Hanau: Aufwertung und Verdrängung (Veranstaltung)

Vor ein paar Monaten habe ich hier auf dem Blog über die skurrilen Aufwertungspläne in Hanau berichtet: Hanau: Luxuswohnen als Standortfaktor. Seit ein paar Monaten haben Stadtteilinitiativen und Mietergruppen begonnen, sich gegen die Verkaufspläne der Innenstadt zu organisieren. Mit reglmäßigen Stadtrundgängen und Veranstaltungen versuchen sie den sogenannten „Wettbewerblichen Dialog“ (das Auswahlverfahren für den am besten geeigneten Investor) kritisch zu begleiten. Für die kommende Woche ist eine Veranstaltung zu Verdrängungsprozessen angekündigt:

Donnerstag, 22.10.2009 um 19:30DGB-Jugendheim (Hanau)
Veranstalter/innen: Sozialforum Hanau und Mieterrat Französische Allee
„…das Quartier so gestalten, dass junge Familien mit ordentlichen Berufen im Karree wohnen…“ *

*Sozialdezernent Axel Weiss-Thiel auf der Mieterversammlung am 4.7.09.

Eine Veranstaltung mit Dr. Andrej Holm (Goethe-Universität Frankfurt) und dem Sozialforum Hanau zur geplanten Verdrängung alteingesessener Bevölkerungsgruppen im Zuge des Wettbewerblichen Dialogs. Weiterlesen

Gentrification: Vom Tabu zum Kampfbegriff

„War „Gentrification“ früher ein Fachausdruck für Stadtsoziologen, ist er heute in der linken Szene ein negativ besetzter Kampfbegriff.“ (FAZ.NET, 15.09.09)

Gentrification ist ein umkämpfter Begriff, weil er die sozialen Konsequenzen der Stadterntwicklung benennt und Gewinner und Verlierer städtischer Aufwertungsdynamiken sichtbar macht. Insbesondere Stadtverwaltungen und Sanierungsträger, die sich lange Zeit zumindest den Ansprüchen einer sozial ausgleichenden Stadtentwicklung verpflichtet sahen, stritten in den vergangenen zwanzig Jahren Verdrängungstendenzen unisono ab. Weiterlesen

Potsdam: Ausgrenzung und Banalisierung

Ein deutliches Beispiel für eine verfehlte Stadtentwicklungspolitik bietet die Landeshauptstadt Potsdam. Als eine der wenigen boomenden und wirtschaftlich erfolgreichen Städte in Ostdeutschland zeigt Potsdam die typischen Verwerfungen eines kapitalistischen Wohnungsmarktes relativ unverstellt.

Auf der einen Seite steigende Mieten und drohende Versorgungsdefizite für ärmere Haushalte – auf der anderen Seite unglückliche Reiche, die infolge der fortgesetzten Aufwertung einen Verlust an Vielfalt und Lebensqualität bemängeln. Ausgrenzung, Exklusion, Banalisierung und Kommerz –  in Potsdam sind es zwei Seiten ein und der selben Medaille.

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Paris: Krise als Aufwertungsmotor

In der Frankfurter Rundschau von heute gibt es einen ausführlichen Beitrag zur Stadtentwicklung in der französischen Hauptstadt: Paris: Die geteilte Stadt. Werner Girgert stellt in seinem Artikel die zunehmenden Exklusionstendenzen in den Kontext der global city formation von Paris. Der wirtschaftliche Erfolg und erwirtschaftete Reichtum auf der einen Seite trieb den Pariser Immobilienmarkt zu immer neuen Höhen. Angesichts der Krise können sich selbst Besserverdienende die Wohnungen in der Innenstadt nicht mehr leisten und weichen auf die bisher preiswerten Wohnquartiere im Osten der Stadt aus. Paris bietet damit eine anschauliches Beispiel für die Funktionsweisen von Aufwertungsketten, bei denen die Verdrängten aus den hyper-gentrifizierten Zonen der Stadt zu den Gentrifieren in anderen Wohngebieten werden.

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HH: Quartiersmanagement für mehr Aufwertung in St. Georg

In der Welt gibt es einen kleinen Beitrag zu den aktuellen Stadtentwicklungsdynamiken in St. Georg: Das Schmuddelviertel verändert sein Gesicht. Aus dem „einstmals schmierigen Bahnhofsviertel“ sei inzwischen ein „schicker Stadtteil an der Alster“ geworden und Mieten von 11 Euro den Quadratmeter keine Seltenheit. Auch die Gewerbemieten steigen:

Die Außengastronomie in der Langen Reihe hat die Messlatte hoch gelegt: Hier können Immobilienbesitzer inzwischen 50 Euro und mehr pro Quadratmeter Ladenfläche verlangen.

