Neue Soziale Mischung in Prenzlauer Berg?

Heute Abend war im Deutschlandfunk das Feature von Anselm Weidner zu hören:Brunnenviertel/Marthashof.Der „soziale Äquator“ als neue Grenze. Am Beispiel des früheren Mauerstreifens an der Bernauer Straße werden die neuen sozialen Spaltungslinien von Berlin eindrücklich beschrieben:

Im Brunnenviertel auf der früheren Westseite im Wedding geht die Angst um, ob das Geld für eine warme Mahlzeit am Tag reicht, ob die Miete im nächsten Monat bezahlt werden kann oder Vattenfall morgen den Strom abstellt. Die Menschen auf der anderen Seite der Bernauer Straße treibt die Sorge um, wie in den Pent Houses und Town Villas des „Urban Village“ Marthashof ein „Wohnen ohne Kompromisse“ (so die Werbung) zu organisieren ist, ob mit einer Duschterasse aus Naturkieseln oder aus fugenlosem Feinsteinzeug in Erdtönen.

Zu hören ist das Feature hier.

Inhaltlich wird das Thema der Aufwertung im Feature nicht von den quartierlichen Verdrängungseffekten aufgerollt, im Zentrum steht vielmehr eine gesamtstädtische Perspektive der sozialräumlichen Neuordnungen in der Stadt. Während die politischen Zielstellungen der Berliner Stadtpolitik ungebrochen am Leitbild der Sozialen Stadt und einer sozialen Mischung festhalten, verdeutlicht das Feature einen Ausschnitt der längt etablierten Spaltungslinien. Ludwig Stoffel, Geschäftsführer von Stoffanel, dem Projektträger des Luxuswohnprokjektes Marthashof in Berlin Prenzlauer Berg kommt zu Wort und darf erklären wie die neue Mischung von Prenzlauer Berg aussehen wird:

Top-value heißt Werte, wir wollen Werte schaffen, und wir sagen, meine Frau hat’s vorhin gesagt, intelligenten Luxus. Wir wollen in unseren Projekten eine Mischung haben von middle-class,upper-middle-class, von Menschen die einfach eine Atmosphäre, ein Gefühl suchen. Die Lebensqualität, das ist Wert, das ist top-value.

Belagerungszustände und Landnahme

Jörg Schleicher von der AnliegerIinitiativeMarthashof (AIM) hat ja in seinem Kommentar unter den letzten Blogeintrag bereits auf den Prenzlauer Berg Artikel in der New York Times hingewiesen: In Berlin, a Gentrifying Neighborhood Under Siege. Der Blick von ‚außen‘ erscheint dabei klarer als die oftmals verworrenen Diskussionen hierzulande. In dem Beitrag heisst es als Erklärung für die Gentrificationannahme u.a.:

Prenzlauer Berg has gone from being one of the cheapest neighborhoods in Berlin to one of the most expensive, with rents increasing tenfold.

Passend zum Thema und eher Landnahme als Belagerung will ich kurz auf einen Beitrag im Auguststraßenblog (wie immer mit vielen und tollen Bildern!) aufgreifen.  Im Zusammenhang mit der Schließung der Buchhandlung Starick am Rosenthaler Platz wird dort auf den Neubau von immer neuen Hotel- und Hostelanlagen in Berlin Mitte verwiesen. Dieser Boom an Tourismusindustrie, so liest sich die Vermutung,  stehe in einem linearem Verhältnis zu den steigenden  Mieten in den Wohnungen der umliegenden Nachbarschaften.  Längst ist von einer Touristifizierung die Rede und Alexa Kaufhof formuliert in einem Kommentar durchaus zynisch:

Das ist doch ein wunderbares Beispiel dafür, wie der freie Markt alles regelt. Zwar steigen in solchen Gebieten die Wohnungsmieten, aber dafür werden die Hotelzimmer durch die Konkurrenz so billig, daß bald alle ins Hotel ziehen können.

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Kreuzberg bald wie Ostberlin?

