Gentrification im Radio

Gleich zwei längere Radiobeiträge zum Lieblingsthema meines Blogs gab es in den letzten Tagen.

  • Bei Radio.Einheit durfte ich zwei Stunden mit Jochen Becker über die widersprüchliche Rolle von Kulturschaffenden in städtischen Aufwertungsprozessen und Perspektiven einer künstlerischen Intervention  diskutieren: „The Gentrification Show with Jochen Becker & Andrej Holm

Berlin: Aufwertung und Verdrängung in der Berliner Innenstadt

Das Berliner Straßen- und Obdachlosenmagazin strassenfeger beschäftigt sich im Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe mit „Schöner Wohnen“. Ich wurde angefragt,  einen kleinen Überblick zu den Aufwertungstendenzen in Berlin zu geben. In Berlin wird der strassenfeger u.a. in U-und S-Bahn verkauft.

Für alle anderen gibt es den Beitrag auch hier zu lesen:

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Rezensionen: Wir Bleiben Alle!

Die bisher einzige Buchvorstellung (Linke Buchtage) war gut besucht und meine Berliner Lieblingsbuchläden (Schwarze Risse) mussten schon nachbestellen – darüberhinaus jedoch halten sich die Rückmeldungen zum Wir-Bleiben-Alle-Büchlein in Grenzen.

Buchbesprechungen gabe es bisher nur wenige – die aber alle sehr freundlich:

  • Neues Deutschland („Überblick mit Tiefgang – Stadtsoziologe erklärt Gentrifizierung„)
  • Was eigentlich unter Gentrifizierung zu verstehen ist, versucht in einem 80-seitigen Büchlein Andrej Holm allgemeinverständlich und doch zugleich auf der Höhe der internationalen wissenschaftlichen Diskussion zu klären

  • Jungen Welt („Die schmutzige Seite der Stadtplanung„)
  • Kaum eine Auseinandersetzung um steigende Mieten und Verdrängung von ärmeren Bevölkerungsgruppen aus ihren Kiezen, ob im Bremer »Viertel«, in der Schanze in Hamburg oder Berlin-Prenzlauer Berg kommt mehr ohne das Reizwort »Gentrifizierung« aus. Was darunter zu verstehen ist, hat der Sozialwissenschaftler nun in einem schmalen Bändchen zusammengefaßt.

  • HappyBuddah1975-Blog („Lesetip: Wir bleiben Alle !„)
  • Auf den ersten Blick klingt das ganze doch ganz gut. Stadtteile werden aufgewertet, die Lebensqualität steigt, leere Baulücken werden durch neue Wohnhäuser oder moderne Bürogebäude ersetzt. Das ganze hat aber auch eine Negative Seite, über die selten berichtet wird. Bis jetzt. Wer sich aber das ganze Bild über Gentrifizierung machen möchte, muss das aktuelle Buch von Andrej Holm lesen.

    Spannende Kritiken gabe es natürlich auch: Weiterlesen

    München: Latte-Macchiato-Gemeinschaft im Glockenbachviertel

    In der Süddeutschen hat Jonathan Fischer einen ausführlichen Artikel über die Entwicklungen im Münchener Glockenbachviertel geschrieben: „Mir gärtnerplatzt der Kragen!„. Der Text beschäftigt sich u.a. mit den Folgen der zunehmenden Homogenisierung im Viertel. Ob die dort entstehenden Latte-Macchiato-Gemeinschaften die soziale Mischung wirklich vermissen, kann der Beitrag nicht klären.

    Fischer beschreibt die Veränderungen am Beispiel der Läden und Kneipen im Viertel.

    Im Münchner Glockenbachviertel, einer der renditeträchtigsten Immobilienlagen in der Stadt mit den höchsten Immobilienrenditen ganz Europas, eröffnen im Wochentakt neue Läden. Von den Schicksalen der Vormieter erfährt man selten viel. Nur als sich 2008 der Wirt des ‚Salzburger Grill‘ erhängte, erinnerten ein paar Nächte lang Blumensträuße und Kerzen an einen, der für das Viertel überflüssig geworden war, einen Gentrifizierungsverlierer. Dem Wirt wurde gekündigt, weil er die Renovierungsauflagen der Verpächter nicht erfüllen konnte.

    Der Wandel vom „Schwulen-, Arbeiter- und Studenten-Viertel“ in eine Nachbarschaft der „wohlsituierte Kreative und Kleinfamilien“ gehe mit einer schleichenden Verdrängung einher:

    Still verlassen Unterschicht, Handwerker und Kleingewerbe die Gegend. Die Übriggebliebenen sitzen in den verbliebenen Pilsstuben, während die umliegenden Wohnblöcke von Spekulanten entmietet, mit Fußbodenheizungen und Marmorbädern ausgestattet, gestückelt und als Anlageobjekt von Kunden in Madrid oder Moskau gekauft werden.

