Hamburg: Gängeviertel: Erfolgreicher Protest oder Rettung der Marke Hamburg?

Das seit dem Sommer von überwiegend Künstler/innen besetzte Gängeviertel hat in Hamburg und darüber hinaus eine lebhafte Debatte um die Folgen einer unternehmerischen Stadtpolitik ausgelöst. Im Rahmen einer Veranstaltungsreihe „In welcher Stadt wollen wir eigentlich leben“ werden Fragen der aktuellen Stadtpolitik in Hamburg diskutiert. Die Auftaktveranstaltung am 17.11.2009 stand unter dem Titel „Recht auf StadtGehört die Stadt nicht eigentlich uns alle?“.

Hier für alle, die es mögen, hier eine schriftliche Fassung meines kleinen Inputs zu Beginn der Diskussion:

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Berlin: Lassen sich mit Gentrification Wahlen gewinnen?

Mietenpolitik und Fragen der Stadtentwicklung sind offenbar tatsächlich auf der Agenda parteipolitischer Auseinandersetzungen angekommen. Gut so! Langezeit ein völliges Nischenthema, müssen in Berlin-Mitte die Direktkandidaten für den Bundestag nun Rede und Antwort stehen, ob und wie sie eine soziale Stadtentwicklung gewährleisten wollen. Im Rahmen von sogenannten Wahlkreisdebatten mussten sich die Parteienvertreter/innen den Fragen von Leser/innen der Berliner Morgenpost stellen.

In der Anmoderation des Videoberichtes heisst es gleich im ersten Satz:

„Gentrifizierung – heisst das Thema, dass die Direktkandidaten in Mitte beschäftigt. Hinter dem Begriff verbirgt sich ein Verdrängungsprozess: Zunächst waren bestimmte Stadtviertel wegen niedriger Mietpreise für Studenten und Künstler attraktiv.  Durch Luxussanierungen und Modernisierungen werden  Wohnungen und Gewerbeflächen auch für Besserverdienden interessant. Die Mieten steigen, viele der Alteingesessenen müssen wegziehen, weil sie die Miete nicht mehr aufbringen können…“

Die komplette Fassung der Diskussion gibt es nachzulesen: „Berlin vor der Wahl – Wofür die Kandidaten in Mitte stehen„. Die Rollen sind relativ klar verteilt, Klaus Lederer (Linke) und Wolfgang Wieland (Grüne) wollen Mietsteigerungen irgendwie beschränken, Christian Burholt (CDU) und Kurt Lehner (FDP) fänden es eher problematisch, in Marktprozesse einzugreifen und Eva Högl (SPD) laviert zwischen allen Positionen. Den Kandidat/innen ist im Gespräch deutlich anzumerken, dass sie nicht wirklich ‚vom Fach‘ sind, und eher versuchen mit Allgemeinplätzen auf die Fragen zu reagieren. Weiterlesen

Paris: Krise als Aufwertungsmotor

In der Frankfurter Rundschau von heute gibt es einen ausführlichen Beitrag zur Stadtentwicklung in der französischen Hauptstadt: Paris: Die geteilte Stadt. Werner Girgert stellt in seinem Artikel die zunehmenden Exklusionstendenzen in den Kontext der global city formation von Paris. Der wirtschaftliche Erfolg und erwirtschaftete Reichtum auf der einen Seite trieb den Pariser Immobilienmarkt zu immer neuen Höhen. Angesichts der Krise können sich selbst Besserverdienende die Wohnungen in der Innenstadt nicht mehr leisten und weichen auf die bisher preiswerten Wohnquartiere im Osten der Stadt aus. Paris bietet damit eine anschauliches Beispiel für die Funktionsweisen von Aufwertungsketten, bei denen die Verdrängten aus den hyper-gentrifizierten Zonen der Stadt zu den Gentrifieren in anderen Wohngebieten werden.

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Berlin: Alle gegen Alle?

Die Diskussion um die Berliner Stadtpolitik nimmt immer skurrilere Züge an. Die CDU und der rbb sprechen vom „Roten Terror“ (Video), Volker Ratzmann sieht „Kieztaliban“ am Werk und die jungle world macht es nicht unter den „Roten Khmer“. Aufhänger sind fast immer die Brandanschläge auf Autos, gemeint sind vielfach jedoch die notwendigen Diskussionen um die Miet- und Verdrängungsdynamiken in den Berliner Innenstadtbezirken (siehe Interview mit Aktivist/innen der „wir-bleiben-alle“-Kampagne)

Wurde vor ein paar Wochen noch über steigende Mieten, Verdrängungseffekte und Hartz-IV-freie Zonen geschrieben, hat sich zumindest die öffentliche Debatte deutlich in einen vorgeblichen Sicherheitsdikurs verlagert. Den Artikeln der letzten Woche folgend, bietet Berlin ein Bild zwischen Belfast und Beirut: umkämpfte Räume und unübersichtliche Akteurskulissen: Linke gegen Reiche, Alteingesessene gegen Jungfamilien, Ossis gegen Schwabe und die FDP gegen Hartz IV. Wenn das so weitergeht, wird Ulfkotte bald seinen nächsten Bestseller schreiben müssen…

