Berlin: Öffentlich finanzierte Verdrängung

Die Sanierungsgebiete in der Ostberliner Innenstadt stehen kurz vor der Aufhebung – in einige wurden die Sanierungssatzungen bereits aufgehoben. Mit einem ‚Durchführungsstand‘ der baulichen Erneuerungsarbeiten von etwa 70 Prozent  fällt die Bilanz der Senatsverwaltung positiv aus – die städtebaulichen Ziele seien damit erreicht worden. Die sozialen Ziele hingegen, die sich zu Beginn der Stadterneuerung an einem „Erhalt der Sozialstruktur“ in den Gebieten orientierten, wurden elementar verfehlt.

Am Beispiel der Sanierungsgebiete in Prenzlauer Berg muss eine ernüchternde Bilanz der Stadterneuerung gezogen werden. Abschließende Sozialstudien am Kollwitzplatz und in der Winsstraße zeigen: nur etwa 20 Prozent der früheren Bewohner/innen leben noch in den Gebieten, die Mieten liegen auf überdurchschnittlichen Niveau und die ehemals heterogenen Nachbarschaften wurden durch homogenen Mittelklassemilieus ersetzt.

In Diskussionen zu diesen Entwicklungen wird oft behauptet, solche Aufwertungen seien ’natürliche‘ Prozesse der Stadtentwicklung, die gar nicht zu vermeiden sind. Ein Blick auf die speziellen ökonomischen Rahmenbedingungen in den Sanierungsgebieten zeigt jedoch, dass die Aufwertungsprozesse wesentlich durch öffentliche Förderungen und Investitionsanreize ausgelöst und angetrieben wurden. Insgesamt flossen seit Anfang der 1990er Jahre mehr als 1 Mrd. Euro in die Sanierungsgebiete von Prenzlauer Berg. Bei einem solchen Mitteleinsatz wären auch andere soziale Effekte denkbar gewesen.

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Berlin: Hohe Mieten machen Kreuzberg pleite

Zwei statistische Berichte der letzten Tage werfen erneut ein Schlaglicht auf die zunehmende  Spaltung der Stadt und den wachsenden Verdrängungsdruck in der Innenstadt. Am Wochenende veröffentlichte die Berliner Morgenpost exklusiv die Ergebnisse einer kleinräumigen Kaufkrafterhebung durch die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK): „Soviel Geld haben die Berliner zur Verfügung„.

Am höchsten ist sie danach in Dahlem  sowie Frohnau und Hermsdorf. In den beiden reichsten Postleitzahlgebieten hat jheder Einwohner mehr als 25.000 Euro jähgrlich zur freien Verfügung. Am niedrigsten ist die Kaufkraft in Kreuzberg (…) Hier sind es nur etwas mehr als 13.000 Euro.

In der Berliner Zeitung wurden die Ergebnisse des aktuellen Wohnungsmarktberichtes der Investitionsbank Berlin (IBB) veröffentlich: „Grunewald ohne Wald„.

Friedrichshain-Kreuzberg ist auf dem besten Wege für Mieter genauso teuer zu werden wie Steglitz-Zehlendorf und Charlottenburg-Wilmersdorf mit den noblen Stadtteilen Dahlem, Grunewald und Wannsee. (…) Im Durchschnitt werden in Friedrichshain-Kreuzberg Wohnungen zu einem Preis von 6,42 Euro pro Quadratmeter angeboten. Damit liegt der Bezirk deutlich über dem Berliner Durchschnitt von 5,82 Euro

Zwei klassische Effekte der Gentrification werden mit diesen Zahlen deutlich: ein zunehmender Verdrängungsdruck für die bisherigen Bewohner/innen und die weitere Polarisierung der Bewohnerschaft in den Aufwertungsvierteln.

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Quartiersmanagement: Erfolgsmodell Ausgrenzung?

Im Berliner Tagesspiegel versucht sich Ralf Schönball an einem Vergleich der Stadtteilentwicklungen in zwei Berliner Innenstadtvierteln: „Bronx bleibt Bronx: Soldiner Kiez vs. Helmholtzplatz„. Sowohl der Soldiner Kiez im Wedding als auch der Helmholtzplatz in Prenzlauer Berg waren lange Zeit Quartiersmanagementgebiete – doch damit hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Der Soldiner Kiez gilt weiterhin als eines der Problemgebiete der Stadt und der Helmholtzplatz hat sich im Schatten der Kollwitzplatzentwicklungen zu einem veritablen Aufwertungsgebiet gemausert. Der Beitrag im Tagesspiegel zeigt, wie das Quartiersmanagement durch aktive Ausgrenzung die Aufwertungsdynamiken unterstützte.