    Der Austausch von Gewerbe und Bevölkerung wird nicht nur als unmittelbare physische Verdrängung beschrieben, sondern vor allem als die Entstehung von Parallelwelten innerhalb des selben Viertels. Fischer stellt uns für die Seite der Gentrification-Gewinner eine Ladenbesitzer vor, der früher die Schließung der Tante-Emma-Läden bedauerte und nun vom neuen Publikum profitiert.

    Nun bevölkern Jungmütter, Nachtclub-Betreiber und Freiberufler mit Laptop seine Bar. Welcher neue Laden wo aufmacht gehört hier zum Tagesgespräch.

    Auf der anderen Seite:

    Die Gentrifizierungs-Verlierer haben andere Sorgen: Sie kämpfen nicht nur gegen steigende Mieten und Wohnungsnot, sondern um ihre mit dem Viertel eng verwobene Identität. Es gibt sie nämlich immer noch, die Handwerker in Blaumann oder Schürze. Die Alteingesessenen, die in der Turnhalle an der Auenstraße (…) boxen.

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    Wir Bleiben Alle! (Literaturliste)

    Das kürzlich beim Unrast-Verlag erschienene Buch „Gentrifizierung – Städtische Konflikte um Aufwertung und Verdrängung“ ist ja bewusst in einem nicht-akademischen Ton gehalten und ich habe weitgehend auf bibliographische Verweise im Text verzichtet.

    Um nicht den Eindruck zu erwecken, alles im Buch sei auf meinem eigenen Mist gewachsen, habe ich immer mal wieder auf die „wissenschaftlichen Debatten“ oder „vorliegende Forschungsarbeiten“ verwiesen. Für alle die tiefer ins Thema einsteigen wollen, gibt es jetzt hier eine ausführliche und alpghabetisch geordnete Literaturliste zum Thema Gentrification. Aufgenommen wurden darin sowohl die mir bekannten Standardtexte als auch etliche Studien zu Gentificationprozessen. Der Großteil der Literatur beschränkt sich auf den deutschsprachigen Raum und die anglo-amerikanischen Debatten.

    Ich würde mich sehr freuen, wenn über die Kommentarfunktion eine kollaborative Erweiterung der Literaturliste entstehen würde. Insbesondere Studien zu Gentrification-Prozessen in einzelnen Städten würden mich sehr interessieren.

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    Gentrification vs. §129(a): Stadtsoziologe und Aktivist (taz)

    Rund um die Einstellung der bundesanwaltschaftlichen §129(a)-Ermittlungen gegen mich haben viele Redaktionen nochmal über das Verfahren berichtet (Übersicht bei annalist). In der taz hat Uwe Rada ein kleines rühriges Porträt geschrieben… (siehe unten)

    Eigenlob stinkt ja bekanntlich, aber weil es den Artikel bei der taz nicht online gibt, hier trotzdem zum Nachlesen. Uwe Rada hat als einer der wenigen die Berichterstattung über das Verfahren kontinuierlich mit meinem stadtpolitischen Engagement verbunden. Dafür an dieser Stelle ein dickes Dankeschön an Uwe und natürlich auch an alle anderen, die mich in den letzten Jahren unterstützt haben…

    Auch in der Redaktion Zündfunk des Bayrischen Rundfunks gab es einen (nicht in allen juristischen Details korrekten) Beitrag zur Verfahrenseinstellung, der sich explizit auf die stadtpolitischen Dimensionen der Ermittlungen bezog: „Ein kleiner Sieg

    Zumindest im Fall von Andrej Holm hat dieser Spuk nun ein Ende – und Eure Alice freut sich darüber ganz offen. Für Andrej Holm ist dies sicherlich ein Sieg, wenngleich auch nur ein kleiner. Denn sein eigentlicher Kampf, der, den er intellektuell gegen die Wohnraumaufwertung führt, ist leider weniger erfolgreich. Gentrifizierung ist längst kein Aufreger mehr – das Thema langweilt vielmehr fast schon. Inzwischen ist es unter Intellektuellen eher schick geworden, sich über die zu mokieren, die gegen Gentrifizierung vorgehen, wie etwa die not-in-our-name-Initiative mehrerer Hamburger Künstler und Musiker. Wohnraumaufwertung wird nun eher als Naturereignis betrachtet, wenngleich eines mit unschönen Folgen. Um gegen diese Tendenz anzugehen, bräuchte es wohl mehr als einen Andrej Holm.

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    Dämonisierung des Anti-Gentrification-Protestes

    In der Süddeutsche Zeitung erschien mal wieder ein längerer Beitrag zur Gentirifzierung unserer Städte. Jan Füchtjohann durfte unter dem Titel „Das Gespenst der Gentrifizierung“ seine ganz  eigene Sicht auf die Anti-Gentrification-Proteste der letzten Monate zum Besten geben.

    Aufhänger seines Artikels sind die Aktivitäten von Not in Our Name in Hamburg und die Proteste gegen das MediaSpree-Investoren-Projekt in Berlin. Beide Kampagnen hätten dazu geführt, dass die Aufwertung von Stadtteilen überall diskutiert wird.

