Für alle, die Aufwertung und Verdrängung schon immer für ein Verbrechen hielten, gibt es jetzt eine Bestätigung. In der taz gab es in der vorigen Woche einen Bericht zur Verhaftung des ersten Mieters im Kreuzberger Luxuswohnprojekt Carlofts. Unter der Rubrik „was macht eigentlich…“ ist zu lesen, dass die Eigentümer des Carlofts „Den ersten Mieter an den Knast Moabit verlieren„:
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Berlin: Ende des (Un)Sozialen Wohnungsbaus
In der aktuellen Ausgabe der jungen welt beleuchtet Christian Linde die Auseinandersetzungen innerhalb der Berliner SPD-Linke-Koalition um die Anschlussförderung im „Sozialen Wohnungsbau“:Zurück in die Zukunft.Berlin: Streit um Mietobergrenzen entzweit SPD-Linke-Koalition. Sozialdemokraten wollen zum alten Fördersystem des »sozialen« Wohnungsbaus zurück.
Hintergrund ist die Förderlogik des früheren Förderprogramms „Sozialer Wohnungsbau“, der zwar keine preiswerten Wohnungen hervorbrachte, aber für die Vermieter über Jahrzehnte ein gutes Geschäft war. 2003 beschloss die rot-rote Koalition den Ausstieg aus dem unsozialen Förderwahnsinn. Die SPD – so der Artikel – plane nun die Fortsetzung der alten Förderpraxis.
Prenzlauer Berg: Mythos Baby-Boom
Seit Jahren hält sich in den Beschreibungen von Prenzlauer Berg hartnäckig das Gerücht der hohen Geburtenraten. Tatsächlich liegt die Zahl der neugeborenen Kinder dort höher als in anderen Bezirken der Stadt. Doch Grund ist nicht eine höhere Geburtenrate, sondern der ungewöhlich hohe Anteil von Haushalten im Alter zwischen 25 und 45 Jahren. Da es kaum deutschsprachige Artikel gibt, die dies beschreiben, hier ein älterer Beitrag aus der New York Times: „Falling German Birthrate Dispels Baby Miracle Myth“
The baby miracle of Prenzlauer Berg seems indisputable in the rush of children on bicycles, playing basketball, or digging in a sandbox. This enclave with many artists and professionals, would be an appealing spot to find the hope of a nation, apparently more so than the immigrant-heavy Neukölln neighborhood that Mr. Klingholz says has the highest birthrate in the city. Many children live in Prenzlauer Berg, even though the birthrate is below the average for the city, the country and the continent. But the number is really explained by the rush of young people who moved into the neighborhood over the past two decades and stayed put.
Berlin: Aufwertungstendenzen am Reuterplatz
Der gerade veröffentlichte IBB-Wohnungsmarktbericht 2008 bestätigt die wohnungswirtschaftlichen Einschätzungen und Sozialstudien der vergangenen Monate: steigende Preise in fast allen Wohnungsmarktsegmenten. Die durchschnittlichen Nettokaltmieten werden für Ende 2007 mit 4,75 angegeben, das sind 11 Prozent mehr als 2002. Ein Steigerung, die fast doppelt so hoch ist, wie die der durchschnittlichen Einkommenssteigerungen im selben Zeitraum. Die Mietbelastungsquote ist damit auf 28 Prozent angestiegen – das ist schon fast richtiges Westniveau (wie in Hamburg, Frankfurt/Main oder München). Die Neuvermietungsmieten liegen sogar noch höher, bei durchschnittlich 5,75 Euro je Quadratmeter. Zusammenfassende Artikel zum aktuellen Wohnungsmarktbericht gibt es in der Berliner Zeitung: „Mieten steigen schneller als die Löhne“ und „Wohnen in der City muss man sich leisten können„
Die Sonderauswertung zur Mietentwicklung in Neukölln zeigt, dass auch Teile des sonst meist als Problemquartier beschriebene Nordneukölln zur City gehört. So bestätigt der Wohnungsmarktbericht die Sonderrolle des Reuterkiezes. Weiterlesen
Neue Soziale Mischung in Prenzlauer Berg?