Das Magazin Klartext des RBB hat gestern einen sehenswerten Beitrag zu den aktuellen Mietentwicklungen in Kreuzberg ausgestrahlt: „Hohe Mieten – Wird der Mittelstand aus der City vertrieben?“. Das ist zwar ein unglücklicher Titel, denn letztlich trifft die Verdrängung vor allem ökonomisch benachteiligte Haushalte – doch bemerkenswert ist der Grundtenor der Sendung: stiegende Mieten und Verdrängung drohen nun auch in den Nachbarschaften der Westberliner Innenstadtbezirke. Die Aunfwertungsprozesse in Mitte, Prenzlauer Berg und Friedrichshain werden dabei als Drohkulisse einer künftigen Kreuzberger Entwicklung gezeichnet. In der Anmoderation des Beitrags heisst es:

Wohnen im Herzen der Stadt. Das ist in Berlin durchaus bezahlbar. Noch. Denn die Mieten in der Innenstadt klettern seit geraumer Zeit steil nach oben. Viele können sich das nicht leisten und müssen gehen. In den östlichen Citybezirken ist diese Entwicklung besonders gravierend. Beispiel: Mitte, Prenzlauer Berg oder Friedrichshain. Da wurden komplette Bevölkerungsschichten einfach ausgetauscht. Immer häufiger erwischt es dabei auch Familien aus der Mittelschicht. Ein Trend, der nun auch die westliche Innenstadt erreicht hat.

Zur Erinnerung: noch vor wenigen Jahren galt es als stadtpolitischer Tabubruch im Zusammenhang mit der Stadterneuerung in Ostberlin von Gentrification zu sprechen. Auch die erst kürzlich erschienene Sozialstudie zur Aufhebung des Sanierungsgebietes Kollwitzplatz in Berlin Prenzlauer Berg spricht angesichts von gravierende Verdrängungsindizien in ihrem Zahlenmaterial lieber von einer „sozialen Konsolidierung“. Aus der Kreuzberger Perspektive jedoch erscheint der Prenzlauer Berg als eindeutige Aufwertungskulisse. Ein politischer Appell zum Abschluss des Beitrages warnt erneut vor Ostberliner Verhältnissen:

Wenn im Senat die Mehrheit aus SPD und Linken nicht die Initiative ergreift, wird auch in Kreuzberg das Wohnen zum Luxus werden – wie zuvor in Prenzlauer Berg, Mitte und Friedrichshain.

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Ein Schwabe macht noch keinen Sommer

Mit mehreren Monaten Verspätung haben pünktlich zu Weihnachten die Feuilletons einiger überregionalen Zeitungen das Thema des angeblichen „Schwabenhasses“ in Ostberlin aufgegriffen. Während es die bisher 8 Brandanschläge gegen Luxuswagen im Dezember in Friedrichshain-Kreuzberg (siehe Xhain.info) gerade einmal in den Polizeiticker schaffen und „Steine auf die Carloft-Baustelle“ nur auf den Lokalseiten der taz eine Kurzmeldung wert waren, werden zu monatealten Plakaten in Prenzlauer Berg gleich mehrere größere Artikel in überregionalen Zeitungen veröffentlicht. Verstehe einer die Sensationssucht der Medien… Hintergrund sind offensichtlich parodierende Plakatserien, in denen die Reisegewohnheiten zugereisten Neubewohner/innen von Prenzlauer Berg zu Weihnachten auf die Schippe genommen wurden. Bereits seit ein paar Jahren tauchten zu den Feiertagen solche und ähnliche Plakate auf: „Ostberlin wünscht dir eine gute Heimfahrt„.

Nachdem der Tagesspiegel („Klage auf Schwabenersatz„) vor einem Jahr die Plakatserie als „ein Scherz, über den nicht jeder Passant lachen kann“ bezeichnete, wurde im Sommer über Schwaben-raus!-Graffiti und Anti-Schwaben-Plakate berichtet. Das RBB-Magazin polylux versuchte mit einem Beitrag „Fuck Yuppies – Der Widerstand gegen die Gentrifizierung“ die Hintergründe der Anti-Schwaben-Stimmung auszuleuchten und auch verschiedenen Weblogs (Reifenwechsler | Stoppt Stuttgartisierung!) griffen das Thema auf.

Seit dem Sommer gab es wenig Neues zum Thema, bis nun die Süddeutsche („Schwaben raus!“) und die Frankfurter Rundschau den „Schwabenhass in der Hauptstadt“ erneut in die Schlagzeilen brachte. Auf der Erklärungssuche greifen beide Zeitungen auf die Meinung des Stadtsoziologen Hartmut Häußermann zurück. Nicht, ohne zu betonen, dass der selbst aus Waiblingen zugezogen sei… Weiterlesen

Kneipensterben und neue Gastronomien

Auf Spiegel Online gibt es einen hübschen Artikel zur Veränderung der gastronomischen Infrastruktur in Prenzlauer Berg zu lesen: „Berliner Kneipen-Sterben: Sushi statt Schnaps, Brunch statt Bulette„. Aus der Perspektive eines langjährigen Eckkneipenwirts werden die neuen Bars und Restaurants betrachtet und das langsame Fernbleiben der Stammkundschaft beschrieben.

