Berlin: Schöner Wohnen in Räumen der Benachteiligung

Eine Woche unterwegs in Österreich habe ich die RBB-Abendschau und ihre Reihe „Schöner Wohnen in Berlin“ verpasst. Täglich wurde ein „Aufsteiger-Kiez“ vorgestellt, der von den Redakteur/innen als kommendes Wohnquartier der jungen Kreativen ausgemacht wurde.

Prenzlauer Berg, Mitte, Kreuzberg und Friedrichshain sind bevorzugte Wohngegenden. Junge Kreative und Intellektuelle wollen hier leben. Aber es gibt kaum noch erschwinglichen Wohnraum und so entstehen dort neue In-Kieze, die bisher nicht als gute Wohnlage galten. In dieser Woche stellen wir Ihnen die „Aufsteiger-Kieze“ vor.

Die für die Reportagen ausgewählten Quartiere lesen sich wie ein Stadtplan von Gentrification-Verdachtsgebieten:

Merkwürdig nur, dass bis auf eine Ausnahme alle hier beworbenen „Aufsteiger-Kieze“ in oder direkt angrenzend an die erst kürzlich ausgerufenen Aktionsräume Plus liegen und als besonders benachteiligt gelten:

Die Ergebnisse des jährlichen „Monitoring Soziale Stadtentwicklung“ haben gezeigt, dass die Bewohnerinnen und Bewohner dieser Gebiete in ihren Lebens- und Arbeitsbedingungen im Vergleich zu anderen Gebieten Berlins benachteiligt sind. Hier gibt es überdurchschnittlich hohe Anteile an Arbeitslosen sowie Empfängerinnen und Empfänger staatlicher Unterstützungsleistungen; die Bildungs- und Gesundheitschancen für Kinder und Jugendliche sind vergleichsweise niedrig.

 

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Berlin: Umwandlungsverdrängung in Kreuzberg

Die Willibald-Alexis-Straße 34 am Chamissoplatz ist ein Paradebeispiel für die aktuellen Entwicklungen in Kreuzberg: für eine von den neuen Eigentümern geplante Umwandlung in Eigentumswohnungen sollen die die Mieter/innen des Hauses aus ihren Wohnungen verdrängt werden. Mit Kündigungsschreiben, Abfindungsangeboten und beginnenden Bauarbeiten agieren Eigentümer und Hausverwaltung auf verschiedenen Ebenen, um Druck auf die Bewohner/innen auszuüben. Soweit, so schlecht, so üblich.

Ungewöhnlich am Beispiel der Willibald-Alexis-Straße ist jedoch der Umstand, dass sich die Bewohner/innen nicht einfach verdrängen lassen wollen. Mit regelmäßigen Treffen, öffentlichen Veranstaltungen, einem Offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister und einer eigenen Webseite versuchen sie sich der drohenden Verdrängung zu erwehren und fordern öffentliche Unterstützung für ihren Plan ein, das Haus selbst zu übernehmen und zu bewirtschaften.

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Berlin: Wie konservativ ist der Protest gegen die Räumung der Liebig 14

Tip: Stadtpolitik zwischen Hundeartikel und Drogen-Reportage (tip 5/2011)

Berlins 14tägig erscheinenden Veranstaltungsblätter zitty und tip haben ein Gutes: ihren Erscheinungsrhythmus. ZehnTage nach der Räumung kräht eigentlich kein Hahn mehr nach der Liebigstraße – aber die tip hat zwischen einem Schwerpunkt über Hunde in der Stadt und einer Drogen-Reportage  noch mal das Thema der Liebigstraßen-Räumung aufgegriffen: Der Stadtsoziologe Andrej Holm über „Liebig 14“.
Die  Fragen bewegten sich so ziemlich im Mainstream der Debatte der letzten Woche:  Statt einer  wohnungs- und stadtpolitischer Einordnung ging es auch hier eher um die Legitimation der Räumung:  War die Liebig 14 überhaupt ein echtes Stück Subkultur oder haben die da nur gewohnt? Waren sich die Bewohner/innen zu fein nach Weißensee zu ziehen? Lassen sich mit eingeschlagenen Schaufensterscheiben Unterstützer/innen gewinnen.

