Potsdam: Ausgrenzung und Banalisierung

Ein deutliches Beispiel für eine verfehlte Stadtentwicklungspolitik bietet die Landeshauptstadt Potsdam. Als eine der wenigen boomenden und wirtschaftlich erfolgreichen Städte in Ostdeutschland zeigt Potsdam die typischen Verwerfungen eines kapitalistischen Wohnungsmarktes relativ unverstellt.

Auf der einen Seite steigende Mieten und drohende Versorgungsdefizite für ärmere Haushalte – auf der anderen Seite unglückliche Reiche, die infolge der fortgesetzten Aufwertung einen Verlust an Vielfalt und Lebensqualität bemängeln. Ausgrenzung, Exklusion, Banalisierung und Kommerz –  in Potsdam sind es zwei Seiten ein und der selben Medaille.

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Gentrification ist Geschmackssache

Die Gentrificationforschung hat es nicht leicht. Lieb gewonnene Klischees von Aufwertungsprozessen müssen hinterfragt werden. Längst sind es nicht nur Singles, Yuppies und DINKS (Double Income No Kids), die einen Gentrificationsprozess tragen, sondern auch Familien und Alleinerziehende mit Kindern, die in den aufgewerteten Nachbarschaften bessere Chancen sehen, Kinder und Karriere unter einen Hut zu bringen. Hier müssen insbesondere die traditionellen statistischen Kriterien für ‚Pioniere‘ und ‚Gentrifier‘ einer Revision unterzogen werden.

Doch auch die Indikatoren für die kulturellen Wandlungsprozesse in den Nachbarschaften müssen ständig erneuert werden. Galt in den 1980er in den Studien von Jörg Blasius der Verzicht auf klassische Gardinen noch als sicheres Zeichen für den Pionierstatus der Bewohner/innen, wären vergleichbare Zuordnungen heute nur noch schwerlich zu treffen. Bezogen auf die nachbarschaftlichen Infra- und Gewerbestrukturen galten lange Zeit Sushi-Bars, Starbucks, vegetarische Restaurants oder Ökoläden als beliebte Indikatoren für die Aufwertung. Doch mit der Überführung ehemals distinktionsfähiger Konsumangebote in einen urbanen Mainstream ist die notwendige Trennschärfe der Indizes verloren gegangen.

Frage an alle: was könnte ein zeitgemäßer Ersatz für den Sushi/Starbucks/Öko-Index zur Verortung von Gentrificationprozesse sein?

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HH: Quartiersmanagement für mehr Aufwertung in St. Georg

In der Welt gibt es einen kleinen Beitrag zu den aktuellen Stadtentwicklungsdynamiken in St. Georg: Das Schmuddelviertel verändert sein Gesicht. Aus dem „einstmals schmierigen Bahnhofsviertel“ sei inzwischen ein „schicker Stadtteil an der Alster“ geworden und Mieten von 11 Euro den Quadratmeter keine Seltenheit. Auch die Gewerbemieten steigen:

Die Außengastronomie in der Langen Reihe hat die Messlatte hoch gelegt: Hier können Immobilienbesitzer inzwischen 50 Euro und mehr pro Quadratmeter Ladenfläche verlangen.

Traditionsgeschäfte hingegen mussten schließen. Kein Wunder also, dass die Meinungen zu den Veränderungen geteilt ausfallen:

Die jetzt in Angriff genommene Aufhübschung des Hansaplatzes ist nur das aktuellste Beispiel für eine Veränderung, die viele Bewohner begrüßen, viele aber auch als Verdrängung von Alteingesessenen kritisieren.

Einige Stimmen aus St. Georg kommen in der Welt zu Wort: Weiterlesen

Hamburg: Gewerbewechselprävention

Aufwertungsprozesse sind fast immer mit der Veränderung der Gewerbestruktur verbunden. Als sichtbare Anzeichen des Nachbarschaftswandels sind die neuen Clubs, Restaurants und Läden oft auch Gegenstand von Protestmobilisierungen. Sich dieses Zusammenhangs offensichtlich bewusst, hat ein Hamburger Eigentümer nun zu einer ungewöhnlichen Maßnahme gegriffen und bereits vor der Neueröffnung eines Adidas-Franchise-Geschäfts an die Rücksicht im Schanzenviertel appelliert.

