Berlin: Verdängungsnormalität

Mieterinitiativen in Berlin versuchen seit langem gegenüber der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung einen differenzierten Blick auf die Mietentwicklung der Stadt durchzusetzen. Statt mit pauschalen Durchschnittsgrößen preiswerter Mieten und verfügbarer Wohnungen alle Kritik an der Stadtentwicklung abzuwiegeln, verwiesen die Stadtteilinitiativen vor allem auf die klaren Aufwertungs- und Verdrängungsindizien in einer Reihe von innerstädtischen Vierteln. Nun zeigt der GSW-Wohnungsmarktreport 2010 (pdf), dass die Berliner Wohnungsmarktentwicklung doch als stadtweiter Trend bezeichnet werden kann: In allen Bezirken (mit der Ausnahme von Spandau) steigen die Mieten.

In der aktuellen Ausgabe der Tageszeitung Neues Deutschland gibt es ein kurzes Interview mit mir zu diesen Entwicklungstendenzen nachzulesen: Verdrängung wird Normalfall (siehe unten). Aufhänger für das Gespräch waren Aktivitäten einer Stadtteilinitiative in Alt-Treptow, die in den letzten Monaten zunächst gegen den Neubau von Eigentumswohnhäusern durch Baugruppen mobilisierten und aktuell gegen die Mieterhöhungen durch die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft „Stadt und Land“. Ebenfalls im Neuen Deutschland gab es einen Beitrag zu den Protesten in Alt-Treptow: Kunger-Kiez droht zu kippen.

»Stadt und Land« erklärte ND, bei insgesamt 332 Wohnungen im Kunger-Kiez die Netto-Kaltmiete zum 1. April zu erhöhen. Von einigen Mietern verlangt die Gesellschaft 11 Prozent Aufschlag, von anderen 20 Prozent. Ein älterer Mann ist erbost, dass »Stadt und Land« mehr Geld ohne Gegenleistung fordere: »Unser Hausflur vergammelt, da blättert die Farbe ab.« Seit der letzen Mieterhöhung sei dort nichts geschehen. Wer sich jedoch weigert zu zahlen, dem droht die Gesellschaft mit Klage.

Das selbst in einem bisher eher unscheinbaren Wohnquartier wie Alt-Treptow Mieterhöhungen durchsetzbar sind und Eigentumswohungsprojekte  dort realisiert werden können, zeigt wie umfassend der Trend der Aufwertung und Verdrängung mittlerweile die Berliner Innenstadt ergriffen hat. Statt der früheren Luxusenklaven stellen mittlerweile   Wohngebiete mit stagnierenden Mietpreisen die Ausnahme dar: Verdrängung ist Normalfall.

Weiterlesen

Berlin: Nur die Lage zählt

Am Wochenende war ich zur Klausur der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus geladen und durfte gemeinsam mit den anderen externen Referenten Sigmar Gude (Stadtplaner bei topos), Thomas Knorr-Siedow (Stadtplaner an der TU Cottbus) , Rainer Tietzsch (Rechtsanwalt und Experte für Städtebaurecht) sowie Reiner Wild (Berliner Mieterverein) den regierenden Genossen wohnungspolitisch auf die Sprünge helfen.

In meinem Beitrag habe ich mich auf die Mietentwicklungsdynamiken in Berlin konzentriert und versucht, wesentliche Faktoren der Mietpreisbildung herauszuarbeiten. Insbesondere für die Suche nach wirkungsvollen Strategien gegen steigende Mieten und sozialräumliche Spaltungen ist es zentral die Funktionen des Mietwohnungsmarktes zu kennen.

Auf der Basis vorliegender Wohnungsmarktstudien konnte ich drei Punkte herausstellen:

  • die höchsten Stiegerungsraten im Bestandsmietenbereich sind in den preiswertesten Beständen zu verzeichnen
  • Neuvermietungsmieten deutlich über den Mietspiegelmittelwerten
  • die kleinräumige Lage der Wohnung hat einen höheren Einfluss als Baualter und Ausstattung auf den Mietpreis.

Weiterlesen

Paris: Paläste für Alle?

In der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung gibt es einen Artikel zu eine   HausPalastbesetzung der wohnungspolitischen Aktionsgruppe ‚Jeudi Noir“ (Schwarzer Donnerstag) in Paris: Vive la chance (von Stefan Ulrich, Süddeutsche Zeitung, 27. Januar 2010, Seite 3). Seit drei Monaten hält eine Gruppe von 32 jungen Leuten ein seit über 40 Jahren leer stehendes Palais am Place des Vosges in der Pariser Innenstadt besetzt.

Heute gehört der Platz wieder zu den teuersten Adressen im ohnehin nicht billigen Paris. 20 000 Euro soll der Quadratmeter kosten. Dubouchet könnte sich glücklich preisen in seinem Palais Nummer 1 b, in dessen Dachgeschoss er sein Atelier eingerichtet hat. Die Sache hat nur einen Haken: Dubouchet ist nicht Schlossbesitzer – sondern Schlossbesetzer.