Heute Abend war im Deutschlandfunk das Feature von Anselm Weidner zu hören:Brunnenviertel/Marthashof.Der „soziale Äquator“ als neue Grenze. Am Beispiel des früheren Mauerstreifens an der Bernauer Straße werden die neuen sozialen Spaltungslinien von Berlin eindrücklich beschrieben:
Im Brunnenviertel auf der früheren Westseite im Wedding geht die Angst um, ob das Geld für eine warme Mahlzeit am Tag reicht, ob die Miete im nächsten Monat bezahlt werden kann oder Vattenfall morgen den Strom abstellt. Die Menschen auf der anderen Seite der Bernauer Straße treibt die Sorge um, wie in den Pent Houses und Town Villas des „Urban Village“ Marthashof ein „Wohnen ohne Kompromisse“ (so die Werbung) zu organisieren ist, ob mit einer Duschterasse aus Naturkieseln oder aus fugenlosem Feinsteinzeug in Erdtönen.
Zu hören ist das Feature hier.
Inhaltlich wird das Thema der Aufwertung im Feature nicht von den quartierlichen Verdrängungseffekten aufgerollt, im Zentrum steht vielmehr eine gesamtstädtische Perspektive der sozialräumlichen Neuordnungen in der Stadt. Während die politischen Zielstellungen der Berliner Stadtpolitik ungebrochen am Leitbild der Sozialen Stadt und einer sozialen Mischung festhalten, verdeutlicht das Feature einen Ausschnitt der längt etablierten Spaltungslinien. Ludwig Stoffel, Geschäftsführer von Stoffanel, dem Projektträger des Luxuswohnprokjektes Marthashof in Berlin Prenzlauer Berg kommt zu Wort und darf erklären wie die neue Mischung von Prenzlauer Berg aussehen wird:
Top-value heißt Werte, wir wollen Werte schaffen, und wir sagen, meine Frau hat’s vorhin gesagt, intelligenten Luxus. Wir wollen in unseren Projekten eine Mischung haben von middle-class,upper-middle-class, von Menschen die einfach eine Atmosphäre, ein Gefühl suchen. Die Lebensqualität, das ist Wert, das ist top-value.
Belagerungszustände und Landnahme
Jörg Schleicher von der AnliegerIinitiativeMarthashof (AIM) hat ja in seinem Kommentar unter den letzten Blogeintrag bereits auf den Prenzlauer Berg Artikel in der New York Times hingewiesen: In Berlin, a Gentrifying Neighborhood Under Siege. Der Blick von ‚außen‘ erscheint dabei klarer als die oftmals verworrenen Diskussionen hierzulande. In dem Beitrag heisst es als Erklärung für die Gentrificationannahme u.a.:
Prenzlauer Berg has gone from being one of the cheapest neighborhoods in Berlin to one of the most expensive, with rents increasing tenfold.
Passend zum Thema und eher Landnahme als Belagerung will ich kurz auf einen Beitrag im Auguststraßenblog (wie immer mit vielen und tollen Bildern!) aufgreifen. Im Zusammenhang mit der Schließung der Buchhandlung Starick am Rosenthaler Platz wird dort auf den Neubau von immer neuen Hotel- und Hostelanlagen in Berlin Mitte verwiesen. Dieser Boom an Tourismusindustrie, so liest sich die Vermutung, stehe in einem linearem Verhältnis zu den steigenden Mieten in den Wohnungen der umliegenden Nachbarschaften. Längst ist von einer Touristifizierung die Rede und Alexa Kaufhof formuliert in einem Kommentar durchaus zynisch:
Das ist doch ein wunderbares Beispiel dafür, wie der freie Markt alles regelt. Zwar steigen in solchen Gebieten die Wohnungsmieten, aber dafür werden die Hotelzimmer durch die Konkurrenz so billig, daß bald alle ins Hotel ziehen können.