Gefunden bei Sternstunden des Kapitalismus:

Graz: Viel Wirbel um die Aufwertung

Im Grazer Lendviertel, oder besser gesagt in den wenigen Straßenzügen zwischen Kunsthaus am Südtiroler Platz und dem Lendplatz, fand am Wochenende zum zweiten Mal das sogenannte Lendwirbel statt. Dieses von Akteuren der überwiegend in den letzten Jahren zugezogenen Kreativszene organisierte Fest wird in der lokalen Presse und auch in der Selbtvermarktung der Initiator/innen als Aufbruch zu einer kreativen Stadtentwicklung gefeiert.

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Wilhelmsburg: Landgang der Aufwertung

Anfang Februar mobilisierte das Aktionsnetzwerk gegen Gentrification in Hamburg zu einer Stadtteilversammlung in St. Pauli, um die geplante Verlegung von drei kommerziellen Beachclubs in den Stadtteil zu verhindern (siehe hier). Etwa 180 Teilnehmer/innen kamen zur Stadtteilversammlung und beschlossen eine Resolution gegen die geplante Kommerzialisierung des Elbufers.

Ob die Protstdrohung oder büroratische Schwierigkeiten zum Scheitern der Pläne führten, lässt sich nicht eindeutig sagen – Fakt ist, es wird keine Beachclubs in St. Pauli geben. So weit so schön, doch leider keine Entwarnung, was das gefürchtete Aufwertungspotential der Beachclubs betrifft. Denn kaum ist der gastronomische Landgang der Aufwertung an St Pauli vorübergegeangen, werden die ersten Stimmen laut, die eine Ansiedlung der Beachclubs in Wilhelmsburg fordern. Die Hamburger Morgenpost fragte in ihrer Ausgabe vom 17.02. „Beachclubs nach Wilhelmsburg?

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Hamburg: Hafenstraße gegen Ruhestörung

Ein auf den ersten Blick skuriler Konflikt bahnt sich in Hamburg an. Die ehemaligen Hausbesetzer/innen der Hafenstraße organisieren sich gemeinsam mit anderen Initiativen und Stadtteilaktivist/innen aus St.Pauli zur Zeit gegen die Senatspläne, drei neue Beach-Clubs zwischen dem schon vorhandenen Klub Strand Pauli und dem Fischmarkt auf der Vordeichlinie anzusiedeln (das ist genau gegenüber von den ehemals besetzten Häusern). Ein Argument gegen die die Ausbreitung der Vergnügungsindustrie:  „Die ganztägige Musik-Beschallung bis nach Mitternacht sei nicht genehmigungsfähig und unzumutbar„.

Doch der Initiative gegen die Strandbars geht es um mehr als die ordnungsgemäße Nachtruhe. Zum einen wird die Privatisierung der bisher frei zugänglichen Ufergrundstücken und der Ausbau der Videoüberwachung in diesem Bereich befürchtet, zum anderen sieht das Aktionsnetzwerk gegen Gentrification (Es regent Kaviar) in den Strandbars einen Testballon für die eventgastronomische Zurichtung des gesamten Stadtteils:

Was unter Markennamen wie Lago Bay, HCBC oder Hamburg del mar daher kommt, gilt in der Stadtentwicklungs-Szene als Mittel, um Räume EVENTGASTRONOMISCH für größere Immobilienprojekte interessant zu machen. Und tatsächlich entstehen an sämtlichen Beachclub-Standorten Hamburgs heute INVESTOREN-ARCHITEKTUREN – vor der Haifischbar an der Elbe, in den Docklands, in der Schanze, in der Hafencity.

Nach mehreren Treffen lädt die Initiative nun zu einer Stadtteilversammlung ein:

Stadtteilversammlung am 7.2., 16 Uhr, Aula der Ganztagsschule St. Pauli

Mehr zu den Hintergründen der aktuellen Entwicklungen in St. Pauli gibt es im aktuellen ak – analyse & kritik, die Zeitung für linke Debatte und Praxis und auf indymedia zu lesen. Linda Fischer und Steffen Jörg beschreiben wie St. Pauli auf Kosten der Geringverdienenden umstrukturiert wird. auf indymedia gibt es einen ausführlichen Bericht über die bisherigen Aktivitäten gegen die Privatisierung des Uferstreifens.