Auch in den Stuttgarter Nachrichten gab es eine Bericht über die Besetzung des 400 Jahre alten Gebäudes: Studenten besetzen Luxus-Palais. Der dort beschriebene Besuch der 87-jährigen Besitzerin Béatrice Cottin kurz vor Weinachten brachten den Besetzer/innen jedoch kein Glück. Entmündigt und unter Vormundschaft gestellt, nuzte die Sympathie der alten Dame wenig. Nach einem vom Vormund erwirkten Gerichtsbeschluss droht nun die Zwangsräumung.

Weiterlesen

Berlin Nordneukölln: „es gibt sogar schon Diplomaten hier“

In der erst kürzlich auch hier besprochenen Artikelserie „Soziale Stadt“ in der taz gibt es heute ein aufschlussreiches Interview mit einem Hausverwalter in Nordneukölln, der den Aufschwung der letzten Jahre aus seiner Perspektive darstellt: „Vertreibungsgefahr ist nicht so groß“.

Während selbst kleinräumige Statistiken bisher nicht geeignet waren, die symbolischen Aufwertungen und den Imagewandel von Nordneukölln auch empirisch zu bestätigen und Verdrängungswarnungen oft mit dem Vorwurf einer nur „gefühlten Gentrification“ konfrontiert waren, gibt es nun ein paar handfeste und glaubwürdige Indizien für die beginnende Gentrification dort. Bernd Girke, Hausverwalter von vier Häuser in der Umgebung des Weichselplatztes benennt im Interview gegenüber der taz, eine steigende Nachfrage nach Wohnungen im Gebiet, höhere Neuvermietungsmieten und eine wachsende Investitionsbereitschaft der Eigentümer als klare Merkmale des Wandels.

Unabhängig von den spannenden Informationen zum Vermietungsgeschäft im Neuköllner Norden gibt es ein wunderschönes Zitat zur fast schon sympathischen Piefigkeit des alten Westberlin:

taz: (…) Sie haben am Weichselplatz einen schönen Spielplatz, es gibt ein kinderfreundliches Café, einen Bio-Eisladen, Kindermodegeschäft. Manche sagen, der Weichselplatz ist schon bald der Kollwitzplatz von Neukölln.

Antwort Girke: Ich muss zu meiner Schande gestehen, ich war noch nie am Kollwitzplatz, zumindest ist den letzten 20 Jahren nicht. Darum weiß ich auch nicht, ist das was Positives, was Negatives? Jedenfalls freue ich mich, wenn ich nach Hause komme und sehe, dass das Café voll ist und überall Fahrräder stehen und auf dem Spielplatz voller Betrieb ist.

Passend zum Thema hab ich auch folgenden Blogeintrag bei Allexander Korte gefunden: Reuterkiez kommt?

Als Mitte-Boy muss ich mit ansehen wie unser Viertel vermainstreamt und die Karawane der Jungen und Schönen (=Gentrification) weiterzieht in ein mir fernes und unbekanntes Land. Sie nennen es Kreuzkölln oder Neukölln-Nord. (www.korte.de)

Weiterlesen

Gentrification: Eigentümer haben’s auch nicht leicht

Per Mail erreichte mich die Bitte, die Gentrificationdebatte auch einmal aus der Eigentümerperspektive darzustellen. In der Mail heisst es:

es würde mich freuen, wenn Sie beigefügte Tabelle auf ihrem Blog veröffentlichen würden und auch gerne mal selbst bewerten könnten. Ich möchte hier mal eine Lanze für die ehrlichen Vermieter brechen, die ihr Haus in Schuss halten und eine angemessene (4%) Verzinsung ihres eingesetzten Kapitals erreichen wollen. Die beigefügte Beispielrechnung basiert auf meiner jahrelangen Erfahrung im Baugewerbe, als Beirat in einem Haus wo wir in den letzten 10 jahren einen Grossteil der aufgeführten Arbeiten haben machen lassen und auf zusätzlichen Internetrecherchen etc. (…)  Die Berechnung basiert auf einem Gründerzeit-Altbau mit 10 Wohnungen a 100m² inkl. einem begrünten Hof (also dem klassischen Gentrifizierungsobjekt).

Weiterlesen

Berlin: Diskriminierung bei der Wohnungsvergabe

In der aktuellen Ausgabe der Berliner Zeitung gibt es einen Artikel zu einer sozialwissenschaftlichen Studie, die die diskriminierende Vermietungspraxis von Berliner Wohnungsververwaltungen gegenüber türkischen Wohnungsbewerberinnen untersucht hat: „Mietvertrag nur für Deutsche„. Die Soziologin Emsal Kilic von der Humboldt-Universität hat für ihre Diplomarbeit hunderte Bewerbungsschreiben an Wohnungsverwaltungen in Wilmersdorf und Neukölln geschreiben um deren Vermietungsverhalten gegenüber türkischen Wohungssuchenden zu analysieren:

„Die Reaktionen der Vermieter reichten von unterschwelliger Feindseligkeit bis zu offensichtlicher Ablehnung“, sagt Emsal Kilic. Für viele Nichtdeutsche seien diese Reaktionen längst ein „alltägliches selbstverständliches Phänomen“. Als „klare Form von Diskriminierung“ bezeichnete der Stadtsoziologe Hartmut Häußermann das Ergebnis der Studie. Der Professor hatte die Studie betreut.
Häußermann sagt, oft würden Hausverwalter und Vermieter das Argument vortragen, ihre Mieter wollten keine Migranten als Nachbarn und die Vermieter müssten ihre Mieter zufriedenstellen. „Offenbar müssen diese Mitarbeiter besser geschult werden, damit sie ihre Vorurteile abbauen“, sagte Häußermann.