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Berlin: Neue Eigentumswohnungen in Tempelhof

Im letzten Sommer, nach der Schließung des Flughafenbetriebes, befürchteten Stadtteilinitiativen und Bewohner/innen eine Aufwertung der umliegenden Wohnviertel. Hier gab es unter dem Titel „Landeanflug der Aufwertung“ eine ausführliche Einschätzung zu den Entwicklungsperspektiven rund um das Flughafengelände.

Bereits ein gutes Jahr nach den letzten Flugzeugstarts berichtet die Berliner Zeitung über die ersten sichtbaren Aufwertungseffekte: „Ein Kiez hebt ab„. Im Gebiet westlich des Flugfeldes (zwischen Dudenstraße, Tempelhofer Damm, General-Pape-Straße und S-Bahn-Ring) wurden allein im Jahr 2009 von der Wohnbauten- und Beiteiligungsgesellschaft WoBeGe 70 Wohnungen verkauft. Nach Aussagen von Ullrich Haaker (WoBeGe) stehe das Quartier vor allem bei Kreativen und Bildungsbürgern hoch im Kurs.

„Architekten, Juristen, Professoren oder Ingenieure interessieren sich verstärkt für das Quartier“, stellt Ullrich Haaker von der Wohnbauten- und Beteiligungsgesellschaft WoBeGe fest. Der Vertriebsleiter ist mit der Teilprivatisierung Neu-Tempelhofs beauftragt. 50 Prozent der Wohnungen seien bereits verkauft. „Allein 2009 waren 70 Wohnungen ratzfatz weg“.

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Wien: Dezentralisierung der Aufwertung

Im Wiener Journal gibt es einen spannenden Beitrag über den kleinen Boom von Trendquartieren in der österreichischen Hauptstadt: Griss um die Trendviertel.   „Griss“ bedeutet dabei so viel wie Andrang:

Der Traum von jungen Wienern in urbanen Bildern: Frühstücken vor der Haustür am Naschmarkt, gegen Sonnenuntergang Abendessen auf der eigenen Dachterrasse mit Blick über Wien. Keine Frage, in Wien gibt es mit Naschmarkt, Karmelitermarkt, Yppenplatz und Spittelberg gefragte Stadtviertel.

Die Beschreibung der Wiener Pionierzonen städtischer Aufwertung klingt wie solche Entwicklungen in hunderten internationalen Studien beschrieben werden:

Diese Pioniere setzen Kulturinitiativen, gründen Lokale oder übernehmen Geschäfte. Nach einiger Zeit werde dieser Stadtteil dann entdeckt, „wodurch die Immobilienpreise steigen und die ‚Pioniere‘ letztlich verdrängt werden“.

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Berlin: Keine Kittelschürzen mehr in Prenzlauer Berg

Gentrification und Verdrängung sind in aller Munde und die Ostberliner Aufwertungsquartiere in Prenzlauer Berg müssen immer wieder als Kronzeugen dieser Entwicklungen herhalten. Die Fakten sind dabei meist schnell zusammengetragen: steigende Mietpreise, weitgehender Austausch der Bevölkerung und kaum noch Arme und Alte in den Straßen… Doch wie sich solche Veränderungen anfühlen und sich in den Alltagsbeziehungen der Nachbarschaft niederschlagen, wird oft nur in oberflächlichen Schlagworten eines „Bionade-Biedermeier“ oder der „Schwaben in Prenzlauer Berg“  zusammengefasst.

Annett Gröschner, seit 1983 in Prenzlauer Berg wohnend, schaut genauer hin und schafft es immer wieder wie kaum eine andere, mit kleine Alltagsbeobachtungen die gravierenden Veränderungen auf den Punkt zu bringen. In der Zeitschrift Literaturen hat sie einen bissigen Kommentar zur Verwandlung ihres Stadtteils in einen „einheitlichen pastellfarbenen Brei von Langeweile“ geschrieben: „Leute, die ihre Hunde Stalin nannten„. Nur Zehlendorf sei noch langweiliger als der ehemalige Szenekiez in Ostberlin. Weiterlesen

Berlin: Verdrängungsalltag in Friedrichshain

Das von der Mieterberatung für die Sanierungsgebiete in Friedrichshain asum herausgegebene Magazin Friedrichshain-Magazin begleitet die Stadterneuerung in den dortigen AUfwertungsquartieren seit 15 Jahren mit einer mal mehr mal minder kritischen  Berichterstattung. Direkt beauftragt vom Bezirk war es die Aufgabe, die überwiegend privatfinanzierte Stadterneuerung so sozial und konfliktarm wie möglich über die Bühne zu bringen. Die permanente Verschlechterungen der Ausgangsbedingungen für eine soziale Stadterneuerung (Kürzung der Fördermittel, Urteil gegen die Mietobergrenze) wurde intern von den Berliner Mieterberatungsgesellschaften vielfach kritisiert – ein öffentlicher Protest gegen den öffentlichen Auftraggeber jedoch blieb bisher aus. Umso erfreulicher, dass in der aktuellen Ausgabe des Friedrichshain-Magazins sehr klare Worte zu den aktuellen Verdrängungstendenzen gefunden werden: Verdrängung – kein Kampfbegriff, sondern Alltag. In dem Artikel heisst es:

Preiswerte Wohnungen werden in den Berliner Innenstadtbezirken immer mehr zur Mangelware. Wer in Friedrichshain eine bezahlbare Wohnung sucht, weiß ein Lied davon zu singen. Auf ein wirksames Gegensteuern der Politik wartet man seit Jahren vergeblich. Der Senat hat sich aus der Wohnungspolitik weitgehend zurückgezogen, dem Bezirk fehlen die Mittel und zudem macht es die Rechtsprechung der Gerichte für die Verwaltung immer schwieriger, die sich munter drehende Mietpreisspirale zu bremsen. Die Auswirkungen sind nicht mehr zu übersehen. Mehrere Studien zeigen für Friedrichshain und Kreuzberg eine fortschreitende Verdrängung finanzschwacher Bewohner.

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Berlin: Die (Re)Thematisierung der Wohnungspolitik

Berlin erlebt gerade sowas wie die Rückkehr der Wohnungspolitik. Nein, nicht dass die regierenden Parteien oder verantwortlichen Senatsverwaltungen eine solche entwickeln würden – deren Vorschlägen bleiben allenfalls rhetorisch. Aber im Schatten der medialen Aufregung um angezündete Autos und Hassplakate hat sich eine fundierte (Re)Thematisierung der Stadtpolitik in die Zeitungsspalten der Hauptstadtpresse zurückgeschlichen.

Vorneweg dabei die taz, die unter dem etwas kontrafaktischen Titel „Soziale Stadt“ eine Serie zu Gentrification und Verdrängung in verschiedenen Stadtteilen Berlins gestartet hat. Bisher wurde fünf gut recherchierte und lesenswerte Artikel in der Reihe veröffentlicht:

Dazu gibt es noch einen engagierten Beitrag von Gereon Asmuth: Linke Gewalt und verbale Aufrüstung in Berlin: Das Jahr des Feuers (31.12.2009), der zu mehr Gelassenheit im Umgang mit Autobrandstiftungen aufruft und statt der Distanzierungsorgien ein Bekenntnis für eine soziale Wohnungspolitik einfordert. Sehr schön. Peinlich allenfalls das angebliche Partyinterview mit einem Autobrandstifter

Hier gibt es kurze Zusammenfassungen der Beiträge – die Lektüre der ganzen Artikel sei aber ausdrücklich empfohlen: Weiterlesen

London: ‚Super-Gentrification‘ statt Social Mix

In der Frankfurter Rundschau von heute gibt es einen ausführlichen und sehr lesenwerten Artikel von Werner Girgert zu den aktuellen Aufwertungsdynamiken in London: „Leben in London: Angriff auf das Zentrum„. Als ‚Super-Gentrifcation‘ wird dabei die Verdrängung selbst gutverdienender Mittelschichtshaushalte durch „eine Gruppe von superreichen Globalisierungsgewinnern“ beschrieben. Das dichte Nebeneinander von Arm und Reich führe dabei jedoch nicht zu neuen Formen der Integration, sondern verstärke die sozialen Spaltungen durch die alltägliche Konfrontation der verschiedenen Lebensstile.

 

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Hanau: Hauptsache hochwertige Wohnnutzung

Hanauer Mumie: Umriss des Dialoggebietes zum Stadtumbau

Anfang der Woche sollte so etwas stattfinden wie die Stunde der Wahrheit. Im Vergabeverfahren („Wettbewerblicher Dialog„) um die Auswahl des künftigen Investors für den Umbau der Hanauer Innenstadt stand die Präsentation der Überarbeitungen an den Entwürfen der letzten drei Bewerber auf dem Programm. Die Frankfurter Rundschau berichtete ausführlich mit einer Doppelseite über die nun vorliegenden Entwürfe: Knackpunkt FreiheitsplatzDrei sind noch dabei | Es wird Zeit zu entscheiden

Geplant ist ein umfassender Umbau eines großflächigen Innenstadtareals. Insgesamt geht es um eine Investitionsvolumen von 200 Mio. Euro und  zusätzlich 30 Mio. Euro an öffentliche Mitteln die für den ambitionierten Stadtumbauplan ausgegeben werden sollen. Neben den unvermeidlichen Einkaufszentren und verschiedenen Kultureinrichtungen ist auch ein hochwertiger Wohnungsbau geplant. Die von der Stadt und der kommunalen Baugesellschaft Hanau favorisierte Variante von Abriss und Neubau war auf heftige Kritik bei den Betroffenen gestoßen, die erst aus der Zeitung vom geplanten Abriß ihrer Wohnungen erfahren hatten.

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