    Zwanzig Jahre nach dem Mauerfall sei auch die letzte Altbauwohnung der Stadt saniert – jetzt kämen nicht mehr nur Studenten, Musiker und Künstler, sondern auch ein ’saturierteres BWLer-Milieu‘, es stiegen die Mieten und die berühmte, einzigartige Clubkultur Berlins sei ‚auf dem absteigenden Ast‘.

    So weit, so bekannt. Eine vulgäre Stadtsoziologie wie diese ist mittlerweile zum Verlegenheits-Diskurs unter vielen 25- bis 45-Jährigen geworden – wenn es nichts mehr zu sagen gibt, redet man eben über Berlin.

    Noch mehr als diese Verlegenheits-Diskurse haben es dem promovierten Unternehmensberater Füchtjohann aber die Stellungnahmen von Künstler/innen angetan, die sich gegen eine Vereinnahmung in unternehmerische Stadtentwicklungskonzepte positionierten. In Hamburg hätten…

    die Mächte des deutschen Indie-Pop zur Hetzjagd auf die Gentrifizierung geblasen haben. (…) ‚Wir‘, so hieß es in einem im vergangenen Jahr von Hamburg aus in die Welt geschleuderten Manifest, ‚die Musik-, DJ-, Kunst-, Theater- und Film-Leute, die kleine-geile-Läden-Betreiber und ein-anderes-Lebensgefühl-Bringer‘ möchten nicht länger dazu benutzt werden, tote Stadtteile wiederzubeleben und Investoren und kaufkräftigere Bewohner anzulocken.

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    Berlin: Gentrification als Standortfaktor

    Neil Smith bezeichnete Gentrification als „dirty word“ (Schimpfwort), weil „die Sprache der Gentrification uns die Wahrheit über die mit der ‚Regeneration‘ der Stadt verbundenen Klassenverschiebungen benennt, ist es zu einem dirty word für Immobilienentwickler, Politiker und Finanzakteure geworden” (Neil Smith 2002)

    Jetzt beziehen sich ausgerechnet Immobilienmakler positiv auf den Gentrificationbegriff. Auf dem Immobilienportal wokaberlin.de wird „kostbaren Wohnraum“ in Friedrichshain offensiv mit der Gentrificationtendenz geworben:

    Das angebotene Projekt befindet sich in einer der beliebtesten Wohngegenden, dem östlichen Friedrichshain. Hier herrscht ein kontinuierlicher Aufschwung. In den letzten Jahren hat die sogenannte „Gentrification“ Einzug gehalten. Das bedeutet die Veredelung des Wohnumfeldes durch die Veränderung der Bevölkerung und die Restaurierungstätigkeit – und führt steigende Immobilienpreise mit sich. Der Stadtteil verzeichnet eine rege Zuwanderung vor allem von  Neu-Berlinern. (Fehler im Original)

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    Rezension: Überblick mit Tiefgang

    Christoph Villinger hat für die Tageszeitung Neues Deutschland eine kleine Besprechung meines beim Unrast-Verlag erschienenen Buches „Wir Bleiben Alle“ geschrieben:

    Überblick mit Tiefgang – Stadtsoziologe erklärt Gentrifizierung

    Sei es das Münchner Glockenbachviertel, St. Pauli in Hamburg oder Kreuzberg in Berlin. In den Auseinandersetzungen um steigende Mieten und Verdrängung der ärmeren Bevölkerungsschichten aus den Innenstädten hat in den letzten Jahren ein Wort Karriere gemacht: Gentrifizierung.
    Was eigentlich unter Gentrifizierung zu verstehen ist, versucht in einem 80-seitigen Büchlein Andrej Holm allgemeinverständlich und doch zugleich auf der Höhe der internationalen wissenschaftlichen Diskussion zu klären…

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    Interview: Fünf Minuten Gentrification

    Die Initiative Freiräume für Bewegung in Düsseldorf hat für ihre Webseite eine Reihe von kurzen Interviews zu verschiedenen Problemen der Stadtentwicklung aufgenommen und ins Netz gestellt. Ich hatte die Gelegenheit, den Stoff für lange Bücher und mehrere Vorträge in fünf Minuten kurz darzustellen.  Fragen die angesprochen werden: Was ist Gentrification? Was ist das Problem? Was können wir dagegen tun? Sind wir als  Pioniere Schuld an der Aufwertung?

    Der inhaltliche Reduktion der Antworten korrespondiert mit einem filmische Minimalismus und wirkt wie eine Homage an die Kindertage des Video-Aktivismus.   Nicht besonders schön das Ganze, aber als Einstieg in die Thematik vielleicht ganz informativ. Aber seht selbst…

    [youtube=http://www.youtube.com/watch?v=gCHtZnDt7s4]

    Allen, die es gern ausführlicher wissen wollen, sei hier noch mal das Buch zum Thema empfohlen: Wir Bleiben Alle! Gentrifzierung – Städtische Konflikte um Aufwertung und Verdrängung, Münster: Unrast Verlag, 2010

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