erneuerung von Bausubstanz und der Beseitigung von Gewerbeleerstand häufig auch die Mieten steigen. Wie soll eine Stadtentwicklung, die die sozial schwache Bevölkerung berücksichtigt, Ihrer Meinung nach denn aussehen?

Eine Stadtpolitik, die von den Bedürfnissen der aktuellen Bewohner/innen ausgeht, sollte sich vor allem an der Verbesserung der Lebensqualität und der Schaffung von Arbeitsplätzen orientieren. Da ökonomische Ressourcen in der Gesellschaft ungleich verteilt sind, muss eine sozial orientierte Stadtpolitik immer auch eine Umverteilungspolitik sein. Ein wichtiger Aspekt für einkommensschwächere Haushalte ist dabei, dass die Miete bezahlbar bleibt.

Das ausführliche Interview gibt es auch gleich hier zu lesen:

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Berlin: „Ausziehen, wenn Sie nicht pleite gehen wollen!“

„Ausziehen, wenn Sie nicht pleite gehen wollen!“ Das ist der Tipp eines Mieterberatungsanwalts für die  Mieter/innen in einem Schöneberger Sozialwohnungsbau. Es geht hier nicht um eine Fehlbelegungsabgabe…

Sozialwohnungen sind belegungs- und mietpreisgebunden Wohnungen, die im Rahmen staatlicher Förderprogramme (Sozialer Wohnungsbau) errichtet wurden. Klingt erst einmal vernünftig – ist es aber in der Praxis nicht. Zum einen liegen die Mieten mit durchschnittlich über 5 Euro/qm (nettokalt) über den Berliner Durchschnittsmieten (4,85 Euro/qm) – zum anderen dürfen Eigentümer/innen nach Ablauf der Förderverträge die Mieten auf eine fiktive Kostenmiete erhöhen, die weit über dem städtischen Mietniveau liegt. Die Berliner Regierung hat 2003 völlig zurecht den Ausstieg aus der wahnwitzigen Förderlogik der sogenannten Anschlussförderung beschlossen, der Eigentümer/innen nach 15 Jahren Förderung weitere 15 Jahre Fördergelder zukommen ließ. Doch ohne eine vernünftige Ausstiegsregelung machen die subventionsverwöhnten Eigentümer/innen von ehemaligen Sozialwohnungen in Berlin nun genau das, was von  Marktteilnehmer/innen erwartet wird – sie erhöhen die Miete. Und weil sich das die Mieter/innen nicht gefallen lassen wollen, mobilisieren sie sich und den Protest. Für den Ostersamstag ruft das Aktionsbündnis sozialmieter.de zu einem Aktionstag mit symbolischen Umzug auf:

Aktionstag mit einem symbolischen Umzug auf die Strasse
Ostersamstag, 03.04.2010, 13.00 – 16.00
Akazienstraße in Schöneberg

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Berlin: Häuserkampf und Stadterneuerung

1990, Straßenfest in der Mainzer Straße (wenige Monate vor der Räumung) (Bild: Umbruch-Bildarchiv)

1990, Straßenfest in der Mainzer Straße (wenige Monate vor der Räumung) (Foto: Umbruch-Bildarchiv)

In der aktuellen Ausgabe der Blätter für deutsche und internationale Politik gibt es einen kleinen Artikel, den ich zusammen mit Armin Kuhn geschrieben habe: Häuserkampf und Stadterneuerung. Ausgehend von den runden Jubiläen der letzten großen Hausbesetzungswellen in Berlin (30 Jahre West-Berliner Hausbesetzungen / 20 Jahre Hausbesetzungen in Ostberlin)  haben wir versucht die Verbindungslinien zischen den Besetzungsbewegungen und der Stadterneuerungspolitik nachzuzeichnen. Waren die Westberliner Hausbesetzer/innen Auslöser und teilweise Partner/innen einer neuen Stadterneuerungspolitik, waren die meisten Hausbesetzungen in Ostberlin nach der Wende von einer stadtpolitischen Ignoranz geprägt…

Der Artikel bei den Blättern für deutsche und internationale Politik ist für eine Woche freigeschaltet und kann als PDF heruntergeladen werden.