Traditionsgeschäfte hingegen mussten schließen. Kein Wunder also, dass die Meinungen zu den Veränderungen geteilt ausfallen:

Die jetzt in Angriff genommene Aufhübschung des Hansaplatzes ist nur das aktuellste Beispiel für eine Veränderung, die viele Bewohner begrüßen, viele aber auch als Verdrängung von Alteingesessenen kritisieren.

Einige Stimmen aus St. Georg kommen in der Welt zu Wort: Weiterlesen

Neue Soziale Mischung in Prenzlauer Berg?

Heute Abend war im Deutschlandfunk das Feature von Anselm Weidner zu hören:Brunnenviertel/Marthashof.Der „soziale Äquator“ als neue Grenze. Am Beispiel des früheren Mauerstreifens an der Bernauer Straße werden die neuen sozialen Spaltungslinien von Berlin eindrücklich beschrieben:

Im Brunnenviertel auf der früheren Westseite im Wedding geht die Angst um, ob das Geld für eine warme Mahlzeit am Tag reicht, ob die Miete im nächsten Monat bezahlt werden kann oder Vattenfall morgen den Strom abstellt. Die Menschen auf der anderen Seite der Bernauer Straße treibt die Sorge um, wie in den Pent Houses und Town Villas des „Urban Village“ Marthashof ein „Wohnen ohne Kompromisse“ (so die Werbung) zu organisieren ist, ob mit einer Duschterasse aus Naturkieseln oder aus fugenlosem Feinsteinzeug in Erdtönen.

Zu hören ist das Feature hier.

Inhaltlich wird das Thema der Aufwertung im Feature nicht von den quartierlichen Verdrängungseffekten aufgerollt, im Zentrum steht vielmehr eine gesamtstädtische Perspektive der sozialräumlichen Neuordnungen in der Stadt. Während die politischen Zielstellungen der Berliner Stadtpolitik ungebrochen am Leitbild der Sozialen Stadt und einer sozialen Mischung festhalten, verdeutlicht das Feature einen Ausschnitt der längt etablierten Spaltungslinien. Ludwig Stoffel, Geschäftsführer von Stoffanel, dem Projektträger des Luxuswohnprokjektes Marthashof in Berlin Prenzlauer Berg kommt zu Wort und darf erklären wie die neue Mischung von Prenzlauer Berg aussehen wird:

Top-value heißt Werte, wir wollen Werte schaffen, und wir sagen, meine Frau hat’s vorhin gesagt, intelligenten Luxus. Wir wollen in unseren Projekten eine Mischung haben von middle-class,upper-middle-class, von Menschen die einfach eine Atmosphäre, ein Gefühl suchen. Die Lebensqualität, das ist Wert, das ist top-value.

Keine Verdrängung durch brennende Autos

Die Serie von Brandanschlägen auf Autos in den Berliner Innenstadtbezirken zum Jahresbeginn hat nun auch die internationale Presse erreicht. Auf den Seiten von Bloomberg.com gibt es einen Artikel über die brennenden Autos in Berlin: Arsonists Torch Berlin Porsches, BMWs as Recession Fuels Anger. Wie es sich für ein Wirtschaftsmagazion gehört, werden ersteinmal Ranglisten für die verschiedenen Automarken erstellt:

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Kreuzberg bald wie Ostberlin?

Das Magazin Klartext des RBB hat gestern einen sehenswerten Beitrag zu den aktuellen Mietentwicklungen in Kreuzberg ausgestrahlt: „Hohe Mieten – Wird der Mittelstand aus der City vertrieben?“. Das ist zwar ein unglücklicher Titel, denn letztlich trifft die Verdrängung vor allem ökonomisch benachteiligte Haushalte – doch bemerkenswert ist der Grundtenor der Sendung: stiegende Mieten und Verdrängung drohen nun auch in den Nachbarschaften der Westberliner Innenstadtbezirke. Die Aunfwertungsprozesse in Mitte, Prenzlauer Berg und Friedrichshain werden dabei als Drohkulisse einer künftigen Kreuzberger Entwicklung gezeichnet. In der Anmoderation des Beitrags heisst es:

Wohnen im Herzen der Stadt. Das ist in Berlin durchaus bezahlbar. Noch. Denn die Mieten in der Innenstadt klettern seit geraumer Zeit steil nach oben. Viele können sich das nicht leisten und müssen gehen. In den östlichen Citybezirken ist diese Entwicklung besonders gravierend. Beispiel: Mitte, Prenzlauer Berg oder Friedrichshain. Da wurden komplette Bevölkerungsschichten einfach ausgetauscht. Immer häufiger erwischt es dabei auch Familien aus der Mittelschicht. Ein Trend, der nun auch die westliche Innenstadt erreicht hat.