Madrid: Geld und Polizei für die Aufwertung

Für alle, die bisher glaubten, die Frage nach dem „Wer macht eigentlich die Aufwertung?“ sei ein verschwörungstheoretisches Ablenkmanöver von den ‚eigentlichen‘ Ursachen, den belehrt ein Beispiel in Madrid eines Besseren. Ein Radiobeitrag berichtete kürzlich über eine bisher in Europa beispielslose Aufwertungsallianz von privaten Geschäftsleuten und der Stadtverwaltung.
Julia Macher beschreibt in ihrem Beitrag „Boutiquen statt Bordells“ den Aufwertungsprozess im Barrio Maravillas, einem von Sexarbeierinnen geprägten Viertel in Madrid. In Anlehnung an den New Yorker Modedistrikt TriBeCa oder Londons SoHo haben der Sanierungsunternehmer Eduardo Moreno und ein paar befreundete Geschäftsleute einen Großteil der Gewerberäume aufgekauft um das Viertel künftig unter dem Namen TriBall (Dreieck um die Straße Ballesta) als hippes Modequartier zu vermarkten. Die Prostituierten und die von ihnen genutzten Bordelle stehen dieser Aufwertungsstrategie entgegen und wurden mehrheitlich verdrängt: innerhalb weniger Jahre veringerte sich die Zahl der Bordelle und Sex-Shops: „Zwei Sexshops und einen Nachtklub gibt es noch, vor einem Jahr waren es mehr als ein Dutzend.“ Im Radiofeature beschreibt Eduardo Moreno das Vorgehen bei der Besetzung des Viertels als „drei Schritte zu Erfolg„: Weiterlesen

Kreuzberger Mischung?

Das Berliner Programmmagazin Zitty hat in der aktuellen Ausgabe den „Kampf um Kreuzberg“ ausgerufen und auch gleich wieder für beendet erklärt. Auch wenn der Beitrag viele Informationen über die Mietentwicklungen bietet, den zentralen Konflikt sieht Autor Martin Hildebrandt in der Auseinandersetzung um eine Handvoll mehr oder minder hipper Läden in Kreuzberg: „Auf der einen Seite linke Revolutionäre, die alles verdammen, was mit Kapitalismus zu tun hat. (…) Auf der anderen Seite finanzstarke Investoren, die Kreuzberg entwickeln wollen, so nennen sie es. Und zwischen allen Stühlen sitzen die Zwischennutzer, die prekär Selbstständigen, die mit ihren kleinen Bars, Läden und Agenturen den Spagat wagen und an einen dritten Weg glauben.“ Und wenig verwunderlich will die ZItty möglichst alle Stühle bedienen und wärmt das etwas altbackene Bild der „Kreuzberger Mischung“ auf:

Was wird aus dem Kampf um Kreuzberg? Kreuzberg wird kein Christiania für Großstadthippies, aber auch kein Soho für Kunstmillionäre. Es wird weiterhin ein Ort für gegensätzliche Lebensentwürfe bleiben, egal welche Pläne und Träume Einzelne verwirklicht sehen wollen. Das liegt vor allem an seinen Bewohnern, die sich stärker mit ihrem Bezirk verbunden fühlen als alle anderen Berliner. Trotz des Wandels, im Kern ist Kreuzberg immer gleich geblieben. Solange es linke Utopisten gibt, die gegen das Kapital ankämpfen, und Unternehmen, die trotzdem noch in Kreuzberg investieren, braucht man sich keine Sorgen zu machen. Die Kreuzberger Mischung überlebt.

Schön, dass es doch noch ein paar Leute gibt, die sich Sorgen machen und gegen die unverkennbaren Aufwertungstendenzen mobilisieren. Einen ausführlichen und lesenswerten Beitrag gibt es auf Indymedia zu lesen: Steigende Mieten und Widerstand. Weiterlesen

Kneipensterben und neue Gastronomien

Auf Spiegel Online gibt es einen hübschen Artikel zur Veränderung der gastronomischen Infrastruktur in Prenzlauer Berg zu lesen: „Berliner Kneipen-Sterben: Sushi statt Schnaps, Brunch statt Bulette„. Aus der Perspektive eines langjährigen Eckkneipenwirts werden die neuen Bars und Restaurants betrachtet und das langsame Fernbleiben der Stammkundschaft beschrieben.

Voigt ist der Wirt des „Willy Bresch“ gegenüber – einer Berliner Eckkneipen-Institution seit über 40 Jahren. Sein Großvater gab der Gaststätte den Namen, später übernahm sein Vater, seit sieben Jahren führt Voigt Junior den Laden. Und von Tag zu Tag wird ihm klarer, dass er der Vertreter einer aussterbenden Spezies im Szene-Bezirk Prenzlauer Berg ist. Gefragt nach weiteren original Berliner Kneipen wie seiner winkt Voigt nur ab. „Die alten Kneipen im Kiez sind alle weg, auf der ganzen Schönhauser Allee gibt es keine einzige mehr.“

Mit der Verdrängung der früheren Bewohnere/innen verschwinden auch deren Traditionen, so das Fazit des Artikels.

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