Voigt ist der Wirt des „Willy Bresch“ gegenüber – einer Berliner Eckkneipen-Institution seit über 40 Jahren. Sein Großvater gab der Gaststätte den Namen, später übernahm sein Vater, seit sieben Jahren führt Voigt Junior den Laden. Und von Tag zu Tag wird ihm klarer, dass er der Vertreter einer aussterbenden Spezies im Szene-Bezirk Prenzlauer Berg ist. Gefragt nach weiteren original Berliner Kneipen wie seiner winkt Voigt nur ab. „Die alten Kneipen im Kiez sind alle weg, auf der ganzen Schönhauser Allee gibt es keine einzige mehr.“

Mit der Verdrängung der früheren Bewohnere/innen verschwinden auch deren Traditionen, so das Fazit des Artikels.

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Berliner Luxuswohnen: Richtfest mit Prominenz

Die Kastanienhöfe in Berlin Prenzlauer Berg werben mit einer „exklusive Wohnqualität in ruhiger, zentraler Lage“. In 8 Townhäusern und vier sogenannten Atelierhäusern sollen etwa 40 hochwertige Eigentumswohnungen entstehen. Der Preis für das exklusive Wohnen liegt bei etwa 3.000 Euro je Quadratmeter. Das Projekt Kastaniengärten steht damit in einer Reihe mit anderen Bauvorhaben für in sich geschlossenen Luxuswohnprojekte in den Innenstadtbezirken. Das Projekt wird von der Kastaniengaerten Grundstuecksentwicklungsgesellschaft mbH zusammen mit den Architekten becher+rottkamp in der Schwedter Straße 41-43 an der Bezirksgrenze zwischen Mitte und Prenzlauer Berg umgesetzt. Nach Eigenaussagen der Investoren sind bereits 60 Prozent der Wohnungen verkauft.

Um noch mehr Aufmerksamkeit bei potentiellen Erwerbern zu erzielen, wird für Freitag, den 31. Oktober 2008 zu einem pompösen Richtfest mit prominenten Gästen eingeladen. In einer Ankündigungen heißt es:

Einladung zum Richtfest in den Kastaniengärten

Am Freitag, dem 31. Oktober 2008, Start 15:00 Uhr

Auf einem ca. 3.000 Quadratmeter großen Gründstück in begehrter Lage in der Schwedter Straße 41-43 in 10435 Berlin Prenzlauer Berg entsteht das Neubau-Wohnprojekt “Kastaniengärten”, Stadthäuser, 23 hochwertige Eigentumswohnungen plus weitere 20 Maisonette-Wohnungen, Gärten und 49 Tiefgaragenstellplätze, zu erwerben über unsere Holtz Immobilien GmbH. Die Wohnungsgrößen liegen zwischen ca. 71 m² bis ca. 182 m². Preise der Wohnungen belaufen sich zwischen 200.000 Euro bis ca. 540.000 Euro. Der Rohbau ist fertig und gemeinsam mit dem Bauherrn laden wir Sie zum Richtfest auf der Baustelle ein. Der Regierende Bürgermeister von Berlin Klaus Wowereit hat seine Teilnahme angekündigt und wird ein Grußwort an die Bauschaffenden richten.
Die Teilnahme ist kostenlos. Wir bitten aber um Anmeldung, telefonisch oder per E-Mail: info@holtz-estate.net.

Die AnliegerInitiative Marthashof (AIM) hat die Gelegenheit genutzt um mit einem offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister darauf Aufmerksam zu machen, dass „dieses Projekt (wie auch die benachbarten rechts und links der „Kastaniengärten”) von einer Vielzahl von Bürgern keineswegs willkommen geheißen wird, und wir es somit als ausge­schlossen betrachten, dass Sie dessen Investoren in unserem, der Bürger und Nachbarn Namen willkommen heißen können.“

Der Offene Brief im Wortlaut:

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Berlin: Hoffnung Finanzkrise?

Annett Gröschner fragt in der aktuellen Ausgabe des Freitag, ob die Pleite auf der Baustelle gegenüber was mit der Finanzkrise zu tun haben könnte. Das wäre ja bei all den neugeplanten Bauprojekten mal ein positives Zeichen. Zumindest ist der Wurm drin:

Als nächstes ging der Bauherr des Grundstücks nebenan pleite. (…) Der Rohbau sieht nun schlimmer aus als die Ruine, die seit 1945 an derselben Stelle stand. Die war nämlich wenigstens noch aus Ziegeln und nicht aus Hohlblocksteinen. Es ist auch anzunehmen, dass hier nicht so schnell enttrümmert werden wird. Die Website des Bauträgers verspricht nach wie vor die Zusammenarbeit mit renommierten Banken. Wahrscheinlich hatten Fannie und Freddie ihre faulen Kredite im Spiel. Und uns bleiben bis auf weiteres zwölf neue nervige Neubötzowviertler nebst Anhang erspart. Die Kreditkrise hat eben mitunter auch etwas Gutes. Besser wäre allerdings gewesen, die Blase wäre schon beim Bau des Kellerfundaments geplatzt.