Nun hat der Tagesspiegel auch noch einen Brand auf der Baustelle der Baugruppe „Börse“ in Prenzlauer Berg in den Kontext von Stadtteilprotesten gestellt („Wachschutz für Ökohaus“) und die Debatte um die Baugruppen neu entfacht. Die taz hat darin auch gleich einen neuen Konflikt entdeckt: Linke gegen Linke und schreibt über „Die verdrängte Debatte„:

Ruhender Pol und Stimme der Vernunft in all dem Chaos: die Diakonie! Die hält sich nicht mit Scheinkonflikten auf sondern fordert sinnvollerweise für Berlin flexible und ortsteilspezifische Richtwerte für Hartz-IV-Wohnungen: „Ich will so wohnen, wie ich will“

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Berlin: Vorschläge gegen Verdrängung

Auf einer Veranstaltung des AK Linke Metropolenpolitik wurde über die Zukunft der Ostberliner Sanierungsgebiete diskutiert. Trotz eines krankheitsbedingt sehr kleinen Podiums wurde es ein gelungener Abend, denn die etwa 50 Interessierten waren durchaus diskussionsfreudig und eine ganze Reihe Ideen für eine soziale Wohnungspolitik in Berlin wurden zusammengetragen. Langfristig gehe es um Strategien einer Rekommunalisierung, der Erarbeitung eines neuen Förderprogramms und eine Reform des Mietrechts, so der Tenor der Debatte. Der Grundsatz, das letzten Endes nur eine Dekommodifizierung (also die Durchsetzung marktferner Wohnungsversorgungssysteme) einen wirksamen Schutz vor Verdrängung bietet, wurde auch für die konkreten auf die Sanierungsgebiete bezogenen Forderungen verfolgt. Im Veranstaltungsbericht sind eine Reihe konkreter Vorschläge zusammengefasst: Weiterlesen

Berliner Immobilien-Verwertungs-Koalition

Ein kleines Ratespielchen: Lesen Sie die folgenden zwei Zitate und ordnen Sie die Autor/innen richtig zu. Welches Zitat würden Sie der sozialdemokratischen Senatorin für Stadtentwicklung Ingeborg Junge-Reyer und welches Zitat würden sie dem Vertreter des Bundes der Berliner Haus- und Grundbesitzervereine „Haus & Grund“ Dieter Blümmel zuordnen:

Zitat 1: „Warum sollten wir irgendwelche bunten Mischungen schützen? Es gibt eine gesamte Stadt, in der gibt es 1,4 Millionen Wohnungen. Davon stehen 100.000 leer und da soll sich jeder seine Wohnung suchen, in die er am liebsten hin ziehen will. Es hat niemand ein Anrecht darauf, an einer ganz bestimmten Stelle für sein ganzes Leben zu einer niedrigen Miete wohnen bleiben zu dürfen.“

Zitat 2: „Gute Lagen und entsprechende Ausstattung einer Wohnung haben ihren Preis. Keiner kann und niemand muss Wohnungssuchenden garantieren, eine sanierte Stuckaltbauwohnung in 1a-Wilmersdorf- oder Prenzlauer- Berg – Lage für unter 5 €/qm Kaltmiete zu finden. Aber der entspannte Berliner Wohnungsmarkt (…) sorgt dafür dass jeder eine bezahlbare Wohnung finden kann. Es gibt einen langfristigen, d.h. mehr als 6 Monate andauernden, hohen Leerstand von 108.000 Wohnungen, kurzfristig sind sogar ständig 150.000 Mietwohnungen auf dem Markt.“

Das Zitat 1 geht auf Dieter Blümmel (rbb-Sendung Klartext: „Hohe Mieten – Wird der Mittelstand aus der City vertrieben?“ vom 11.02.2009) zurück und Zitat 2 stammt von der Stadtentwicklungssenatorin – der Unterschied ist kaum zu bemerken. Diese eigentümliche argumentative Einheit kann als Ausdruck einer Berliner Immobilien-Verwertungs-Koalition gedeutet werden, denn auch in der politischen Praxis zeigt sich, dass die Berliner Politik spätestens seit der Jahrtausendwende die Stadtentwicklung weitgehend privaten Investoren überlässt. Berlin ist damit jedoch keine Ausnahme sondern steht nur exemplarisch für den Trend einer neoliberalen Stadtpolitik, wie er sich seit über 20 Jahren weltweit in vielen Metropolen durchgesetzt hat.

In kritischen sozialwissenschaftlichen Forschungsarbeiten der 1980er Jahre finden sich einige noch heute lesenswerte Erklärungsansätze: Weiterlesen