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Berlin: Verdängungsnormalität

Mieterinitiativen in Berlin versuchen seit langem gegenüber der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung einen differenzierten Blick auf die Mietentwicklung der Stadt durchzusetzen. Statt mit pauschalen Durchschnittsgrößen preiswerter Mieten und verfügbarer Wohnungen alle Kritik an der Stadtentwicklung abzuwiegeln, verwiesen die Stadtteilinitiativen vor allem auf die klaren Aufwertungs- und Verdrängungsindizien in einer Reihe von innerstädtischen Vierteln. Nun zeigt der GSW-Wohnungsmarktreport 2010 (pdf), dass die Berliner Wohnungsmarktentwicklung doch als stadtweiter Trend bezeichnet werden kann: In allen Bezirken (mit der Ausnahme von Spandau) steigen die Mieten.

In der aktuellen Ausgabe der Tageszeitung Neues Deutschland gibt es ein kurzes Interview mit mir zu diesen Entwicklungstendenzen nachzulesen: Verdrängung wird Normalfall (siehe unten). Aufhänger für das Gespräch waren Aktivitäten einer Stadtteilinitiative in Alt-Treptow, die in den letzten Monaten zunächst gegen den Neubau von Eigentumswohnhäusern durch Baugruppen mobilisierten und aktuell gegen die Mieterhöhungen durch die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft „Stadt und Land“. Ebenfalls im Neuen Deutschland gab es einen Beitrag zu den Protesten in Alt-Treptow: Kunger-Kiez droht zu kippen.

»Stadt und Land« erklärte ND, bei insgesamt 332 Wohnungen im Kunger-Kiez die Netto-Kaltmiete zum 1. April zu erhöhen. Von einigen Mietern verlangt die Gesellschaft 11 Prozent Aufschlag, von anderen 20 Prozent. Ein älterer Mann ist erbost, dass »Stadt und Land« mehr Geld ohne Gegenleistung fordere: »Unser Hausflur vergammelt, da blättert die Farbe ab.« Seit der letzen Mieterhöhung sei dort nichts geschehen. Wer sich jedoch weigert zu zahlen, dem droht die Gesellschaft mit Klage.

Das selbst in einem bisher eher unscheinbaren Wohnquartier wie Alt-Treptow Mieterhöhungen durchsetzbar sind und Eigentumswohungsprojekte  dort realisiert werden können, zeigt wie umfassend der Trend der Aufwertung und Verdrängung mittlerweile die Berliner Innenstadt ergriffen hat. Statt der früheren Luxusenklaven stellen mittlerweile   Wohngebiete mit stagnierenden Mietpreisen die Ausnahme dar: Verdrängung ist Normalfall.

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Berlin: Bio-Paradies Prenzlauer Berg

Mauren Kennedy and Paul Leonard (2001) haben in ihrer sehr allgemeinen Definition Gentrification beschrieben als:

„the process by which higher income households displace lower income residents of a neighborhood, changing the essential character and flavor of that neighborhood.“

Die Veränderungen der Sozialstruktur sind dabei relativ klar zu ‚messen‘ – aber welche Indikatoren stehen für den ‚grundlegenden Wandels des Nachbarschaftscharakters‘? Unter dem Titel „Gentrification ist Geschmackssache“ wurde hier bereits über spezifische Konsumgewohnheiten  (z.B. Cup-Cakes) diskutiert. Ein Beitrag der Deutschen Welle zeigt, dass auch die Vorsorgungsdichte von Bioläden ein guter Gradmesser für die Durchsetzung milieuspezifischer Lebensweisen ist. Gerade mit dem Ausbau des Bio-Angebotes in konventionellen Lebensmittelketten, wird der Gang in den Bioladen zu einem Statement des Lebensstil.