Die Wohnungswirtschaft in Berlin streitet diesen Vorwurf erwartungsgemäß ab. Interessant sind allenfalls die Begründungen:

Weiterlesen

Frankfurt: Luxuswohnen in der Innenstadt

Frankfurts Immobilienbranche freut sich. Galt es jahrelang als ausgemacht, das teures Wohnen vor allem im Umland der Bankenmetropole stattfindet, beobachten die Makler und seit ein paar Jahren einen Trend zurück in die Innenstadt. Vorbei also die tristen Zeiten, in denen sich nur mit Bürogebäuden Geld verdienen ließ. In der Immobilienbeilage der Frankfurter Rundschau (vom 28./29.11.2009, W6) schreibt Bernd Lothringer über die neuen Entwicklungen: „Das Frankfurter Phänomen“. Im Beitrag heisst es:

Trotz Krise: Der Markt für Luxuswohnen in der Frankfurter Innenstadt wächst stetig. (…) während die Nachfrage in Hamburg, München und Berlin turbulent auf und ab ging, blieb die Lage am Main stabil. Der Grund: Die Klientel mit den gehobenen Ansprüchen treibt es in die Innenstadt zurück.“

Weiterlesen

Gentrification: Trend zur Zombietown oder Politökonomie?

Die Proteste gegen die unternehmerische Stadtpolitik in Hamburg haben ein erhebliches mediales Echo ausgelöst. Das Anti-Gentrification-Manifest „Not In Our Name – Marke Hamburg“ hat es bis in die Zeit und die Süddeutsche Zeitung geschafft, inzwischen berichtet sogar die taz über das Gängeviertel (siehe unten) und das traditionell konservative Hamburger Abendblatt hat sich inzwischen sogar fast schon der Hofberichterstattung des Protestes verschrieben. In der Wochenendausgabe ist dort unter dem Titel „Der Kampf um das Leben in der Stadt Hamburg“ ein ausführlicher Bericht über die Vielfalt der städtischen Proteste in Hamburg zu finden, der wesentliche Argumentationen von Aktivist/innen zu Wort kommen lässt:

Weiterlesen

Zürich: Sind Hausverkäufer verantwortlich für die Gentrification?

Unter dem Titel „Jürg Acklin ist nicht Pestalozzi“ gibt es auf dem Blog von Ronnie Grob einen spannenden Diskussionsbeitrag zur Aufwertung im Züricher Quartier Seefeld. Ausgangpunkt ist eine engagierte Reportage des Schweizer Fernsehens zu den Investitionsstrategien in Seefeld: „Vertrieben von Zuhause – Yuppisierung eines Quartiers (27 min)“.

Der Filmbeitrag beschreibt die Veränderungen im Quartier am Beispiel der Verwertungsstrategien des Investors  Urs Ledermann, dermehr als dreißig Immobilien im Gebiet bewirtschaftet (NZZ, 2006). Erzählt wird eine immer wiederkehrende Geschichte der Sanierung, des Abrisses und der Neubebauung, bei der die früheren Mietparteien ausziehen müssen und neue, solventere Bewohner/innen erschreckend hohe Beträge für luxeriöse Wohnungen bezahlen. So weit, so schlecht, so typisch für Gentrificationprozesse.

Ronnie Grob macht zurecht auf einen Zusammenhang aufmerksam, der in den meisten Gentrificationstudien unterbelichtet bleibt. Er greift eine Interviewpassage mit Jürg Acklin – einem linksliberal eingestellten Schriftsteller und Psychoanalytiker – auf, in dem dieser beschreibt, warum er großen Bedenken zum Trotze das Haus aus jahrzehntelangem Familienbesitz an den umstrittenen Investor verkauft:

Weiterlesen

Berlin: Wiener Altbau-Development-Strategie für Berlin

Gerade habe ich auf dem „Deutschen Geographentag“ (die nennen sich tatsächlich noch so!) in Wien einen Vortrag zu Luxuswohnanlagen in Berlin gehalten. Ein Wiener Kollege hat in der darauf folgenden Diskussion auf die mangelnde Verallgemeinerungsfähigkeit meiner Thesen verwiesen: Zumindest in Wien würde es gar nicht genügend Baulücken für Projekte wie den Marthashof oder die Prenzlauer Gärten geben – so sein Argument.

Das mag stimmen, eine andere Erklärung habe ich in verschiedenen österreichischen Zeitungen gefunden. Private Anleger und auch institutionelle Investoren finden den Berliner Immobilienmarkt viel attraktiver als Wien.

Weiterlesen