Unter den Fragen auch ein echter Klassiker der Gentrification-Debatte:

tip: Wieviel Kiezkonservatismus steckt in der Gentrifizierungsdebatte? Frei nach dem Motto: Alles soll so bleiben, wie es war.

Aber natürlich will ich mich gar nicht über die Fragen beschweren, immerhin hatte ich die Gelegenheit, am Ende des Gespräches das Gespenst eines stadtpolitischen Protestes an die Wand zu malen.

Das ganze Interview gibt es gleich hier:

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Berlin: Gentrifier entdecken die Platte

"Das ist einfach trendy im Moment." (Bild: www.berlinbau.net)

"Das ist einfach trendy im Moment." (Bild: www.berlinbau.net)

Gründerzeitquartiere und sanierte Altbauten – der baulich und ästhetische Rahmen der Gentrification schien lange Zeit klar umrissen. Die steigende Preise und das knappe Wohnungsangebot in den Aufwertungsgebieten führen jedoch regelmäßig zu einer Expansion der Gentrification. Eine Expansion in benachbarte Quartiere, Dachgeschosse und Neubauanlagen und nun auch in die innerstädtischen Plattenbauten.
Ein Radiobeitrag bei DeutschlandRadioLuxus-Sanierung verändert Berliner Stadtbezirke“ (mp3, 4:02 min.) erklärt wie es dazu kommen konnte und zitiert eine Plattenbau-Neubewohnerin:

„Also ich bin absoluter Mitte-Mensch und suche immer Wohnungen in Mitte. Und jetzt geh ich mal vom Altbau in eine Platte und das ganz gezielt. Das ist einfach trendy im Moment.“

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Berlin: Broken Windows als Werbestrategie?

Berliner Medien berichteten, es sei in Reaktion auf die Räumung der Liebigstraße 14 in Freidrichshain-Kreuzberg, aber auch anderen Stadtteilen zu Protesten, Auseinandersetzungen und mutwilligen Zerstörungen gekommen (BZ: Chaoten auf Randale-Tour durch Mitte | Tagesspiegel: Autonome attackieren Boutiquen in Mitte)

Im Auguststraßenblog sind einige Bilder der Zerstörung dokumentiert. Doch die gesprungenen Schaufensterscheiben in Berlin Mitte lasssen sich kaum von den stadtaffinen Werbestrategien der Modebranche unterscheiden.

Finde den Unterschied:

Schuhladen, Alte Schönhauser Straße (via auguststrasse)

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Berlin: Die Liebig 14 und der kommende Aufstand

Französische Revolutionsfibel für den postpolitischen Aktionismus

Die FAZ ist immer wieder für Überraschungen gut. Vor ein paar Wochen überschlugen sich dort die positiven Buchbesprechungen des linksradikal-militanten Manifestes „Der kommende Aufstand„. Nahezu genüsslich wird die Zeitdiagnose des Textes wiedergegeben:

Doch heute, so die Autoren des „Kommenden Aufstands“, müssten alle Franzosen erkennen, dass der Staat nicht nur nicht alles, sondern recht eigentlich „gar nichts mehr“ zustande bringe.

Vielleicht hätte die FAZ diese Perspektive bei der Berichterstattung zur Räumung der Liebigstraße beibehalten sollen. Stattdessen wusste die FAZ schon am Vortag der Räumung, dass die Liebigstraße „Auf verlorenem Posten“ stehe:

Weil in Berlin ein Mietshaus geräumt werden soll, wird mit Krawallen der radikalen Szene gerechnet. Die steht mit ihrem Anliegen freilich ziemlich alleine da. Anders als in den achtziger Jahren, genießen die Hausbesetzer wenig Zuspruch.

Es kam dann doch anders: über Tausend Unterstützer/innen waren auf den Straßen in Friedrichshain unterwegs und in den Medien wurde erstaunlich kritisch über die Räumung berichtet.  Selbst die Tagesthemen präsentierten simulierten mit einem Verweis auf „ganz normale Bürger“, einen Protest, der sich nicht auf einen kleinen Szenekreis beschränkte.