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Im Berliner Aufwertungsbezirk Prenzlauer Berg gibt es allein entlang der Schönhauser Alle und ihrer Umgebung über 10 Bio-Läden bzw. Bio-Supermärkte. Trotz der Krise konnten die Umsätze im vergangenen Jahr um 15 Prozent gesteigert werden. Selbst kleine Klitschen erreichen trotz der Konkurrenz der preiswerteren Bio-Supermärkte einen millionenschweren Jahresumsatz.

via: Jenz Steiner

Berlin: Gentrification als „Kampf um den Raum“

'Kampf um den Raum' in NY, 2008

Hartmut Häußermann, ehemaliger Professor für Stadt- und Regionalsoziologie an der Humboldt-Universität zu Berlin war gestern zum Grünen Mietenkongress geladen und und durfte dort das Impulsreferat halten. Wesentliche Argumente sind auch in den Zeitschrift des Landesverbandes der Grünen „Stachlige Argumente“ nachzulesen (Leider noch nicht online verfügbar).

Er interpretiert darin die aktuellen Aufwertungsprozesse in Berlin als einen „Kampf um den Raum“  (Stachlige Argumente 177, 1/2010, 4-7) und beschreibt das Problem der Gentrification als eine Ungleichzeitigkeit räumlicher und sozialer Prozesse. Er versteht darunter die gleichzeitige Nachfrage von bestimmten Innenstadtquartieren durch Gruppen „mit ähnlichen Lebensstilen aber unterschiedlicher Finanzausstattung“. Den Kern dieser Prozesse bezeichnet Häußermann als Verdrängung:

„Verdrängung“ heißt dass hier ein Machtkampf stattfindet, das heißt, dass eine Konkurrenz um Wohnmöglichkeiten in einem Quartier zwischen Hauhalten mit ungleichen Ressourcen besteht. In einer Marktwirtschaft entscheidet dann vor allem die Verfügung über Geld, wer zu den Gewinnern und wer zu den Verlierern zählt.

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Berlin: Öffentlich finanzierte Verdrängung

Die Sanierungsgebiete in der Ostberliner Innenstadt stehen kurz vor der Aufhebung – in einige wurden die Sanierungssatzungen bereits aufgehoben. Mit einem ‚Durchführungsstand‘ der baulichen Erneuerungsarbeiten von etwa 70 Prozent  fällt die Bilanz der Senatsverwaltung positiv aus – die städtebaulichen Ziele seien damit erreicht worden. Die sozialen Ziele hingegen, die sich zu Beginn der Stadterneuerung an einem „Erhalt der Sozialstruktur“ in den Gebieten orientierten, wurden elementar verfehlt.

Am Beispiel der Sanierungsgebiete in Prenzlauer Berg muss eine ernüchternde Bilanz der Stadterneuerung gezogen werden. Abschließende Sozialstudien am Kollwitzplatz und in der Winsstraße zeigen: nur etwa 20 Prozent der früheren Bewohner/innen leben noch in den Gebieten, die Mieten liegen auf überdurchschnittlichen Niveau und die ehemals heterogenen Nachbarschaften wurden durch homogenen Mittelklassemilieus ersetzt.

In Diskussionen zu diesen Entwicklungen wird oft behauptet, solche Aufwertungen seien ’natürliche‘ Prozesse der Stadtentwicklung, die gar nicht zu vermeiden sind. Ein Blick auf die speziellen ökonomischen Rahmenbedingungen in den Sanierungsgebieten zeigt jedoch, dass die Aufwertungsprozesse wesentlich durch öffentliche Förderungen und Investitionsanreize ausgelöst und angetrieben wurden. Insgesamt flossen seit Anfang der 1990er Jahre mehr als 1 Mrd. Euro in die Sanierungsgebiete von Prenzlauer Berg. Bei einem solchen Mitteleinsatz wären auch andere soziale Effekte denkbar gewesen.

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Berlin: Neukölln in den Kollwitzplatz verwandeln? (Radiofeature)

Der Norden Neuköllns verändert sich rasant. Die Mieten steigen, Kneipen und Cafés eröffnen. Zahlungskräftigeres Publikum zieht her. Damit einher geht auch eine beginnende Verdrängung der bisherigen Bevölkerung. Gentrification, so nennt sich das stadtpolitische Phänomen, das ähnlich und zum Teil weiter fortgeschritten auch in anderen Berliner Bezirken wie Prenzlauer Berg, Friedrichshain und Kreuzberg beobachte werden kann. Maßnahmen des Berliner Senats wie die Quartiersmanagements und die Ausrufung von Sanierungsgebieten schieben diesen Prozess an und begleiten ihn.