Zur Erinnerung: noch vor wenigen Jahren galt es als stadtpolitischer Tabubruch im Zusammenhang mit der Stadterneuerung in Ostberlin von Gentrification zu sprechen. Auch die erst kürzlich erschienene Sozialstudie zur Aufhebung des Sanierungsgebietes Kollwitzplatz in Berlin Prenzlauer Berg spricht angesichts von gravierende Verdrängungsindizien in ihrem Zahlenmaterial lieber von einer „sozialen Konsolidierung“. Aus der Kreuzberger Perspektive jedoch erscheint der Prenzlauer Berg als eindeutige Aufwertungskulisse. Ein politischer Appell zum Abschluss des Beitrages warnt erneut vor Ostberliner Verhältnissen:

Wenn im Senat die Mehrheit aus SPD und Linken nicht die Initiative ergreift, wird auch in Kreuzberg das Wohnen zum Luxus werden – wie zuvor in Prenzlauer Berg, Mitte und Friedrichshain.

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Kneipensterben und neue Gastronomien

Auf Spiegel Online gibt es einen hübschen Artikel zur Veränderung der gastronomischen Infrastruktur in Prenzlauer Berg zu lesen: „Berliner Kneipen-Sterben: Sushi statt Schnaps, Brunch statt Bulette„. Aus der Perspektive eines langjährigen Eckkneipenwirts werden die neuen Bars und Restaurants betrachtet und das langsame Fernbleiben der Stammkundschaft beschrieben.

Voigt ist der Wirt des „Willy Bresch“ gegenüber – einer Berliner Eckkneipen-Institution seit über 40 Jahren. Sein Großvater gab der Gaststätte den Namen, später übernahm sein Vater, seit sieben Jahren führt Voigt Junior den Laden. Und von Tag zu Tag wird ihm klarer, dass er der Vertreter einer aussterbenden Spezies im Szene-Bezirk Prenzlauer Berg ist. Gefragt nach weiteren original Berliner Kneipen wie seiner winkt Voigt nur ab. „Die alten Kneipen im Kiez sind alle weg, auf der ganzen Schönhauser Allee gibt es keine einzige mehr.“

Mit der Verdrängung der früheren Bewohnere/innen verschwinden auch deren Traditionen, so das Fazit des Artikels.

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Berlin | Zürich: Gentrification light?

Gentrification ist ein „dirty word“ (Neil Smith). Auch aktuelle Beispiele zeigen, dass vor allem Stadtverwaltungen und die Immobilienwirtschaft in eine Rhetorik der Verharmlosung verfallen, wenn es darum geht, Verdrängungsprozesse zu beschreiben.

Beispiel Zürich: Die Neue Züricher Zeitung argumentiert im Artikel Übertriebene Angst vor «Yuppisierung» an der Langstrasse, dass die Verdrängung nicht so drastisch sei, wie wahrgenommen. Zwar habe es größere soziale Veränderungen gegeben, aber die könne nicht als Verdrängung beschrieben werden, schließlich seien die früheren Bewohner/innen aus anderen Gründen ausgezogen… (mehr)

Beispiel Berlin Prenzlauer Berg: Um den Erfolg der Berliner Stadterneuerungspolitik zu demonstrieren wählte die Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) ausgerechnet den Kollwitzplatz in Prenzlauere Berg aus. Nein, es ging ihr nicht um die magere soziale Bilanz von 15 Jahren Sanierung (mehr dazu hier im gentrificationblog) sondern um die Vorstellung des Campus der Grundschule am Kollwitzplatz als ‚gelungenes Beispiel für eine familiengerechte Stadterneuerung‘. Um solche Erfolge zu zelebrieren, wird das verpassten Sanierungsziel einer sozial verträglichen Modernisierung einfach ausgeblendet. Auch eine Variante, sich eine Realität zu schaffen. Im Neuen Deutschland ist die Jubelveranstaltung anschaulich beschrieben: Respekt vor Kindern am Kollwitzplatz.

Beispiel Berlin Neukölln: Eine kürzlich vorgestellte Studie zur boomenden Kreativwirtschaft hat gerade wieder Neukölln und sogar Teile von Wedding als künftige hot-spots der Aufwertung identifiziert. In der Berliner Morgenpost (Studie sagt Berlins Kreativwirtschaft starkes Wachstum voraus) heisst es:

Bereits durch diese erste Studie werde deutlich, welche Impulse von den Kreativen ausgingen und wie Kunst und Kultur Stadtteile, auch im sozialen Bereich, verändern könnten. Als Beispiel nannte sie „Szene-Quartiere“ wie Nord-Neukölln und Wedding.

Um nicht auf den Gedanken zu kommen, solche Impulse könnten irgendwas mit Aufwertung oder Verdrängung zu tun haben, gibt es den Plötz-Immoblienführer: In Neukölln muss man steigenden Miete nicht fürchten (Berliner Morgenpost). Na, dann wird ja alles gut…

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