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=hE5DgyspPyQ&sns=em]

Caren Miosga überraschte in der Anmoderation des Beitrages mit einer fast schon prosaischen Einordnung der Räumung:

„… in den letzten Jahren ist in vielen Straßen aus bunt bieder geworden. Wo früher auf alten Sofas Bier aus Flaschen getrunken wurde, steckt nun oft der lange Silberlöffel im Latte-Macchiato-Glas.“

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Berlin: Solidarität mit der Liebig14

Die geplante Räumung der Liebigstraße 14 beschäftigt nicht nur die Lokalpresse seit Tagen, sondern hat ein breites Echo der Kritik und Unterstützung hervorgerufen. Hier eine kleine und unvollständige Übersicht zu den vielfältigen Stellungnahmen, die weit über einen linksradikalen Unterstützerkreis hinausgehen:

 

Aktionsticker: Liebig14 verteidigen

Liveticker (taz): Räumung der Liebig14

twitter: #Liebig14

 

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Berlin: Die Häuser denen die drin wohnen

Privatrecht vor Grundrecht: Räumung der Liebigstraße 14

Morgen früh soll das ehemals besetzte Haus in der Liebigstraße 14 geräumt werden. Ein Gericht hatte die Kündigungsklagen des Eigentümers bestätigt. Die Berliner Polizei soll mit 1.000 Beamten den Gerichtsvollzieher bei der Vollstreckung des Urteils unterstützen. Freude der Hausbewohner/innen und viele Unterstützer/innen werden auf den Straßen sein und versuchen, die Räumung zu verhindern. Die von allen Seiten erwartete Eskalation scheint unvermeidbar. Doch Innensenator Körting, der eigentlich für die Ruhe und Ordnung in der Stadt verantwortlich sein sollte, verkündet stur:  „Der Rechtsstaat wird sich durch Linksterroristen nicht erpressen lassen“.

Das klingt konsequent. Die viel wichtigere Frage wäre jedoch, warum sich eine rot-rote Koalition auf Landesebene und ein grüner Bürgermeister im Bezirk entgegen aller wohnungspolitischen Versprechungen des Vorwahlkampfes von zwei Hauseigentümern auf der Nase herum tanzen lassen.

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Berlin: Was hat der Milchschaum mit der Verdrängung zu tun?

Latte Macchiato und Stadtentwicklung: Auf die richtige Mischung kommt es an!

Prenzlauer Berg gilt mittlerweile als Paradebeispiel für die Gentrification von Stadtvierteln. In zwanzig Jahren Stadterneuerung wurden nicht nur die Häuser umfassend modernisiert, sondern auch die Bewohnerschaft umgekrempelt und der Gewerbestruktur ein völlig neues Gesicht verpasst. Doch ein Stadtviertel lässt sich nicht nur über Baukörper und Bevölkerungsstatistiken beschreiben, sondern auch über Stimmungen, Images und die Alltagspraktiken der Menschen, die es sich tagtäglich aneignen und neu erschaffen. Die amerikanische Soziologin Sharon Zukin beschreibt in ihrem aktuellen Buch „Naked City. The Death and Life of Authentic Urban Places“ diese kulturellen Dimensionen des Städtischen als Authentizität des Ortes und beklagt die Veränderungen in vielen gentrifizierten und runderneuerten Stadtteilen als den Verlust der Seele der Stadt. Vielleicht eine Anregung, sich auch in Prenzlauer Berg auf die Suche nach der Seele des Stadtbezirks zu begeben.

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Berlin: Protest in Kreuzberg angezettelt

Auf einem dieser englischsprachigen Berlin-Blogs war kürzlich  zu lesen, dass die Gentrification in Kreuzberg nicht mehr zu verhindern und das alten Kreuzberger Lebensgefühls nur noch in den Neubauten am Kottbusser Tor (Neues Kreuzberger Zentrum) zu finden sei.

Gentrification is a strange Dilemma. You want to have cool and interesting art and events going on around your neighbourhood, but at the same time you know that these are the things making your neighbourhood more expensive and a lucrative investement. Even if the whole Kreuzberg area is gentrificated already, there seems to be a last place which held up the Kreuzberg spirit.

Typisch Kreuzberg ist aber seit vielen Jahren nicht nur der dort zelebrierte Hipness-Faktor, sondern eine ausgeprägte Tradition der Widerständigkeit. Ganz ohne hyperlokale Stadtteilzeitungen werden wesentliche Informationen hier noch per Mundpropaganda oder über Aushänge ausgetauscht…

Neulich am Lausitzer Platz:

Hohe kommunikative Dichte der Nachbarschaft in Berlin-Kreuzberg

Danke @MN!