Um auf diese Situation aufmerksam zu machen hat sich die Avanti-Sozial-AG Ende letzten Sommers in Neukölln umgeschaut und ein Radiofeature produziert, das über die aktuelle Situation aufklären und die wichtigen Akteure benennen will. Es wurden u.a. Interviews mit dem Quartiersmanagement Reuterkiez und dem Vorsitzenden von Haus und Grund Neukölln geführt. Wir wollen so noch einmal nachdrücklich auf die Entwicklung nicht nur in Nordneukölln, sondern in Gesamtberlin aufmerksam machen: denn überall innerhalb des S-Bahn-Rings steigen die Mieten.Radiofeature zum runterladen: Nordneukölln in den Kollwitzplatz verwandeln? (53 min.).

Begleitend zum Radiofeature gibt es ein kleines Booklet (pdf) mit vielen Informationen und einer stadtpolitischen Positionierung der AVANTI-GRuppe in Berlin.

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Buchvorstellung: „Intercity Istanbul–Berlin“

Jetzt ist es soweit: Der vom Dagyeli Verlag herausgegebene Stadtreader „Intercity Berlin Istanbul“ ist fertig!

Die Beiträge berichten von Kommerzialisierung des öffentlichen Raumes, Tourismus und Verkehr, Orten des Vergnügens und der Kulinaria, Architektur der Zwischennutzung und Stadtteilverdrängung, besetzten Häusern und Zivilgesellschaft. Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede lassen sich zwischen Berlin und Istanbul feststellen? Istanbuler und Berliner AutorInnen stellen ihre Stadt vor, in satirischen, grotesken und tragischen Momentaufnahmen, Huldigungen und Schmähungen. Sie beschreiben Szenegrößen, seltsame Heilige oder einfach nur das absurde Leben.

Ein kleiner Text von mir zu den Berliner Aufwertungsdynamiken ist  auch im Buch nachzulesen. Eine leicht veränderte Fassung des Beitrages gibt es auch hier: „Berlin: Die Karawane zieht weiter – Stationen einer Aufwertung„.

Alle, die bei der Präsentation des Buches dabei sein wollen, sei dieser Termin empfohlen:

Samstag 6. März 2010, 18-21 Uhr in der Galerie im Kurt Schumacher Haus, Müllerstraße 163, Berlin-Wedding

Im Ankündigungstext für die Buchpräsentation heisst es:

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Berlin: Hohe Mieten machen Kreuzberg pleite

Zwei statistische Berichte der letzten Tage werfen erneut ein Schlaglicht auf die zunehmende  Spaltung der Stadt und den wachsenden Verdrängungsdruck in der Innenstadt. Am Wochenende veröffentlichte die Berliner Morgenpost exklusiv die Ergebnisse einer kleinräumigen Kaufkrafterhebung durch die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK): „Soviel Geld haben die Berliner zur Verfügung„.

Am höchsten ist sie danach in Dahlem  sowie Frohnau und Hermsdorf. In den beiden reichsten Postleitzahlgebieten hat jheder Einwohner mehr als 25.000 Euro jähgrlich zur freien Verfügung. Am niedrigsten ist die Kaufkraft in Kreuzberg (…) Hier sind es nur etwas mehr als 13.000 Euro.

In der Berliner Zeitung wurden die Ergebnisse des aktuellen Wohnungsmarktberichtes der Investitionsbank Berlin (IBB) veröffentlich: „Grunewald ohne Wald„.

Friedrichshain-Kreuzberg ist auf dem besten Wege für Mieter genauso teuer zu werden wie Steglitz-Zehlendorf und Charlottenburg-Wilmersdorf mit den noblen Stadtteilen Dahlem, Grunewald und Wannsee. (…) Im Durchschnitt werden in Friedrichshain-Kreuzberg Wohnungen zu einem Preis von 6,42 Euro pro Quadratmeter angeboten. Damit liegt der Bezirk deutlich über dem Berliner Durchschnitt von 5,82 Euro

Zwei klassische Effekte der Gentrification werden mit diesen Zahlen deutlich: ein zunehmender Verdrängungsdruck für die bisherigen Bewohner/innen und die weitere Polarisierung der Bewohnerschaft in den Aufwertungsvierteln.

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