Definitiv zu spät kommt die Finanzkrise aber für die bereits fertiggestellten Luxuswohnanlagen in Prenzlauer Berg. Ulrike Steglich begab sich auf die Suche nach einem Wohnen ohne Kompromisse. Gefunden hat sie die von den vielen Reportagen genervten Bewohner/innen und eine erschreckende Monotonie in den Townhouses und Urban Villages:

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Berlin | Zürich: Gentrification light?

Gentrification ist ein „dirty word“ (Neil Smith). Auch aktuelle Beispiele zeigen, dass vor allem Stadtverwaltungen und die Immobilienwirtschaft in eine Rhetorik der Verharmlosung verfallen, wenn es darum geht, Verdrängungsprozesse zu beschreiben.

Beispiel Zürich: Die Neue Züricher Zeitung argumentiert im Artikel Übertriebene Angst vor «Yuppisierung» an der Langstrasse, dass die Verdrängung nicht so drastisch sei, wie wahrgenommen. Zwar habe es größere soziale Veränderungen gegeben, aber die könne nicht als Verdrängung beschrieben werden, schließlich seien die früheren Bewohner/innen aus anderen Gründen ausgezogen… (mehr)

Beispiel Berlin Prenzlauer Berg: Um den Erfolg der Berliner Stadterneuerungspolitik zu demonstrieren wählte die Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) ausgerechnet den Kollwitzplatz in Prenzlauere Berg aus. Nein, es ging ihr nicht um die magere soziale Bilanz von 15 Jahren Sanierung (mehr dazu hier im gentrificationblog) sondern um die Vorstellung des Campus der Grundschule am Kollwitzplatz als ‚gelungenes Beispiel für eine familiengerechte Stadterneuerung‘. Um solche Erfolge zu zelebrieren, wird das verpassten Sanierungsziel einer sozial verträglichen Modernisierung einfach ausgeblendet. Auch eine Variante, sich eine Realität zu schaffen. Im Neuen Deutschland ist die Jubelveranstaltung anschaulich beschrieben: Respekt vor Kindern am Kollwitzplatz.

Beispiel Berlin Neukölln: Eine kürzlich vorgestellte Studie zur boomenden Kreativwirtschaft hat gerade wieder Neukölln und sogar Teile von Wedding als künftige hot-spots der Aufwertung identifiziert. In der Berliner Morgenpost (Studie sagt Berlins Kreativwirtschaft starkes Wachstum voraus) heisst es:

Bereits durch diese erste Studie werde deutlich, welche Impulse von den Kreativen ausgingen und wie Kunst und Kultur Stadtteile, auch im sozialen Bereich, verändern könnten. Als Beispiel nannte sie „Szene-Quartiere“ wie Nord-Neukölln und Wedding.

Um nicht auf den Gedanken zu kommen, solche Impulse könnten irgendwas mit Aufwertung oder Verdrängung zu tun haben, gibt es den Plötz-Immoblienführer: In Neukölln muss man steigenden Miete nicht fürchten (Berliner Morgenpost). Na, dann wird ja alles gut…

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Kleinräumige Aufwertungen in Kreuzberg

In der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung Jungle World gibt es ein ausführliches Interview mit dem Stadtplaner Sigmar Gude von topos über die Ergebnisse der jüngsten Sozialstudien zu Kreuzberg: „Noch immer wird man als Krawattenträger in Kreuzberg 36 komisch angeschaut“.

Demnach weisen die Sozialstrukturen eine große Konstanz auf. „Es findet weder eine Verslumung statt, noch kommt es zu solch enormen Aufwertungs­tendenzen wie am Prenzlauer Berg.“ Dennoch wurden erhebliche Mietsteigerungen festgestellt:

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Berliner Aufwertungsserie

Die Wochenzeitung Jungle World startete vor einigen Wochen eine Artikelserie „über die Gentrification in der Hauptstadt“. Bisher erschienen sind lesenswerte Beiträge zu Aufwertungsprozessen, in Neukölln, Kreuzberg und Prenzlauer Berg.

Im Artikel Die Avantgarde der Sanierung kritisiert Jörg Sundermeier die Neuhinzugezogenen in Nordneukölln, die „im Namen der Arbeiter­familien, die vorher in ihren Wohnungen wohn­ten“ das Wohngebiet gegen die Gentrification verteidigen und auf jene schimpfen, die nachziehen.

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