Keine Verdrängung durch brennende Autos
Die Serie von Brandanschlägen auf Autos in den Berliner Innenstadtbezirken zum Jahresbeginn hat nun auch die internationale Presse erreicht. Auf den Seiten von Bloomberg.com gibt es einen Artikel über die brennenden Autos in Berlin: Arsonists Torch Berlin Porsches, BMWs as Recession Fuels Anger. Wie es sich für ein Wirtschaftsmagazion gehört, werden ersteinmal Ranglisten für die verschiedenen Automarken erstellt:
Szenen der Aufwertung
In der heutigen Ausgabe der Frankfurter Rundschau findet sich auf den Magaizinseiten ein längerer Beitrag zur Aufwertung in Innenstadtvierteln: „Jung, ledig sucht…„. Der etwas reißerische Untertitel liest sich wie eine Anleitung zur Gentrification:
„Am Anfang sind es Studenten und Künstler, die einen Stadtteil entdecken. Wir verraten, wie daraus eine Szeneviertel entsteht und welche Quartiere in Zukunft besonders gefragt sein werden.“
Doch der Beitrag selbt geht wesentlich kritischer mit den vielerorts stattfindenden Aufwertungsdynamiken um. An Beispielen in Frankfurt/Main (Bahnhofsviertel), Hamburg (Veddel), Berlin (Oranienburger Vorstadt), Leipzig (Plagwitz) und München (Westend) werden die Übergänge von symbolischen zu sozialen und ökonomischen Aufwertungen beschrieben: Weiterlesen
NIMBY in Kreuzberg: Junkies, Yuppies, Polizei
Berlin Kreuzberg, zuletzt wegen steigender Mieten und exklusiver Bauprojekte in die Schlagzeilen geraten, ist aktuell Schauplatz eines typischen Protestdilemmas. Nachbarschaftsinitiativen, die sich eigentlich gegen die Folgen einer verfehlten Drogenpolitik organisieren, fordern die Ausgrenzung der Drogenszene und eine Verschärfung der Polizeiarbeit.
So verständlich der Wunsch auch ist, keine gebrauchten Spritzen in den Hausfluren zu finden und seinen Kindern den Anblick von Drogenabhängigen zu ersparen – so asozial sind die Mobilisierungen zur Verdrängung des Problems aus der eigenen Nachbarschaft. NIMBY (Not in My Backyard)-Bewegungen sind oft typisch für Mittelklassenachbarschaften, die in schlichter Regelmäßigkeit nach Ausschluss und Kontrolle rufen. Das es vor allem Gewerbetreibende und Wohnungseigentümer sind, die keine offen Drogenszene im Kiez wollen, ist dabei kein Wunder. Denn sie haben nicht nur ein alltägliches, sondern eben auch ein direktes finanzielles an einer Verdrängung der Drogenszene.
Berichte zu dem Konflikt in Kreuzberg gibt es in etlichen Berliner Tageszeitungen, mit durchaus unterschiedlichen Perspektiven auf den Konflikt: Weiterlesen
Berlin: Mieten bleiben Thema
Die Diskussionen um die Mietentwicklungen in der Stadt begleiten die lokalpolitische Berichterstattung Berlins seit Monaten. Seit dieser Woche gibt es einen Newsletter „steigenden mieten stoppen“. Im der ersten Ausgabe heisst es:
Hinter steigenden Mieten steht das Interesse des Immobilienkapitals an hohen Profiten, die Politik schafft die Rahmenbedingungen, die diese hohen Profite ermöglichen. Und so wie die aktuell massiv steigenden Mieten gesellschaftliche Wurzeln haben, wird breiter und vielfältiger Widerstand die Umkehr dieser Entwicklung durchsetzen: Billige und gute Wohnungen für Alle statt hohe Profite für die Immobilien-Besitzer_innen!
Aboniert werden kann Newsletter, der ein- bis zweimal monatlich erscheinen soll mit einer Mail an bfa-mietenstop@riseup.net.
Doch längst sind es nicht nur Protestinitiativen, Sozialverbände und Mieterorganisationen, die eine Wende der Berliner Wohnungspolitik fordern. Und auch der Ton der Debatte verschärft sich: Weiterlesen